Foto: Sheila Jordan.
Biographie, CDs, Konzert mit Steve Kuhn & Christian Stock Trio
Biografie von Sheila Jordan
Sheila Jordan (geb. Dawson) wurde 1928 in Detroit, Michigan, geboren. Sie wuchs in Armut in Summerhill, Pennsylvania auf. Sie kehrte nach Detroit zurück, wo sie 1940/41 das Klavierspiel lernte. Sie wurde früh von Charlie Parker beeinflusst und war Teil eines Trios, das viele Lyrics zu Kompositionen von Parker schrieb; das Trio hiess Skeeter, Mitch And Jean (sie war „Jean“). 1951 zog Sheila nach New York, wo sie 1951/52 Harmonie und Musiktheorie bei Lennie Tristano sowie bei Charles Mingus studierte. Von 1952 bis 1962 war Sheila mit dem Pianisten von Bird, Duke Jordan, verheiratet. Sheila zog die gemeinsame Tochter alleine auf. Anfangs der 1960er trat sie regelmässig im Page Three Klub in Greenage Village auf. 1962 wurde sie von George Russell für Blue Note entdeckt und spielte noch im selben Jahr Portrait of Sheila sowie Outer View mit George Russell ein. Mitte der 1960er Jahre sang sie Jazzliturgien in Kirchen und College-Kapellen wie Cornell und Princeton, NYC. Jordan spielte 1967-68 mit Don Heckmann, 1972 mit Lee Konitz sowie 1972-75 mit Roswell Rudd. 1974 war sie Artist in Residence am City College, an dem sie ab 1975 unterrichtete. 1979 gründete Sheila Jordan mit Steve Kuhn ein Quartett, dem auch Harvie Swartz und Bob Moses angehörten. In den 1980er Jahren arbeitete sie im Duo mit Harvie Swartz, mit dem sie auch mehrere Platten einspielte. Sheila Jordan ist eine bekannte Songwriterin, die von Bebop bis Free Jazz alles drauf haben soll. Zu ihrer Diskographie gehören Aufnahmen mit dem George Russell Sextet, der George Gruntz Concert Jazz Band (TCB, ECM), Herbie Swartz (MA Recordings), Carla Bley, Steve Swallow (Home für ECM), mit dem sie erstmals Mitte der 1950er zusammen spielte, und ihr Lost And Found aus dem Jahr 1990, eine Hommage an ihre Bebop-Wurzeln. Bis 1987 arbeitete Sheila Jordan in einer Advertising Agency.
Konzert im Bären in Häggenschwil
Das Konzert vom 3. Mai 2001 im Bären von Häggenschwil sah Sheila Jordan in Begleitung von Christian Stock, Walter Bittner und Steve Kuhn, wobei der Pianist die Glanzpunkte setzte.
Nach einem mühsamen Beginn, unter anderem mit The Touch of Your Lips, war bereits klar, dass saubere Intonation nicht Sheila Jordans Sache ist. Auch Hello Young Lovers ausThe King And I konnte keine Katze hinter dem Ofen hervorlocken. Erst mit Abbey Lincolns Bird Alone, das Steve Kuhn nicht lange vor dem Konzert zusammen mit der Komponistin und Sängerin eingespielt hat, kam Stimmung auf. Eine elegante, zeitlose Atmosphäre stellte sich ein. Die relativ dünne Stimme von Sheila Jordan gab dem Stück Charakter.
Danach folgte dat dere, ein Song von Bobby Timmons mit Lyrics von Oscar Brown Junior, den Sheila bereits 1961/62 erstmals aufgenommen hat und der ihrer Tochter gewidmet ist. Logischerweise handelt er von der Beziehung von Mutter und Kind. Sheila spielte den Song regelmässig bei ihren Duo-Auftritten mit Herbie Swartz in den 1980er Jahren. Hier hatte Jordan fühlbar etwas zu erzählen, Emotionen waren zu spüren, ihre Stimme wirkte voll und reich.
Danach folgte Where You At (J. Segal/G. Handy), bei dem Walter Bittner am Schlagzeug ein schwaches Solo bot. Dasjenige von Stock geriet mittelmässig und Sheilas Improvisationen überzeugten ebenfalls nicht. Jordan nahm nun eine Auszeit und Steve Kuhn legte eine herausragende Einleitung am Klavier hin, ehe er von Bass und Schlagzeug diskret unterstützt wurde. Das Piano war leider etwas zu hart eingestellt. Dennoch geriet das folgende Klaviersolo, das Kuhn den Menschen widmete, die ihn selbstlos von La Chaux-de-Fonds nach Häggenschwil gefahren hatten, zu einem Höhepunkt des Abends. Die elegant-perlenden Noten des Pianisten entschädigten für vorhergehende Schwächen.
Bei Steve Kuhns Komposition The Zoo kehrte Sheila Jordan zurück und hielt singend fest: „I’m the best friend you will ever have.“ Steve seinerseits versuchte sich in seinem Stück als Sänger. Spirits Arise sowie eine einfülsame Ballade folgten.
Nach der Pause begann das Quartett mit einem Standard von Cole Porter. Im darauffolgenden The Art of Don Cherry stellte Sheila ihr Improvisations- und Scat-Talent unter Beweis. Ihre Stimme allerdings ist und bleibt nicht jedermanns Sache. Tom Harrells Sail Away, das auch auf dem Album Straight Ahead mit Christian Stock zu finden ist, folgte.
Steve Swallows Ladies in Mercedes folgte, das auch von Carla Bley her bekannt ist. Beim eleganten Cruisen wirkte Sheila Jordan allerdings nicht mit. Steve Kuhn glänzte nachher mit Sonny Rollins‘ Airgin. Das Solo zeigte den Pianisten stilsicher, leicht, virtuos und melodiös. Kuhn rettete den Abend.
Als „tribute to Miles Davis“ spielten die vier Musiker My Funny Valentine, eine zarte Ballade als Liebeserklärung an Miles und seine Musik, Sheilas bester Moment in Häggenschwil. Sie hatte den Meister übrigens das Stück selbst spielen hören. Im Blues It Started With A Blues erzählte Jordan ihre Lebensgeschichte, die in Detroit begann, wo ihre 16jährige Mutter sie zur Welt brachte. Jordan fasste die harten Jahre singend mit den Worten zusammen: „If it wasn’t for jazz music, I wouldn’t be alive today.“
Als erste Zugabe gab es ein Medley, u.a. mit I Got Rhythm und Old Man Trouble. Zum Abschluss des Abends, als zweite Zugabe, bot Sheila Jordan Because Your Wonderful, als Hommage ans Publikum im Bären gedacht.
Sheila Jordan & Harvie Swartz: The Very Thought Of Two. Ma Recordings, 1995.
Bestellen bei Amazon.de oder Amazon.com. Die Live-Aufnahme von 1988 mit Bass und Gesang besteht aus teilweise sehr originell interpretierten Balladen. Es ist kein Easy-Listening-Album. Als Zugabe und zehnten Song gibt es Once Upon A Time mit Milcho Leviev und Dave Holland.
Ebenfalls vom Duo Sheila Jordan & Harvie Swartz: Songs From Within. Ma Recordings, 1993. Bestellen bei Amazon.de. Dedication ist minimalistisch und intimistisch. Bei Goodmorning heartache kann man die Kopfschmerzen nachfühlen. In a Sentimental Mood sowie I Got Rhythm/Anthropology sind sehr originell interpretierte Klassiker. Die in Japan nicht in einem Studio aufgenommen Stücke sind leider tontechnisch nicht optimal.
Sheila Jordan: From The Heart. 32 Records, August 2000.
Jazz Singers. Gebunden, deutsche Ausgabe, Rütten & Loening, 2000, 160 S. Bestellen bei Amazon.de. Die englische Ausgabe: Jazz Singers – The Great Song Stylists in Their Own Words. Bestellen bei Amazon.de oder Amazon.com. 11 Sänger und 9 Sängerinnen werden kurz biografisch vorgestellt, zusammen mit ihren wichtigsten Schallplatten sowie Interviews aus Melody Maker aus den 1950er Jahren. Dazu kommen herausragende Fotografien von Herman Leonard, William Claxton oder Bob Willoughby, die es verstanden, den Menschen hinter dem Künstler sowie die Atmosphäre jener Zeit einzufangen. Sheila Jordan wird zwar in jazz singers nicht vorgestellt, dennoch ist der Band jedem Jazzfan zu empfehlen.
Christian Stock Trio & Sheila Jordan & Adrian Mears: Straight Ahead. YVP, Oktober 2000. Bestellen bei Amazon.de. Christian Stock, Bass; Karel Ruzicka, Piano; Walter Bittner, Schlagzeug; Sheila Jordan, Gesang; Adrian Mears, Posaune. Das Album ist eine Hommage an den Modern Jazz. Das Christian Stock Trio, das seit einem Jahrzehnt zusammen spielt, lebt vom Bass des Leaders, der an der Musikhochschule Graz studiert hat, und dem Klavierspiel des Pragers Karel Ruzicka. Walter Bittner studierte übrigens am Konservatorium Wiesbaden. Sheila Jordan steuert in den vier Songs Autumn In New York von Vernon Duke, Barbados von Charlie Parker, Sail Away von Tom Harrell und Song of Joy von Billy Preston Gesang und Scats bei. (Eine ausführliche, positive Kritik der CD findet sich im Jazzpodium, 03/2001).
Steve Kuhn: Oceans in the Sky. Emarcy/Universal, 2001. CD bestellen bei Amazon.de. Das 1989 mit Miroslav Vitous und Aldo Romano in einem Studio in Paris aufgenommene Album glänzt mit zeitlosem und elegantem Jazz aus einem Guss. Steve Kuhn wurde 1938 in Brooklyn geboren, studierte bei Margaret Chaloff Klavier; war in Harvard von 1955 bis 1959. Einige seiner weiteren wichtigen Stationen: 1959-60 bei Kenny Dorham, 1960 bei John Coltrane, 1961-63 bei Stan Getz, 1965-66 bei Art Farmer; 1966 Art Blakey. Kuhn ging 1967 nach Stockholm und kehrte, 1971 in die USA zurück, wo er seither Gruppen mit Sheila Jordan, Bob Moses und Harvie Swartz führte. 1976 gründete er ein Quarett mit Steve Swallow, Jack DeJohnette und Sue Evans. Seit den 1980er ist Steve Kuhn oft im Duo und Trio unterwegs. Er lehrt in Harvard, Berklee und andernorts.
Steve Kuhn Trio: Jazz n (e) motion. RCA Victor, 2000. Bestellen bei Amazon.de.