Sonny Rollins

Okt 30, 1999 at 16:05 2376

Biografie, Albums, CDs, Konzert, Bücher

Biographie

Theodore Walter Rollins wurde am 7. September 1930 in Harlem, New York City, geboren. Nicht weit vom Savoy Ballroom, dem Apollo Theatre und seinem Vorbild ab dem 16. Lebensjahr: Coleman Hawkins. Als Teenager wechselte er unter dem Eindruck der Bepop Revolution vom Alto- zum Tenorsaxophon. Thelonious Monk wurde sein Mentor. In den späten 40er und frühen 50er Jahren spielte er mit Monk, Art Blakey, J.J. Johnson, Bud Powell oder Miles Davis. Seine erste Platte nahm er 1948/49 mit Babs Gonzales auf, darauf folgten solche mit Bud Powell, J.J. Johnson oder Fats Navarro. Von 1951 bis 1954 spielte er in mehreren Gruppen von Miles Davis. Sein Debütalbum Moving out erschien 1954. Doch im November jenen Jahres zog er sich zur Introspektion und zur Lösung eines Drogenproblems zurück. Ende 1955 kehrte Sonny Rollins zurück und spielte im Quintett von Schlagzeuger Max Roach und Trumpeter Clifford Brown in Chicago. Nach Browns Tod im Jahr 1957 formierte und führte er seine eigenen Gruppen. Er erreichte Höhepunkte der thematischen Improvisation. Die Jahre 1956 bis 1959 werden allgemein als seine besten und produktivsten bezeichnet. Seine Platten Saxophone ColossusWay Out West, Freedom Suite oder Tenor Madness mit John Coltrane zeugen davon. Im Jahr 1957 gewann Sonny Rollins den begehrten Down Beat Critics Poll als neuer Star am Tenorsaxophon.

1959 verliess Sonny Rollins erneut die Jazz-Welt, um sich zu sammeln und musikalisch zu verbessern. 1962 kehrte er mit The Bridge triumphal zurück. Das Album war die Frucht der Zusammenarbeitet mit dem Gitarristen Jim Hall, dem Schlagzeuger Ben Riley sowie dem Bassisten Bob Cranshaw. Mitte der 60er Jahre wurden seine Marathon-Soli bei seinen Live-Auftritten zum Markenzeichen, in denen er oft über populären Themen improvisierte. 1966 war er erneut unzufrieden mit dem Leben in der Jazzwelt. Er begann sich für die östlichen Religionen zu interessieren, spielte noch ein wenig in Japan und ging 1968 schliesslich nach Indien, wo er längere Zeit in einem Kloster lebte. Anfang der 70er kehrte er zurück und nimmt ab 1972 wieder regelmässig Platten auf. 1974 wurde er in die Hall of Fame aufgenommen. In den letzten Jahren ist er vorwiegend mit einem Sextet mit zumeist jüngeren Musikern unterwegs.

In einem Telefon-Interview mit Nick Liebmann (NZZ, 12.10.1999) hält Sonny Rollins fest, dass der Jazz für ihn eine Utopie repräsentiere. Diese Musik habe „die Verpflichtung, den Zuhörerinnen und Zuhörern zu zeigen, wie eine ideale Gesellschaft aussehen könnte“. Es gelte, auf Missstände aufmerksam zu machen. Er versuche auch, Kollegen zu sensibilisieren und auf ihre Verantwortung hinzuweisen. Fernsehen, Fax, Internet, die ganze technologischen Revolution hasse er, sagte Sonny Rollins. Sie bringe „viel Unheil, viel unnötige und schädliche Information für die Stube“. Das Interesse für Jazz sinke in Europa, weshalb nicht mehr so viele amerikanische Musiker wie früher vom Alten Kontinent angezogen würden. In Kontrast zu seinen obigen Worten fügte er an, die elektronischen Medien sollten den Jazz mehr unterstützen, wie in Japan, wo viele Jazzprogramme am Fernsehen zu sehen seien. Im Moment sei diese Musik von Gleichheit und Mittelmässigkeit geprägt, doch gäbe es vielversprechende junge Talente wie Kenny Garrett, David Ware oder James Carter. Die Zukunft des Jazz sei offen, müsse frei und kreativ bleiben, weshalb es töricht wäre, würde er irgendwelche Prognosen zu seiner Zukunft abgeben. Er gebe nur noch maximal fünfzig Konzerte pro Jahr. Zum Schluss meint Sonny Rollins, er trete nur noch „in würdiger Umgebung“ auf. „Keine Jazzklubs mit Rauch, Geschwätz und verstimmten Klavieren“, womit er dem tradierten Klischee widerspricht. Jazz als klassische Musik?

Konzert im Kongresshaus Zürich vom 14. Oktober 1999

Sonny Rollins ist der letzte Überlebende aus dem Tenorsaxophon-Pantheon der 50er und 60er Jahre, zu dem neben ihm Musiker wie Coleman Hawkins, Lester Young, Ben Webster oder John Coltrane gehören. Sein von All Blues im Kongresshaus Zürich organisierte Konzert vom 13. Oktober bleibt für 1999 das einzige in der Schweiz. Er trat zusammen mit Clifton Anderson (Posaune), Stephan Scott, der ihn schon einige Jahre begleitet (Klavier), Bob Cranshaw (Bass), der einzige alte Hase, ein Weggefährte aus den 60er Jahren, Perry Wilson (Schlagzeug) und Victor See-Yuen (Percussion) auf. Den Abend eröffneten sie mit Let’s start the New Year right. Zwar nicht das neue Jahr, aber doch das Konzert begann gleich richtig, in einem optimistischen Ton. Danach machte Rollins in einem kurzen, keinesfalls aufdringlichen Statement auf die globale Erwärmung aufmerksam, getreu seinem Motto, der Jazz müsse eine Nachricht portieren. Der Titelsong Global Warming aus dem 1998 Album folgte – auch Mother Nature’s Blues und andere Titel seiner 20. Platte sprechen für sich selbst. Global Warming ist keinesfalls ein düsteres Weltuntergangsdrama. Im Gegenteil, Calypso-Töne, die vielleicht an die karibischen Ursprünge seiner Eltern erinnern, lassen eine fröhliche – trügerische? – Ferienstimmung aufkommen. Das Publikum reagierte begeistert. Zum 100. Geburtstag ehrte das Sextet Leben und Werk von Duke Ellington mit In a sentimental mood. Vor der Pause folgte noch der Standard They say it’s wonderful. Der zweite Teil, weiterhin vor fast ausverkauftem Haus, ging mit Fireball weiter. Danach folgte The Duke of Iron, mit einem längeren Solo des Percussionisten Victor See-Yuen auf einer afrikanischen Trommel, das den Saal erneut zum kochen brachte. Ueberhaupt reagierte das Publikum begeistert auf alle Einlagen und Soli, insbesondere von Rollins. Nach einem tribute an Dinah Washington mit What a difference that they make begann Sonny Rollins direkt mit einem Solo, die Band setzte später ein. HS, von Rollins für Horace Silver geschrieben, folgte zum Schluss. Der vorwärtspeitschende Beat war bezüglich Tempo der logische Höhepunkt und Abschluss, verlängert noch durch eine Zugabe (Don’t stop the Carneval). Der dem vor wenigen Tagen verstorbenen Milt Jackson gewidmete Abend brachte keinen revolutionären Jazz hervor. Die Musiker versteckten auch einige Unlänglichkeiten hinter ihrem sechsstimmigen Chor. Der fast 70jährige Sonny Rollins jedoch spielt noch immer auf hohem Niveau und ist zur Zeit in einer bestechenden Form, die auf ein baldiges Wiedersehen hoffen lässt. Das Konzert mit Klassikern aus dem Jazzrepertoire erzeugte eine fröhliche und ausgelassene Ferienstimmung, die das Publikum (und uns damit) zurecht mitriss.

Sonny Rollins. Photo Copyright Universal Music.

Sonny Rollins. Photo Copyright Universal Music.

Hinzugefügt am 18.1.2007: Das erste Studioalbum von Sonny Rollins seit fünf Jahren: Sonny Please, Universal, 2007. Bestellen bei Amazon.deAmazon.com oderAmazon.co.uk.

Sonny Rollins. Photo Copyright Universal Music.

Sonny Rollins: Saxophone Colossus [Remaster], Audio CD 1987 (Aufnahme 1956), Fantasy/Original Jazz Classics. Bestellen bei Amazon.de oder Amazon.com.

Bücher:
Open Sky Sonny Rollins and His World of Improvisation. Ca Capo Press, 2001, 240 S. Buch bestellen bei Amazon.deAmazon.comAmazon.frAmazon.co.uk.

The Cutting Edge: The Music of Sonny Rollins by Richard Palmer. Hull University Press, Paperback, Oktober 1999.

Born Under the Sign of Jazz, by Randi Hultin, Sonny Rollins. Sanctuary Pub Ltd, Februar 1999, Hardcover, 400 S. Buch bestellen bei Amazon.deAmazon.com.

Eine weniger bekannte CD aus der besten Zeit von Sonny Rollins: St Thomas,Sonny Rollins Trio, in Stockholm 1959 (1993), Dragon of Sweden. Zusammen mit Henry Grimes (Bass) und Pete La Roca bzw. Joe Harris (Schlagzeug) hat Rollins darauf über 60 Minuten an gutem Jazz eingespielt. Darunter Klassiker wie How High the Moon oder It doesn’t mean a thing, if it ain’t got that swing. Rollins erklärt auf der CD in einem Kurzinterview, dass er bewusst auf ein Klavier verzichte, da dies ihn manchmal im Ausdruck seiner Ideen hindere, womit er nichts gegen Pianisten gesagt haben wollte. Klar ist, dass ein Virtuose wie er möglichst viel Freiraum braucht. CD bestellen bei Plainisphare SA, Route de Luins, CH-1267 Vich.

Sonny Rollins. Photo Copyright Universal Music.