Spätestens seit Island / Universal Music im Mai 2013 Parov Stelar unter Vertrag genommen haben, wird der Electro Swing als Stil ernster genommen, zumindest unter kommerziellen Aspekten. Bei meinem Artikel über die Gruppe Jewdyssee hörte ich erstmals davon. Über Parov Stelar und Caravan Palace stiess ich dann auf Youtube auf die Gruppe Tape Five (TAPE FIVE MP3-Downloads bei Amazon.de), die mir im Bereich des Electro Swing am besten gefiel.
TAPE FIVE ist das Kind von Martin Strathausen. Der 1963 in Essen geborene Allrounder ist ein musikalischer Autodidakt an Gitarre, Keyboard, Bass, Schlagzeug, Percussion, Produktion, Komposition, Video-Editing, Artwork und Selbstvermarktung, wie er mir mitteilte.
Professionell tätig ist er seit 1993, wobei er zuerst noch Audiodesign für grosse deutsche Radiostationen und Werbung machte, ehe er sich ganz der Musik in künstlerischer Eigenregie verschrieb.
Beeinflusst sieht sich Martin Strathausen von den Originalen Swing Musikern wie Glenn Miller und Louis Armstrong. Schon als Kind habe er sich vom scheppernden Sound der alten Big Bands angesprochen gefühlt, liess er mich wissen. Der gewisse „Schmutz“ im Sound zog ihn an, wie ja auch in der Rockmusik die Verzerrung wichtig sei. Jazzmusik habe immer auch etwas Subversives an sich. Es gehe nicht um das simple „abdudeln“ von vorgegebenen Noten.
Es ist kein Zufall, dass sich Martin Strathausen dem Swing verschrieben hat, denn dieser habe den Jazz aus der kopflastigen Ebene herausgeholt. Im Jahr 2010 dachte er bei seinem dritten Electro Swing-Album daran, den Charleston etwas zu verwursteln. Das Resultat ist das Album „Tonight Josephine!“, beeinflusst von Louis Armstrong, Gene Krupa, Josephine Baker und Benny Goodman. Andere Electro Swing-Gruppen, so Caravan Palace, hatten ähnliche Ideen und taten das unabhängig von ihm ebenfalls und kamen mit ihrer Platte früher heraus. Die „morphogenetischen Felder“ seien an der Arbeit gewesen, so Martin Strathausen.
Auf „Tonight Josephine!“ sind vier verschiedene Sänger zu hören: Brenda Boykin, Iain Mackenzie, Henrik Wagner und Yuliet Topaz. Vom Charleston der 1920er Jahre und den dazugehörigen Flapper Girls bis zu einem Remix des 1980er Break-Dance Beats The Smurf interpretieren sie auf „Tonight Josephine!“ viele musikalische Welten.
Allerdings bastelte der Essener schon viel früher am Sound des Electric Swing. Bereits 1999 entstand der Titel Avenue du Gare, der allerdings erst 2003 als Vinyl herauskam. Ein ganzes Album unter dem Titel „Swingfood Mood“ erschien ebenfalls wegen der Plattenfirma mit grosser Verzögerung erst 2006.
Live liebt es Martin Strathausen, eine Combo mit 8-9 Musikern und einem Tonmann als loszuschicken, da TAPE FIVE arrangierte, orchestrale Musik biete. Leider würden aus verschiedenen Gründen immer wieder kleinere Bands gebucht. Im Juni 2013 war TAPE FIVE in Sao Paulo und Taubaté in Brasilien mit dem Percussionisten Gunnar Nesterov unterwegs, der Barfuss und im Kaftan neben den in Hut, Anzug und Swingschuhen durchgestylten Band-Musikern auftrat und vom Publikum prompt mit I love you Jesus!begrüsst wurde.
Live seien natürlich immer wieder einige Kompromisse einzugehen, doch mit Gilda Rebello aus Rio de Janeiro als Sängerin gehe dies problemlos, wie das Konzert am 18. Mai 2013 vor Tausenden von kreischenden Fans im südkoreanischen Seoul gezeigt habe, so Martin Strathausen.
Der erste Sänger von TAPE FIVE war Henrik Wagner aus London, mit dem zusammen Martin Strathausen bereits 1999 die Single Avenue du Gare herausgebracht hatte. 2004 kam die damals erst 16jährige Yuliet Topaz aus Sibirien hinzu, mit der Martin Strathausen einige Titel auf dem Album „Swingfood Mood“ aufnahm, darunter zum Beispiel Cocktail d’Amour. Mit den zwei Sängern arbeitet er bis heute zusammen.
TAPE FIVE ist für eingefleischte Jazzer „Pop“ und für Pophörer „Jazz“, wie Martin Strathausen freimütig bekennt. Er will einfach nur gepflegte Unterhaltungsmusik für Menschen zwischen 8 und 80 Jahren machen. Das Publikum von TAPE FIVE ist auch nicht typisch deutsch, sondern rund um den Globus verteilt. Martin Strathausen hat denn auch nicht per Zufall bis heute schon mit Sängern sowie Musikern aus über 10 Ländern gearbeitet. In seiner Musik kombiniert er vielfältige Stile und Klänge zu einem vielfarbigen Potpourri zusammen.
Bereits 2007 erschien das „chilligere“ Album „Bossa for a Coup“, in dem Martin Strathausen den Bossa Nova verarbeitete. Das neueste Werk ist das Album „Swing Patrol“ vom September 2012, bei dem er bewusst viele akustische Instrumente aufgenommen habe, im Gegensatz zur elektronischen Produktionsweise des aktuellen ElectroSwing, um die Art der Produktion in den 1930-40er Jahren nachzuempfinden, so bei Slow Serenade. Ein bisschen Weltschmerz habe er dabei verarbeitet. Swing sei nicht zuletzt die Musik des Zeiten Weltkrieges, wobei Big Bands oft im Grunde Militärkapellen gewesen seien, so Martin Strathausen. Allerdings nutze TAPE FIVE das besondere Energiefeld der Swing Musik für friedliche Zwecke.
Beim Album „Swing Patrol“ sei das Motto gewesen, „mehr Swing – weniger Electro“, mit sanften Saxophon-Sounds und schrillen Blechbläsern. Das ganze wird mit einer Prise Vintage R&B, 1940er Jahre Rock ’n‘ Roll sowie Mambo angereichert. Das vierte Album von TAPE FIVE ist so bunt wie die vorhergehenden. Wiederum sind Musiker aus aller Welt mit von der Partie.
Da TAPE FIVE visuell interessant und bereits einige ansprechende Clips im Internet zu finden sind, riet ich Martin Strathausen, eine DVD herauszubringen. Das könnte vielleicht bald einmal geschehen, so der Angesprochene. Darauf sind wir bereits gespannt.
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Tape Five 2013. Foto Copyright © Tape Five / Martin Strathausen.
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Artikel vom 3. Juli 2013. Letztes Update am 4. Juli 2013.