Die Geschichte des Hotel Adlon

Jan 04, 2005 at 00:00 48078

Die Geschichte des Hotel Adlon (Amazon.de) beginnt mit ihrem Gründer und Eigentümer Lorenz Adlon, der sich zuvor in Berlin als Gastronom unter anderem mit den Restaurants Hiller und den Zooterassen sowie als Weingrosshändler einen Namen gemacht hatte.

Allein schon auf Grund seiner Lage Unter den Linden am Pariser Platz mit freier Sicht auf das Brandenburger Tor war das Adlon eine der ersten Adressen in Europa. Zu den Nachbarn gehörten neben Max Liebermann die Akademie der Künste sowie die amerikanische und die französische Botschaft.

Wie dem Neubau des Adlon in den 1990er Jahren ging bereits der Konstruktion des historischen Hotels eine Kontroverse voraus, da das von Karl Friedrich Schinkel umgebaute Palais Redern der Luxusherberge weichen musste.

1738 entstand das Quarré, der spätere Pariser Platz. Entsprechend den Absichten des Königs waren die ursprünglichen Bauten schlicht, aber dennoch repräsentativ. Die erste nachweisbare Bebauung des heutigen Hotelgrundstücks geht gar auf das Jahr 1734 zurück. Frau Hoffmeister von Kamekin stellte damals beim König den Antrag, das Haus von Kammerherr von Wilchpitz abreissen zu lassen, um sich dort niederzulassen. Sie leitete den Hausbau für ihren Mann, Friedrich Paul Graf und Herr von Kameke, der im diplomatischen Dienst des preussischen Staates stand.

Restaurant Lorenz Adlon. Photo © Hotel Adlon Kempinski Berlin.

Sein Nachfahre, Graf Alexander Friedrich von Kameke, vermietete das Haus an die Englische Gesandtschaft, die dort ihren Sitz hatte. Er verkaufte es später an Graf Wartensleben, der es wiederum 1798 an Graf Wilhelm Jacob von Redern veräusserte, der damals Königlicher Kammerherr bei beim Prinzen Heinrich von Preussen war, dem jüngeren Bruder König Friedrichs II.

Die Söhne des Grafen liessen 1828/29 das Palais von Karl Friedrich Schinkel, dem Meister der deutschen Klassik, umbauen. Das Palais Redern wurde bereits damals einen Mittelpunkt des geselligen Lebens der Stadt.

1883 starb Graf Redern. Eine Neffe erbte das Palais, zeigte jedoch wenig Interesse daran und vermietete es an die Kunsthandlung Eduard Schulte. Dort stellte die Malervereinigung „XI“ 1899 ihre Werke aus. Zu ihr gehörte Max Liebermann, der aus der Gruppe den Kreis der Secessionisten bildete. Das Gebäude verkam zusehends und wurde 1905 verkauft. Im folgenden Jahr fand dort eine Abschiedsausstellung statt, bei der das Palais letztmals der Öffentlichkeit zugänglich war.

Gegen den Plan, anstelle des Palais Redern ein Luxushotel zu errichten, gab es öffentlichen Protest. Die überlieferte Architektur erfuhr damals eine neue Wertschätzung. Das Palais stand zudem unter Denkmalschutz. Zudem war das Palais Teil eines unteilbaren Besitzes, der der Versorgung der Familie diente.

Doch dem gebürtigen Mainzer Lorenz Adlon gelang es trotz widriger Umstände ausgerechnet auf dem Grundstück des Palais Redern, ein Hotel zu errichten, das es mit den ersten Adressen in Paris und London aufnehmen konnte. Entscheidend war, dass sich der Kaiser persönlich dafür einsetzte. Später rankten sich von Neidern gesponnene Legenden über die Gründe dieser „allerhöchsten Protektion“, die dem Vorhaben den Erfolg sicherte. So hiess es, Lorenz Adlon sei ein Freund des Kaisers, ja gar ein illegitimer Spross der Hohenzollern gewesen. Natürlich entsprach nichts davon den Tatsachen.

Da die Akten nichts dazu sagen, kann über die Motive des Kaisers nur spekuliert werden. Demps und Paeschke verweisen darauf, dass Wilhelm II den „Alten Kasten“, wie er das Berliner Schloss nannte, nicht besonders mochte, da es unbequem und schwer zu heizen war und zudem wenig Raum für Individualität bot. Das steife Hofzeremoniell schränkte das Privatleben ein. Freiraum erhoffte sich der Kaiser wohl hinter den Türen des Adlon. Zudem war Wilhelm II der Meinung, Berlin fehle es an einem Luxushotel, das gekrönte Häupter zufrieden stellen könne.

Von 1905 bis 1907 von den Architekten Carl Gause und Robert Leibniz erbaut, eröffnete das mondände Hotel Adlon am 24. Oktober 1907 seine Pforten. Es kostete Lorenz Adlon die damals unvorstellbare Summe von rund 17 Millionen Goldmark – in heutigen Geldwert umgerechnet rund 350 Millionen Euros, mehr als der Neubau des Adlon in den 1990er Jahren verschlang.

Brandenburger Tor Suite. Foto © Hotel Adlon Kempinski Berlin.

Konkurrenten von Lorenz Adlon hatten noch versucht, den Bau zu hintertreiben. Doch der Kaiser selbst ebnete den Weg zu Krediten von 15 Millionen Mark. Zwei Millionen soll das Eigenkapital des Hoteliers umfasst haben.

Allein fünf Millionen soll Lorenz Adlon in die Inneneinrichtung investiert haben. Das Geld fehlte ihm zur Bezahlung der Lieferanten. Da der Hotelier nicht weitere Kredite auf das Gründstück Unter den Linden 1 aufnehmen konnte, entschloss er sich für ein riskantes Spiel: Er kaufte für 3,5 Millionen Mark das Hotel Continental, für das er ein Vorkaufsrecht besass, auf Kredit. Da der Verkehrswert des Hauses rund 10 Millionen Mark betrug, überschrieb er 1908 kurzerhand die Hypotheken des Adlon auf das Continental.

Über die Geschäftsentwicklung des Hotels liegen keine Unterlagen mehr vor. Doch konnte Lorenz Adlon die Kredite und Hypotheken in einem ungewöhnlich raschen Tempo zurückzahlen. Allerdings blieben die höheren Schulden bis in die 1920er Jahre bestehen. Sie konnten erst nach der Zeit der grossen Inflation abgetragen werden. Damals begann die finanziell sorgenfreie Zeit des Hotels.

In der Kaiserzeit verkauften vornehme Adlige ihre Winterpalais in Berlin, um während der Ballsaison in den Suiten des Adlon zu residieren. Ganze Berliner Ministerien zogen den opulenten Kaisersaal des Hotels ihren eigenen Festsälen vor. Zur auserlesenen internationalen Klientel des Hotel Adlon gehörten Staatsmänner, Diplomaten, Wirtschaftsmagnaten und Künstler. Im Adlon fanden wichtige Konferenzen, glanzvolle Bankette und Hochzeiten statt. Nach dem Ersten Weltkrieg schlug der französische General Nollet im Adlon sein Hauptquartier auf.

Unter den vielen illustren Gästen des Hotel Adlon waren zum Beispiel Kaiser Wilhelm II., der frühere Reichskanzler Fürst Bülow, John D. Rockefeller, Henry Ford, Franklin D. Roosevelt, Aristide Briand, Yehudi Menuhin, Mary Pickford, Marlene Dietrich und Charles Chaplin, dessen Film Goldrausch gerade im Kino lief.

Der damals noch unbekannte Billy Wilder arbeitete in den 1920er Jahren als Journalist und interviewte Gäste des Adlon, so Jackie Coogan, den einst kleinen Jungen in Chaplins The Kid (1921), den Hollywood-Star Adolphe Menjou und den Millionenerben Cornelius Vanderbilt jr. Ihn fragte der spätere Filmregisseur zuerst, wieviel Geld er bei sich trage. Natürlich hatte er nichts dabei. Die zwei gingen Unter den Linden und in der Friedrichstrasse spazieren, wo sie schliesslich bei Aschingerlandeten. „Vanderbilt ass drei Buletten und trank vier Bier – und ich musste für ihn bezahlen“, meinte Billy Wilder dazu gegenüber Hellmuth Karasek.

Das Adlon hatte übrigens nicht nur weltberühmte Gäste, sondern zu Beginn der 1930er Jahre auch kurz einen nach dem Krieg als TV-Showmaster bekannt gewordenen Pagen: Peter Frankenfeld. Dessen Hotelkarriere scheiterte jedoch an einer Eisbombe. Sie war zusammen mit vier anderen für Reichspräsident Hindenburg und seine Gäste bestimmt. Frankenfeld konnte der Versuchung der in einem Nebenraum stehenden Eisbomben nicht widerstehen und knabberte eine an, wurde prompt vom Oberkellner erwischt und musste sie zur Strafe ganz aufessen, ehe seine Hotelkarriere vorbei war.

Nach dem Tod von Lorenz Adlon 1921 erbten die älteste Tochter Anna Förster, geb. Adlon, und ihr jüngerer Bruder Louis das Hotel. Dieser war damals noch mit seiner ersten Frau Tilli verheiratet, mit der er fünf Kinder hatte. Am Silvesterabend jenen Jahres lernte Louis Adlon Hedda im Hotel kennen. Er trennte sich bald darauf von seiner Frau und den Kindern, was damals ein ziemlicher Skandal war. Die 1967 verstorbene Hedda Adlon blieb bei den Kindern und Enkeln des Hoteliers Louis Adlon über dessen Tod hinaus persona non grata.

Tilli Adlon zog nach der Trennung mit ihren Kindern nach Süddeutschland. Als die Kinder erwachsen waren, zog es die meisten in die USA, wo sie ebenfalls ins Hotelfach einstiegen. Eine Ausbildung im Haus des Vaters war unmöglich. Die älteste Tochter, Susanne, brachte 1935 ihren ersten Sohn, Parsifal, zur Welt, der den Familiennamen als Filmemacher weiterführt und als Percy Adlon einen Dokumentarfilm über das Hotel seines Grossvaters gedreht hat. Der Film wird in den Zimmern des heutigen Hotel Adlon Kempinski Berlin gezeigt.

Louis und Hedda Adlon führten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges das Hotel weiter. Anna Katharina hatte sich von ihrem Bruder 1931 auszahlen lassen und war nach Mainz gezogen, wo sie einen Arzt heiratete. Bei Kriegsende wurde sie aus Salzburg, wo sie damals lebte, ausgewiesen. Vom Familienerbe blieb ihr nichts. Sie verstarb 1956 im Alter von 84 Jahren in der Nähe von Mainz.

Sicht vom Adlon aufs Brandburger Tor. Foto © Hotel Adlon Kempinski Berlin.

In der Zeit des Dritten Reiches bevorzugten die SS-Schergen laut dem damaligen Kellner Hans Dietzel das Hotel Kaiserhof, doch im Adlon änderte sich in der Nazi-Ära die Speisekarte sprachlich, denn jetzt musste alles deutsch angeschrieben werden. Aus dem französischen Ragout wurde so  Würzfleisch. Erst nach dem Brand des Kaiserhof 1943 begann die Prominenz von Staat und Partei im Adlon zu verkehren. Louis und Hedda Adlon traten übrigens 1940 der NSDAP bei, und nicht erst nach dem Brand im Kaiserhof, wie bei Hedda Adlon zu lesen ist. Doch ein feuriger Nazi wäre sicher schon viel früher in die Partei eingetreten. Die Umstände des Beitritts liegen im Dunkeln.

Der Reichsjugendführer Baldur von Schirach hatte eine Abneigung gegen die Farbe Blau. Doch das Hotel war für das „Adlon Blau“ berühmt, das sich auf Federhaltern, Tintenfässern mit blauer Tinte, Bleistiften und Polstermöbeln wiederfand. All das musste zeitweilig aus dem jeweiligen Zimmer verschwinden, in dem Baldur von Schirach einzog.

Louis Adlon ging es in den 1930er Jahren finanziell nicht mehr gut. Nach der Auszahlung der Schwester drückte die dafür aufgenommene Grundschuld von 5,2 Millionen Reichsmark sehr. 1937 machte die Schweizer Bank die Fälligkeit ihrer Forderungen geltend. Sie besass auf Grund des Pfandrechts die Möglichkeit des Einspruchs gegen einen Verkauf. Zudem hatte die Reichsregierung begehrliche Blicke aufs Adlon geworfen. Dem Hotelier blieb nichts anderes übrig, als sich vom Reichsfinanzministerium „helfen“ zu lassen, wobei das Finanzmanöver wohl auf eine spätere Hotelübernahme durch das Reich abzielte.

Einige Künstler waren im Zweiten Weltkrieg weiterhin Stammgäste im Hotel, darunter Heinrich George, Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan und der Operettenkomponist Eduard Künneke, der manche Melodie auf alten Menükarten notierte.

Im Krieg gaben die Gäste schon mal Naturalien als Trinkgeld. Fürst Bismarck spendete einmal ein Pfund Tee für die Telefonzentrale, und Herr Reemtsma versorgte das Adlon grosszügig mit Zigaretten, erinnert sich Hannelore Pöltz, die damals als Lehrling in der Telefonzentrale des Adlon arbeitete.

Als im Zweiten Weltkrieg die Britische Botschaft in der Wilhelmstrasse versiegelt und die britischen Interessen im Reich vom Schweizer Gesandten wahrgenommen wurden, zogen vorübergehend die 31 Engländer der Botschaft ins Hotel. Ihnen folgten bald sieben französische Diplomaten. Laut Hedda Adlon wohnten sie alle „in einer Art Ehrenhaft [im Hotel], bis sie von Berlin nach Bad Nauheim geschafft wurden, von wo der Austausch über die Schweiz erfolgte.“

Louis und Hedda Adlon erlebten das Kriegsende in ihrem Landhaus in Neufahrland bei Potsdam, das Hedda in die Ehe mit eingebracht hatte. In ihren Erinnerungen schreibt die Hotelierswitwe, dass die Rotarmisten am 25. April 1945 ihr Landhaus nach irgendwelchen Dokumenten durchsuchten. Dabei verlor die Frau eines Angestellten die Nerven und schrie die Soldaten an: „Nix Documenta! … Da Generaldirektor“ Die Russen verstanden nur „General“, was für Louis Adlon das Todesurteil bedeutete, denn der vermeintliche deutsche General in Zivil wurde verhaftet und abgeführt. Laut Totenschein soll er am 7. Mai 1945 gestorben sein.

Die legendäre Luxusherberge bekam im Zeiten Weltkrieg lediglich eine Brandbombe ab, welche die Wäscherei traf und rasch gelöscht werden konnte. Doch das Adlon brannte aus nicht ganz geklärten Gründen, nicht durch Kriegseinwirkung, in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945 aus.

Der damals stellvertretende Empfangschef des Adlon erlebte das Feuer nicht selbst, doch ein Maschinenmeister, der Zeuge der Ereignisse war, dessen Name jedoch nicht überliefert ist, soll ihm berichtet haben, dass sechs Russen in den Weinkeller eingedrungen seien, wo einer eine brennende Zigarette in die Verpackungs-Holzwolle geworfen habe, die im Weinkeller lagerte. Nur ein hinterer Seitenflügel des Adlon überlebte den Brand.

Das Hotel Adlon lag im sowjetischen Sektor Berlins. Zu DDR-Zeiten wurde der erwähnte kümmerliche Rest als Hotel weitergeführt. Zu Beginn der 1970er Jahre wurde das Rest-Adlon zum Lehrlingswohnheim. 1984 entschied das Politbüro der SED, dass auch der hintere Seitenflügel abgerissen werden sollte.

Hedda Adlon verkaufte bereits in den 1950er Jahren der Kempinski AG die Vorkaufsrechte für das Gründstück und den Namen Adlon. Nach dem Untergang der DDR und der Überwindung juristischer Schwierigkeiten konnte das Hotel neu gebaut und am 23. August 1997 als Hotel Adlon Kempinski Berlin wiedereröffnet werden.

Literatur / Bücher zum Hotel Adlon

Laurenz Demps, Carl-Ludwig Paeschke: Das Hotel Adlon. Nicolai Verlag, Berlin, 2004, 203 S. Bestellen bei Amazon.de. Ein reich illustriertes Buch mit einer detaillierten Geschichte, das als Quelle für den nebenstehenden Artikel diente.

Hedda Adlon: Hotel Adlon. Heyne, 1998, 319 S. Bestellen bei Amazon.de. Das Buch der 1967 verstorbenen Schwiegertochter des Hotelgründers bietet allerlei kurzweilige Anekdoten, die allerdings nicht immer den Tatsachen entsprechen. So war der legendäre französische Spitzenkoch Georges Auguste Escoffier gewiss nicht der erste Chef im Adlon.

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Die Hotelfassade im Jahr 1911. Foto © Hotel Adlon Kempinski Berlin.

Die historische Lobby des Adlon. Foto © Hotel Adlon Kempinski Berlin.

Sicht von der Quadriga aufs Adlon. Foto © Hotel Adlon Kempinski Berlin.