Photos, Geschichte, Design, Hotelkritik
Die Geschichte der Maximilianstrasse
Das Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München gehört zu den Traditionshotels in der bayerischen Landeshauptstadt. Es fügt sich in das stadtplanerische Konzept von König Maximilian II. (1848-64) ein.
Maximilian II. führte die Tradition seines Vaters (Ludwig I.) fort und betätigte sich als planmässiger Erweiterer der Stadt München. Der engagierte Monarch, dessen Ruf Wissenschaftler und Künstler in die bayerische Kapitale folgten, ist verantwortlich für die Entstehung der östlich der Altstadt gelegenen Maximilianstrasse.
1851 liess Maxmilian II. einen Architekturwettbewerb mit dem Ziel ausschreiben, einen Prachtboulevard anzulegen, der mit dem Vorbild der Pariser Avenue des Champs-Elysées rivalisieren konnte.
Der Architekt Friedrich Bürklein, der auch den Münchner Hauptbahnhof entworfen hat, kam mit seinem Projekt den Ideen des Königs am nächsten. Bereits 1852 begannen die Arbeiten an der Maxilimanstrasse, an deren Ende noch heute das Maximilianeum thront, die „bayerische Akropolis“, ein Höhepunkt der Baukunst im „Isar-Athen“.
Neben der Gotik – jedoch ohne alles „Frostige, Schwerfällige, Düstere, Strenge“ – hatte Maximilian II. eine besondere Vorliebe für die griechische Antike, die ihn bei seinen Plänen für München inspirierte. Nicht unschuldig daran war der Umstand, dass sein Bruder als König Otto I. Griechenland von 1832 bis 1862 regierte.
Deluxe Suite Living Room. Photos © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Das Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München wird am 25. Juli 1858 eröffnet
Heute ist die Maximilianstrasse vor allem bekannt als exklusive Einkaufsmeile. Seit einiger Zeit sind zudem die Maximilianshöfe mit einem Kreuzgewölbe und einer imposanten Säulenhalle mit Tuffsteinsäulen geöffnet. Neben eleganten Geschäften laden hier auch Restaurants zum Verweilen ein. Neben den internationalen Designern, die man überall findet, lockt um die Ecke am Platzl 5 Werner Scherer mit seinen Masshemden.
Ein Fixpunkt in der Maximilianstrasse bildet nach wie vor das am 25. Juli 1858 eröffnete Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München. 2008 wird es sein 150jähriges Jubiläum mit allerlei Veranstaltungen feiern. In der ganzen Welt gibt es nur zwei echte „Vier Jahreszeiten“, neben jenem in der bayerischen Kapitale das Raffles Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg.
Das Münchner Hotel Vier Jahreszeiten wurde nicht nur mit dem Segen von Maximilian II., sondern vielmehr auf die königliche Anregung hin erbaut. Der Monarch wünschte sich ausdrücklich an seinem Prachtboulevard „das nobelste Stadthotel“.
An der Stelle des Vier Jahreszeiten an der Maximilianstrasse 17 floss einst ein kleiner Bach. An dieser geologisch komplizierten Stelle hatte zuvor bereits der Münchner Textilfabrikant Röckenschuss versucht, ein Verwaltungs- und Fabrikationsgebäude zu bauen. Als sich seine Arbeiter bis zum ersten Stockwerk hochgearbeitet hatten, ging ihm jedoch das Geld aus.
Münchens damals berühmtester Weinhändler, August Schimon, besass jahrlang vier florierende Weinhäuser. Der Gastronom ungarischer Abstammung übernahm die Bauruine an der Maximilianstrasse und setzte Maximilians Idee von einem Luxushotel um, wobei der Architekt der Vorgabe des Königs Beachtung schenken musste, die Residenz des Monarchen nicht in den Schatten zu stellen.
Friedrich Bürklein, der sich um das Gesamtkunstwerk Maximilianstrasse kümmerte, bestimmte Rudolf Wilhelm Gottgetreu zum Architekten des Vier Jahreszeiten. Die gotischen sowie die ornamentalen Formelemente der Fassade veranlassten einige Zeitgenossen allerdings zu viel Häme.
Maximilian II. war ein Bewunderer der englischen Tudor-Gotik und hatte sich bereits ein Kronprinzenpalais in diesem Stil bauen lassen. Für die Maximilianstrasse hatte er eine so nicht existierende heitere und lichte Gotik verlangt, die zusammen mit anderen Stilen zu einem neuartigen Baustil verarbeitet werden sollte.
Am 25. Juli 1858 eröffnete August Schimon sein Hotel zu den vier Jahreszeiten. Auch wenn die Fassade allerlei Spott auf sich zog, so waren die Besucher von Anbeginn an von den technischen Neuerungen und dem Komfort im Luxushotel beeindruckt.
Die Lobby mit der vom Jugendstil beeinflussten Glasüberdachung lädt zum Verweilen ein. Foto © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Neben 60 Ställen verfügte das Vier Jahreszeiten über Gasbeleuchtung, Glockenzüge zur Kommunikation in den Zimmern, sechs Marmorbäder, einen Paternoster, prachtvolle Velours-Tapeten, Ölgemälde, Silbergeschirr, Rosshaarmatratzen, kunstvoll gearbeitete Möbel in Palisander, massivem Mahagoni und Nussbaum.
Ein Jahr nach der Eröffnung brach im August 1859 Hotelkeller ein Schwelbrand aus, der unbeachtet blieb, bis daraus ein Feuer entstand und die Flammen aus dem Dachstuhl schlugen. Um 02.00 Uhr früh kamen die ersten Feuerwehren aus den benachbarten Stadtteilen. Die Gewinde der Löschschläuche passten allerdings nicht aufeinander und der Wasserdruck reichte nur bis in den zweiten Stock. Glücklicherweise halfen die Mönche des nahegelegenen Franziskanerklosters bei der Evakuierung der Gäste unter der Leitung von August Schimon, sodass niemand ernsthaft verletzte wurde. Die benachbarten Hotels zeigten sich solidarisch und beherbergten die aus dem Schlaf gerissenen Hotelgäste.
Doch der Sachschaden war beträchtlich, nicht nur für den Hotelbesitzer, sondern auch für die Dienstboten, deren gesamtes Hab und Gut auf dem Dachboden ein Raub der Flammen geworden war. Die Münchner spendeten so grosszügig zugunsten des geschädigten Personals, dass mehr Geld zusammen kam, als durch den Brand verloren gegangen war.
August Schimon seinerseits machte sich unverzüglich an die Wiederherrichtung des Vier Jahreszeiten. Glücklicherweise waren die Zimmer und Suiten vom Feuer verschont geblieben. Zum hundertsten Geburtstag von Friedrich Schiller veranstaltete das Hotel im November bereits wieder ein Festessen für hundert Gäste.
Das Hotel Vier Jahreszeiten ist nicht allzu weit von der Residenz von Maximilian II. gelegen, die zur Notdurft damals nur über sogenannte Leibstühle verfügte. Zur Reinigung dieser Stühle war viel heisses Wasser nötig, das sich die Hofbediensteten aus dem Hotel holten. So verbreitete sich der Hofklatsch rasch – buchstäblich als Latrinengerüchte. Schimon, der auf Diskretion grossen Wert legte, war dies zuwider. Die Gerüchteküche kühlte ab, als es dem Hotelier gelang, die hinter dem Hotel gelegenen Ställe zu kaufen, wodurch die Abgrenzung von Hof und Hotel besser wurde, ohne dass dabei diplomatische Komplikationen entstanden.
Suite Bad 620. Foto © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Von August Schimon zu Johann und Adolf Obermayer
August Schimon war ein eifriger Kunstsammler. Leider musste er einen wesentlichen Teil seiner Sammlung im Kriegsjahr 1866 versteigern, um die Substanz seines Unternehmens zu retten.
Ende Februar 1866 wurde der leblose Körper von August Schimon bei Unterföhring aus der Isar gefischt. Es konnte keine Gewaltanwendung festgestellt werden. Obwohl kein Abschiedsbrief gefunden wurde, deuten Indizien auf einen Selbstmord hin.
Seine blühenden Geschäfte hatten Schimon zu Spekulationen verleitet. In der Nähe der Maximilianstrasse hatte er seinen Architekten, Professor Gottgetreu, damit beauftragt, einige Gründstücke zu bebauen. Dabei muss er an die Limite seiner finanziellen Möglichkeiten gegangen sein. Als die Bayern an der Seite Österreichs gegen Preussen Krieg führten, löste dies eine Wirtschaftskrise aus und der Baumarkt brach zusammen. Schimon glaubte wohl, sein Lebenswerk sei verloren. Er nahm sich das Leben, doch sein Hotel sowie sein Restaurant und seine Weinhandlung in der Kaufingerstrasse gingen in der Wirtschaftskrise nicht unter!
Seine Frau Josepha, geborene Göttler, und seine sieben Kinder hielten zusammen, und Freunde halfen. Die Witwe setzte ihren fähigen Schwiegersohn Johann Samuel Obermayer als Geschäftsführer ein. Zwei Jahre später wurden ihre Söhne Max und Ferdinand Schimon zusammen mit dem Hausintern J.S.O. genannten Obermayer Eigentümer des Hotels sowie mehrerer angrenzender Grundstücke. Ferdinand leitete die Weinhandlung, Obermayer führte als fähiger Hotelier das Vier Jahreszeiten weiter.
Die Nachfolger von August Schimon waren sich einig, dass das Haus weiterhin auf dem neuesten Stand bleiben musste. In den 1880er Jahren entschieden sie sich für die Einführung des elektrischen Lichts anstelle des Gaslichts. Die alten Dampfkessel im Keller wurden durch elektrische Akkumulatoren ersetzt. Ein Lokalzeitung berichtete, im Hotel Vier Jahreszeiten erstrahlten allabendlich rund eintausend Glühlampen. In jenen Jahren erhielt das Haus auch eine Telefonanlage mit Apparaten in den Zimmern.
Johann Samuel Obermayer führte das Hotel von 1866 bis zu seinem Tod im Jahr 1889. Der Mann aus einfachen Verhältnissen, 1832 in Passau geboren, hatte zuvor in Hotel als Kellner und Geschäftsführer im In- und Ausland gearbeitet. 1857 war er Geschäftsführer im Europäischen Hof in Hamburg, wo ihn August Schimon für sein Münchner Hotel engagierte. Als Schwiegersohn wurde er von August Schimon zu seinem Nachfolger aufgebaut.
Dem Tagebuch eines Enkels von August Schimon, dem 1866 im Vier Jahreszeiten zur Welt gekommenen Max Obermayer, verdankt die Nachwelt viele Informationen zum Alltag im Grand Hotel. Obermayer lebte 42 Jahre lang bis zu seiner Hochzeit 1908 im Mezzanin des lange Zeit von seinem Vater geleiteten Hauses.
J.S.O. hatte seinen Sohn Adolf Obermayer zum Nachfolger auserkoren und deshalb 1888 nach Rom gesandt worden, um die italienische Sprache zu lernen und von den dortigen Hotels zu lernen. J.S.O. starb im Juli 1889 an Herzversagen. Sein gerade erst volljähriger Sohn Adolf übernahm seine Stellung und leitete das Vier Jahreszeiten die folgenden 30 Jahre. Adolf hatte eine Ausbildung als Banker hinter sich und sich in Rom bereits zum Hoteldirektor hochgearbeitet.
Bereits am Ende des 19. Jahrhunderts war das Hotel Vier Jahreszeiten in München eine Legende geworden, die europaweit als Spitzenhotel bekannt war. Bereits im August 1885 wurde es in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, blieb aber mehrheitlich in den Händen der Familie.
Der Hotelarchitekt, Rudolf Wilhelm Gottgetreu, starb am 28. Mai 1890. Er konnte noch erleben, wie sein Gebäude zu einem Zentrum des gesellschaftlichen Lebens in München wurde. Sein Stern war allerdings bereits verblasst. Zu sehr hatte sich der Architekt aus Pommern auf die Wünsche von Maximilian II. eingelassen, um nach dessen Tod als eigenständiger Gestalter wahrgenommen zu werden. Gottgetreu wurde auf dem Münchner Südfriedhof begraben.
Adolf Obermayer verjüngte das Hotel, dessen Dachkonstruktion bereits nach dem Brand von 1859 von der ursprünglichen Bauplanung abweichend wiederhergestellt worden war. Die wichtigsten Merkmale des Hauses blieben jedoch unangetastet, so die Spitzbogenfenster in der ersten und zweiten Etage.
Unter Adolf Obermayer erhielt das Entrée anstelle von zwei kleineren einen grösseren Eingang. Die kastellartigen Spitzbogenfenster im unteren Bereich wichen grossflächigen Fensterfronten. Das Mezzanin erhielt eine neue Aufgabe als voll ausgebautes erstes Stockwerk.
Die wichtigste Änderung betraf jedoch den Innenhof, in dem sich seit 1858 ein überladener, gusseiserner Pavillon vom als Hofschlosser bekanntgewordenen Karl Moradelli befand. Adolf Obermayer liess den Innenhof mit seinem Teepavillon abreissen und an seine Stelle einen in das Haus integrierten Lichthof mit einer vom Jugendstil geprägten Glasüberdachung setzen, die noch heute das Wahrzeichen des Vier Jahreszeiten ist.
Restaurant Vue. Foto © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Anekdoten von berühmten und aussergewöhnlichen Gästen im Vier Jahreszeiten
In lebhafter Erinnerung blieb Graf Toerring, der grundsätzlich nur hoch zu Ross anreiste, wobei er das sehr wörtlich nahm und sein Pferd nicht am Portal in die Obhut eines Stallmeister gab, sondern hoch erhobenen Hauptes durch die Halle ritt, um erst direkt vor seinem Zimmer abzusteigen. Scheinbar beschwerten sich die anderen Hotelgäste nicht, weshalb die Direktion Graf Toerring gewähren liess. Glücklicherweise reisen die Gäste heute nicht mehr hoch zu Ross an.
Einige Zimmer verfügten im 19. Jahrhundert über ein bei vielen Gästen beliebtes Wellenschaukelbad zur „Nervenstärkung“. Der später im Genfer Hotel Beau-Rivage verstorbenen Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich soll es so sehr gefallen haben, dass sie in der Wanne zum Wohle ihres Blutkreislaufes so temperamentvoll schaukelte, dass ihr Badewasser ins darunterliegende Stockwerk floss.
Der Volkskomiker, Kabarettist, Autor und Filmproduzent Valentin Ludwig Fey, besser bekannt als Karl Valentin, trat zusammen mit seiner Partnerin Elisabeth Wellano alias Liesl Karlstadt nicht nur bei Steinicke in der Adalbertstrasse und in den Kammerspielen auf, sondern war auch ein gern gesehener Gast im Cherubinsaal des Vier Jahreszeiten.
Die Nähe zum bayerischen Königshaus brachte es mit sich, dass das Vier Jahreszeiten oft als inoffizielles Gästehaus des Hofes diente. Die hausinterne Statistik hält für eine Nacht die rekordhohe Zahl von 139 Mitgliedern königlicher und fürstlicher Häuser fest, die im Vier Jahreszeiten logierten.
Das österreichische Thronfolgerpaar, der Erzherzog von Österreich-Este Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie von Hohenberg, logierte im Vier Jahreszeiten wenige Tage vor den verhängnisvollen, tödlichen Schüssen in Sarajevo, die den Ersten Weltkrieg auslösten.
Als ein junger, aufgeregter Direktionsassistent Moshe Dajan eine wichtige, dringende Nachricht überbringen sollte, blieb er am Bremshebel eines Etagenwagens hängen. Laut scheppernd kippten die Flaschen mit einem Höllenlärm um. Die Leibwächter des israelischen Politikers sprangen auf und brachten ihre Maschinenpistolen in Anschlag. Glücklicherweise behielten alle die Nerven und quittierten den Unfall mit einem amüsierten Lächeln.
Mario Adorf machte sich an einem verregneten Sommertag 1989 einen Spass darauf, in der Rolle des Hausdieners die Gäste mit Regenschirmen zu versorgen, damit sie trockenen Fusses in die Oper kamen. Ein schwedisches Ehepaar drückte dem Schauspieler einen Zwanzigmarkschein als Trinkgeld in die Hand.
Eine Parlour Suite wie Zimmer 588, in dem der Schreibende zu Gast war. Photos © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Die Ära Walterspiel nach dem Ersten Weltkrieg
Am 7. November 1918 erklärte ein „Arbeiter- und Soldatenrat“ die Dynastie der Wittelsbacher für abgesetzt und rief die Republik aus. Das betagte Königspaar verliess München.
Im Dezember 1921 veränderten sich die Besitzverhältnisse im Vier Jahreszeiten. Das seit 1885 als Aktiengesellschaft geführte Hotel wurde nun mehrheitlich von den Bankhäusern Joseph Olbrich in München und L. Wittmann in Stuttgart übernommen. Olbrichs Aktienpaket ging im Herbst 1924 an die Bayerische Staatsbank über, welche die Papiere ihrerseits an die Stadt München abgab. Im Januar 1926 schliesslich übernommen zwei Wirte, die Brüder Alfred und Otto Walterspiel, die Aktienmehrheit. Damit begann eine neue Hotelära.
Die Brüder Walterspiel waren ein ideales Team: Alfred ein renommierter Gastronom und phantasiereicher Hotelier, Otto, ein gelernter Ingenieur, ein versierter Kaufmann und Organisator. Sie setzten ein kostspieliges Umbauprogramm in Gang und engagierten hierfür die besten Baufirmen, Möbelfabriken, Dekorationswerkstätten sowie ein bekanntes Beleuchtungshaus.
Ein Reporter jener Zeit berichtete begeistert von den neuen Räumen: „Gedämpfte warme Farben, helles zerstreutes Licht aus Kristalllüstern und Wandkandelabern, Smyrnateppich, Filetstores, Seidendamast schaffen wohlige, weiche Stimmung“.
Zur Eröffnung des neuen Restaurants Walterspiel fanden sich neben Erzherzog Max zahlreiche weitere Vertreter der Hocharistokratie, Mitgliedern des Stadtrats, Vertreter aus Handel und Industrie, Kunst und Wissenschaft. Die 300 Gäste sorgten für einen glanzvollen Auftakt in einer Zeit der Instabilität. Max Hansen vom Berliner Metropoltheater und Willy Prager von der Bonbonnière sorgten zusammen mit dem Orchester Fräncis Schmitt, damals eines der beliebtesten Tanz- und Unterhaltungsensembles in München, für die Unterhaltung.
In der Folge sorgten Theateraufführungen im Cherubinsaal und elegante Feste – insbesondere des Ungarischen Hilfsvereins, zuletzt unter der Schirmherrschaft von Prinzessin Leopold – für Aufsehen und Gesprächsstoff in München.
Alfred Walterspiel schrieb Gastronomiegeschichte und prägte das Hotel Vier Jahreszeiten bis zur Jahrhundertmitte. Er hatte vor seiner Münchner Zeit mit dem damals berühmten Franz Pfordte, seinem Lehrmeister, das Restaurant im Hotel Atlantic in Hamburg eröffnet.
Zu seiner Münchner Zeit gab der Gourmetkoch Walterspiel im Cherubinsaal einen Vortrag für die Künstlerhilfe, in dem er ein Plädoyer für die Hausmannskost ablegte, mit Rezepten für die einfache Hausfrau und Tipps für Junggesellen. Er trat für eine natürliche Küche ohne Mätzchen ein. Jedes Gericht müsse seine Eigenart behalten und „echt“ bleiben. Alfred Walterspiel trug eine Bibliothek von fast 100 kulinarischen Büchern zusammen, wobei das älteste aus dem Jahr 1567 stammte. Seine Kochkünste konnte er regelmässig hochkarätigen Gästen demonstrieren, so 1965, als er im alten Herkulessal der Residenz in München für Elisabeth II. und Prinz Philipp spektakulär servieren liess.
Das Hotel durchlief in den Krisenjahren der 1920er und 1930er Jahren schwere finanzielle Zeiten. Doch gefeiert wurde bis in den Krieg hinein. Die ersten Bomben fielen 1943 auf das Vier Jahreszeiten, richteten jedoch nur geringe Schäden an.1944 brannten grosse Teile bis auf die Grundmauern nieder. Lediglich der Flügel zur Maximilianstrasse hin blieb stehen.
Am Ende des Zweiten Weltkriegs, am 1. Mai 1945, beschlagnahmte die amerikanische Besatzungsmacht das Hotel sowie das Restaurant Walterspiel als Offiziersquartier. Dank guten Beziehungen und ausländischen Freunden gelang es Otto Walterspiel bereits Ende 1947, die Erlaubnis zum Wiederaufbau des Hotels zu erhalten. Die zwei Brüder machten sich mit viel Elan an den Wiederaufbau und durften das Haus ab April 1948 als „Exporthotel“ führen. Das bedeutete, dass das Vier Jahreszeiten neben Besatzungsangehörigen auch zivile Gäste beherbergen durfte, sofern sie in harter Währung bezahlten, weshalb das Hotel mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid im Volksmund „Haus der Dollar-Gäste“ genannt wurde. Doch erst die Währungsreform vom Juni 1948 bescherte endlich wieder gute Einnahmen.
Doch noch gab es Schikanen. So war noch im Juli 1949 eine besondere Zulassung für den Auslandfernsprechverkehr nötig. Nur von fünf Anschlüssen des Vier Jahreszeiten durfte telefoniert werden, und das von nur sechs eigens dafür autorisierten Personen.
Ab Februar 1950 stand das Haus wieder allen Reisenden offen und betreute mit 170 Mitarbeitern bis zu 200 Hotelgäste. Die Fassade war mit nur leichten Veränderungen wieder hergestellt worden. Das Restaurant Walterspiel öffnete wieder seine Pforten. Bundespräsident Theodor Heuss übernachtete in einem neueröffneten Gebäudetrakt anlässlich seines Besuchs der Münchner Handwerksmesse. Die Normalität kehrte zurück. Das Wirtschaftswunder schickte seinen Glanz voraus.
Die Süddeutsche Zeitung schrieb im August 1958, als das Vier Jahreszeiten hundert Jahr alt war, dass Alfred Walterspiel vom modernen Hotelstil wie ihn etwa Amerikas Hotelkönig Hilton pflegte, gar nicht halte. Das teuerste Doppelzimmer des Vier Jahreszeiten war das teuerste Hotelzimmer in ganz Deutschland.
Prinzen, Fürsten und Ex-Könige gaben sich im Vier Jahreszeiten wieder die Klinke in die Hand. Der Schah Reza Pahlevi und Kaiserin Soraya fuhren im März mit Gefolge in fünfzehn nagelneuen Limousinen vor und blieben acht Tage in der für sie reservierten Etage zu Gast. Das griechische Königspaar war gleich mehrmals zu Gast.
Walt Disney blieb ein diskreter Gast, während dem Maria Callas im Mai 1959 für ein Konzert zusammen mit ihrem Mann Giovanni Battista Meneghini anreiste und sich in der Hotelhalle von Bildhauer Professor Fritz Behn kurz Modell stand.
Maria Schell heiratete 1957 in München Horst Hächler, wobei es laut einem Reporter wie bei einer Hollywoodpremiere zugegangen sei. Die Hochzeit fand zwar nicht im Vier Jahreszeiten statt, doch die Logistik stammte aus dem Hotel. Küchenchef Walterspiel kreierte eigens für diesen Tag das Dessert „Halbgefrorenes Maria Schell“.
Kempinski übernimmt das Vier Jahreszeiten
1960 starb Alfred Walterspiel. Sein Bruder Otto hatte sich bereits 1954 zur Ruhe gesetzt. Die Sohne Alfreds, Georg und Klaus waren die neuen Geschäftsführer der Vier Jahreszeiten GmbH. Investitionen in Millionenhöhe standen an. Daher entschlossen sich die Walterspiels, die Kapitalmehrheit an eine unter Führung der Kempinski-Hotelbetriebs-AG stehende Gruppe abzugeben. Kempinski übernahm schliess das Vier Jahreszeiten. Zur Gruppe gehörten damals nur das Hotel Bristol in Berlin sowie das Atlantic Hotel in Hamburg.
Karl Theodor Walterspiel, der jüngste Sohn von Otto und der Vetter der ausscheidenden Hoteliers Georg und Klaus Walterspiel, gehörte zum Vorstand der Kempinski AG, der er noch jahrelang angehören sollte. Er hatte in der Intercontinental-Hotels Corporation Karriere gemacht, ehe er zu Kempinski wechselte. Er hatte 1933 im Vier Jahreszeiten das Licht der Welt erblickt und viele Jahre seiner Kindheit hier verbracht.
Kempinski unterschrieb einen von 1970 bis 1990 laufenden Management-Vertrag, der später um 20 Jahre verlängert wurde. Heut gehört das Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München zu 99% der Kempinski AG.
Michael D. Maass, der zweite Direktor im Berliner Bristol Kempinski, wurde neuer Chef im Vier Jahreszeiten. Unter ihm wurde das Hotel nach hinten erweitert, die Kapazität von 180 auf 340 Zimmer erhöht, um es im Hinblick auf die Olympischen Spiele von 1972 fit zu machen. Zeitgemässe Managementmethoden und eine neue Verkaufspolitik wurden eingeführt. Die Hotelhalle wurde zum Mittelpunkt des pulsierenden Hotellebens.
Der geschäftliche Erfolg stellte sich mit den Olympischen Spielen allmählich ein. Doch die Anfänge waren nicht einfach, die intensiven Bauarbeiten wurden erst 1973 abgeschlossen.
Leider hat sich heute das Vier Jahreszeiten von der Gourmetküche verabschiedet, da es zur Zeit nur ein Restaurant hat, das alle Gäste zufriedenstellen soll. Der Service orientiert sich nach wie vor am hohen Standard von Alfred Walterspiel. Küchenchef Markus Winkelmann führt das Restaurant Vue Maximilian. Der ehemalige Sterne-Koch könnte jederzeit auf Gourmet umschalten. Seine Desserts sind nach wie vor in dieser Kategorie. Das Hotel hat genügend Platz für ein Gourmetrestaurant und knüpft hoffentlich bald wieder an die Tradition von Alfred Walterspiel an.
Badezimmer der Ludwig Suite. Foto © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Neuere und aktuelle Renovierungsarbeiten im Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München
In den 1990er Jahren wurde das Foyer renoviert. Kurz nach der Wiedereröffnung schritten der japanische Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko durch das Glasportal und über italienischen Marmor. Die in der Hotelhalle anwesenden Gäste erhoben sich respektvoll applaudierend aus ihren Chesterfieldsesseln. Der Kaiser und seine Gemahlin erwiderten die Ehrenbezeugungen mit einem freundlichen Lächeln.
Das Münchner Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten befindet sich inmitten einer fünfjährigen Renovation, durch die das Traditionshaus in neuem Glanz erstrahlen soll. Einige Zimmer und Suiten, so der komplette 6. Stock sowie alle auf die Nummern 85 und 88 enden Suiten (die Parlour-Suiten) sind bereits in einem eleganten, zeitgenössischen Stil von Designer Thomas Korb Anfang 2006 eingerichtet worden.
Der Schreibende war in der Parlour-Suite 588 zu Gast, die mit elegant-diskretem Design, 2 Flat-Screen-Philips-TVs, dreierlei Badesalze im Bad (Carlsbader Badesalze mit Rose, Tanne und Sandelholz), Molton Brown Amenities und weiteren Details überzeugt.
Jedes Hotel ist ein work in progress. Seit Januar 2007 arbeitet das Vier Jahreszeiten München an der notwendigen Renovierung der restlichen Zimmer und Suiten, die sich bis Ende 2009 erstrecken soll. 2007 entstanden in der ersten Phase 42 Deluxe-Zimmer und Suiten im denkmalgeschützten Gebäudeteil an der Maximilianstrasse. Die Architekten Viktor Kim und Pierre Court aus San Francisco und New York kombinieren Louis XIV-Mobiliar mit zeitgenössischen Designstücken. Die Badezimmer sollen mit eingebauten Fernsehmonitoren versehen werden – der Schreibende hat diese Zimmer noch nicht gesehen. Auf ein angekündigtes neuartiges Lichtkonzept sind wir bereits gespannt. Schreibtischstühle von Philip Starck sowie beheizte Badezimmerspiegel mit integriertem Fernseher und Fussbodenheizung in den Duschen gehören zu den Neuerungen. Die edlen Stoffe und Lederbespannungen, die Möbelstücke im Stil Ludwig XIV und Nachdrucke von Bildern aus der Alten Pinakothek in München an Wänden und Decken verweisen auf die Tradition des Luxushotels. Bis Ende 2009 sollen rund 300 Gästezimmer in neuem Glanz erstrahlen.
Schon länger sorgen in der MaxPrivate Vinobar Livebands mit Blues und Swing für flotte Stimmung. Der Well Seasons Club in der obersten, sechsten Etage lockt mit Pool, Sauna, Dampfad, einer Sonnenterrasse und einem vom Schreibenden ausgiebig genutzten Fitness. Einzig das TechnGym-Gerät zur Stärkung der Brustmuskeln im Fitness schien nur für Riesen gemacht, nicht jedoch für den Schreibenden. AJARAN-Produkte und -Behandlungen, die östliche und westliche Massagetechniken und Schönheitsrituale verbinden, werden hier angeboten.
Die Terrakotta-Fassade. Photos © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.
Weiterführende Literatur und Quellen für diesen Artikel: Seit 1852 Hotel Vier Jahreszeiten München. Herausgeber Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten München, 2002, 276 S. sowie Presseinfos des Hotels und mein Aufenthalt in der Parlour-Suite.
Prominente und Stars im Luxushotel
In der Ära-Kempinski waren natürlich ebenfalls bereits viele Prominente und Stars zu Gast. Robert Redford wählte im Februar 2001 das Vier Jahreszeiten für die Promotion seines Filmes Bagger Vance in Deutschland. Udo Jürgens traf sich in der Lobby des Hotels, um jene noch immer aufregende Dame zu treffen, die ihn einst zum Erfolgstitel Siebzehn Jahr, blondes Haar angeregt hatte. Aussenminister Joschka Fischer traf im Oktober 2001 im Vier Jahreszeiten seinen französischen Amtskollegen Hubert Védrine, um mit ihm über eine noch engere Partnerschaft der beiden Staaten zu konferieren.
Die Liste berühmter Gäste im Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München ist endlos. Darunter befinden sich geistige Führer wie der Dalai Lama, Politiker wie Bruno Kreisky und die Bundeskanzler Adenauer und Brandt, Monarchen und Adelige wie die Königin von Afghanistan (mit Gefolge drei Monate zu Gast), der König von Siam (mit 1320 Koffern angereist), Königin Elizabeth II., König Juan Carlos oder das japanische Kaiserehepaar, Komponisten, Dirigenten und Musiker wie Franz Liszt, Richard Strauss, Edvard Grieg und Gustav Mahler, David Oistrach und Leonard Bernstein, Schauspieler, Regisseure und Entertainer wie Federico Fellini, Roman Polanski, Sophia Loren, Sammy Davis jr., Elisabeth Taylor und Richard Burton, Alain Delon, Roger Moore, Hildegard Knef, Kim Basinger und viele andere.
Das Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski München legt bis heute Wert auf Diskretion, weshalb die Lokalreporter von der Durchreise berühmter Gäste erst nach der Abreise erfahren, ausser natürlich, diese wünschten aus beruflichen Gründen ausdrücklich Publizität. Gerne wüsste man allerdings, was der französische Staatsmann Clemenceau und englische Kriegsminister Lord Kitchener besprachen, als sich sich in der Hotelhalle trafen.
Der Spa-Pool. Photos © Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten, München.