Die Regierung Kurz und Kogler

Jan 03, 2020 at 22:23 2327

Das türkis-grüne Kabinett, das Österreich regieren wird.

Rund drei Monate nach der Wahl steht endlich die türkis-grüne Regierung, die Österreich regieren will. Ende September 2019 hatte die ÖVP 37,5% Stimmen gewonnen, die Grünen waren auf 13,9% gekommen.

Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) und die Grünen haben sich nun in Wien auf ein Kabinett mit 11 Mitgliedern aus der ÖVP (inklusive Kanzler Kurz) und 4 Grünen (inklusive Vizekanzler Kogler) geeinigt. Hinzu kommen ein Staatssekretär von der ÖVP und eine Staatssekretärin von den Grünen. Die beiden Geschlechter stellen je rund die Hälfte der Regierungsmitglieder (inklusive Staatssekretäre: 9 Frauen und 8 Männer).

Heute hat der ÖVP-Vorstand einstimmig dem über 300-seitigen Regierungspakt zwischen der Volkspartei und den Grünen zugestimmt sowie den konservativen Teil des Kabinetts bestätigt. Morgen muss der grüne Bundeskongress dem Pakt noch inhaltlich zustimmen und das ja zur personellen Besetzung des Kabinetts abgeben. Jetzt das Projekt abzublasen, würde den Grünen-Chef Kogler desavouieren und käme politischem Selbstmord gleich. Die Grünen flögen wahrscheinlich bei der nächsten Wahl wieder aus dem Parlament.

Die Grünen stellen in der Regierung Minister, die sich um grüne Kernkompetenzen wie Umwelt, Kampf gegen den Klimawandel und für mehr Transparenz in der unsauberen Politik Österreichs kümmern sollen. Nebenbei bemerkt: Das Klima verändert sich fortlaufend und hat sich bereits vor der vom Menschen verursachten, massiven Umweltverschmutzung immer wieder verändert. Kampf dem Klimawandel zeugt von Hybris. Kampf gegen Umweltverschmutzung wäre da angebrachter.

Vizekanzler Kogler und die Grünen im Kabinett

Der Chef der Grünen, Werner Kogler (*1961), ist ein alter Hase der Politik. Er gehörte 1981 zu den Gründungsmitgliedern der Alternativen Liste Graz. Erst im darauffolgenden Jahr begann er in jener Stadt ein Volkswirtschaftsstudium, dass er erst 1994 mit dem Magister abschloss. Von 1999 bis 2017 sass er für die Grünen im Nationalrat, wobei er sich insbesondere in Untersuchungsausschüssen profilieren konnte. Innerhalb der Partei ist Werner Kogler beliebt. So wurde er 2010 von 93,5% (dem besten Ergebnis aller Zeiten) der steirischen Grünen zum Spitzenkandidaten im Landtagswahlkampf gewählt. Doch auch er konnte 2017 des Scheitern der Grünen an der 4%-Hürde bei der Nationalratswahl nicht verhindern.

Als die Grünen am Boden lagen, hielt Werner Kogler den Laden zusammen. Dank Strache und seinem Ibiza-Video erhielt die Partei frühzeitig eine neue Chance. 2019 wurde Werner Kogler mit 98,58 Prozent zum Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl gewählt. Die Rückkehr ins Parlament gelang mit 13,9% der Stimmen, dem besten Nationalratswahlergebnis in der Geschichte der Grünen. Kogler wurde am 22. Oktober 2019 einstimmig zum Obmann des Grünen Parlamentsklubs im Nationalrat gewählt. Nun also ist er Vizekanzler in der türkis-grünen Regierung, zuständig für den Sport, den öffentlichen Dienst, Kunst und Kultur. Damit verantwortet Werner Kogler kurioserweise jene (nicht so wichtigen Ressorts), die zuvor FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache unterstanden hatten.

Werner Kogler hat übrigens zuerst bei der Verkündung der Einigung auf eine Koalition mit Kurz die Bedeutung der EU und nicht die Umwelt erwähnt, um sich so von der FPÖ abzugrenzen, die zuvor in der Koalition mit Kurz schon mal mehr Sympathie für Putins-Russland als für die EU zeigte. Menschen mit Gedächtnis und/oder historisch Gebildete erinnern sich allerdings, dass einst beim EU-Beitritt Österreichs die Grünen zusammen mit der FPÖ (damals unter Jörg Haider) die grössten EU-Kritiker waren.

Die weiteren Regierungsmitglieder der Grünen sind die Grazer Politikwissenschaftlerin und Umweltschützerin Leonore Gewessler (1977) als Umweltministerin, Alma Zadic (*1984) als Justizministerin, Sozialminister Rudolf Anschober (*1960) sowie Ulrike Lunacek (*1957) als Staatssekretärin für Kunst und Kultur.

Kanzler Kurz und die ÖVP-Regierungsmitglieder

Die ÖVP kümmert sich um ihre Kernkompetenzen im Bereich Wirtschaft und Finanzen, Migration und Flüchtlinge. Kanzler Sebastian Kurz (*1986) ist auf dem Papier nach wie vor das „Milchbubi“ der Regierung, doch eines mit bereits beachtlicher Regierungserfahrung, das mit allen Wassern gewaschen ist und die Kommunikation streng kontrolliert. Er ist noch immer der jüngste Regierungschef eines EU-Landes.

Zu den weiteren ÖVP-Regierungsmitgliedern gehört der junge Gernot Blümel (*1981) als Finanzminister. Der ehemalige Kanzleramtsminister und Kurz-Intimus ist seit 2015 der Chef der ÖVP Wien. Sein Philosophiestudium an der Uni Wien und Université de Bourgogne in Dijon schloss er 2009 mit dem Magister ab. Er war ab 2006 zuerst in Jugendorganisationen politisch tätig, so von 2008 bis 2010 als Vizepräsident der Jungen Europäischen Volkspartei. Danach war er unter anderem von 2011 bis 2013 für Vizekanzler Michael Spindelegger im Kabinett des Vizekanzlers zuständig für die Ministerratskoordinierung und die Regierungsarbeit. Am 18. Dezember 2017 wurde Blümel zunächst Bundesminister für Kunst, Kultur, Verfassung und Medien, ehe er nach Änderungen der Zuständigkeiten in einigen Ministerien am 8. Januar 2018 als Bundesminister im Bundeskanzleramt für EU, Kunst, Kultur und Medien wurde. In dieser Funktion trat Blümel als Befürworter der in Artikel 13 der Urheberrechtsreform der Europäischen Union vorgesehenen Uploadfilter auf.

Der ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer (*1972) wird neuer Innenminister Österreichs. Das Ministerium war in der türkis-blauen Koalition kurz in der Hand der FPÖ, in jener des zurecht umstrittenen Herbert Kickl. Nun wandert das Ministerium zurück in die Hand der ÖVP. Karl Nehammer war zuvor vor allem ab Oktober 2015 Generalsekretär-Stellvertreter und Bundesorganisationsreferent des Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) sowie von 2016 bis Januar 2018 Generalsekretär des ÖAAB. 2017 in den Nationalrat gewählt, wurde er ÖVP-Klubobmann-Stellvertreter. 2019 gelang ihm erneut in Wien die Wahl in den Nationalrat.

Aussenminister bleibt der Mann aus dem Interimsregierung Bierlein: Alexander Schallenberg (*1969). Der aus einer ehemaligen Adelsfamilie stammende Mann wurde als Sohn eines Diplomaten in der schweizerischen Bundeshauptstadt Bern geboren. Obwohl de fact unabhängig, gilt Schallenberg als der ÖVP nahestehend und als Vertrauter von Kanzler Kurz.

Das Wirtschaftsministerium übernimmt die ehemalige, einjährige CEO des Telekommunikationsunternehmens A1 Telekom Austria und ÖVP-Politikerin Margarete Schramböck (*1970). Sie hat in Wien Betriebswirtschaft studiert, eine Dissertation zum Thema Unternehmensberatung vorgelegt, danach an der Uni Lyon in Frankreich 1999 mit einem MBA abgeschlossen. Ab 1995 war sie in verschiedenen Funktionen für Alcatel tätig, ehe sie 2002 die Führung der neu gegründeten NexitraOne übernham. Über weitere Stationen kam sie 2016 an die Spitze der A1 Telekom Austria. Kurios: Von 2010-2018 hatte sie laut Die Presse und Der Standard einen Gewerbeschein als „Humanenergetikern“; dabei befasste sie sich unter anderem mit Schamanismus!

Weitere ÖVP-Minister: Verteidigungsministerin wird Klaudia Tanner (*1980), Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (*1978), Europaministerin Karoline Edtstadler (*1981), Integrationsministerin Susanne Raab (*1984), die Unternehmerin Christine Aschbacher (*1983) wird Arbeits- und Familienministerin, hinzu kommt der parteilose, aber auf dem ÖVP-Ticket einziehende Bildungsminister Heinz Faßmann (*1955), Magnus Brunner (*1972) von der ÖVP wird zudem Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Energie und Infrastruktur.

Auf dem Papier – das bekanntlich geduldig ist – macht die Arbeitsteilung zwischen ÖVP und Grünen Sinn. Vom österreichischen Politikanalysten Peter Filzmaier wurde sie als „Leben und Lebenlassen“ beschrieben. Kanzler Kurz sagte dazu: Grüne und ÖVP seien sehr unterschiedlich ausgerichtet, „es ist uns aber gelungen, das Beste aus beiden Welten zu vereinen, dass sowohl die Grünen als auch wir als Volkspartei unsere zentralen Versprechen einhalten können“. Kurz fasste das Regierungsprogramm mit den zwei nun vereinten Ansätzen prägnant zusammen: „Es ist möglich, die Steuerlast zu senken und gleichzeitig das Steuersystem zu ökologisieren. Und es ist möglich, das Klima und die Grenzen zu schützen.“

Türkis-grün will Steuerssenkungen mit einem ökologischen Ansatz verbinden. Es bleibt abzuwarten, was daraus wird. Bisher hat sich Kanzler Kurz vor allem als guter Verkäufer, als Medienprofi und Liebling der Schwiegermütter hervorgetan. In dieser neuen Regierung ist es an der Zeit, dass er mehr als Wahlsiege liefert.

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P.S. Hinzugefügt um 22:42. Natürlich ist Türkis-Grün die bestmögliche Option. Endlich etwas Neues. Die liberalen Neos sind leider zu schwach für eine Koalition, die SPÖ befindet sich gerade in einem internen Machtkampf mit geleakten Infos und Schwarz-Rot bzw. nun Türkis-Rot tut dem Land ohnehin nicht gut. Die FPÖ sollte nach dem Ibiza-Video in sich gehen. Zudem ist Kickl immer noch da, die Partei nicht wirklich reformiert, einfach nur ohne Strache.

Das Foto zeigt den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz im Jahr 2018. Пресс-служба Президента России. This file comes from the website of the President of the Russian Federation and is licensed under the Creative Commons Attribution 4.0 License. Source: www.kremlin.ru

Artikel vom 2. Januar 2020 um 22:23 Londoner Zeit.