Der Vietnamkrieg blieb im Gedächtnis der Welt hängen, nicht zuletzt durch Film und Fernsehen. In seinem Schatten steht der vergessene Krieg: Korea 1950-1953. Selbst in den USA rückte er erst wieder ins Gedächtnis, als so bekannte Korea-Veteranen wie der grossartige Schauspieler James Garner und der Astronaut John Glenn im Zusammenhang mit der Einweihung des Vietnam-Memorials in Washington 1983 sich organisierten und bei Präsident Reagan und dem Kongress vorstellig wurden. Es dauerte noch bis 1995, ehe das Korean War Veterans Memorial in der Nähe jenes für Vietnam eingeweiht wurde. In Südkorea selbst ist die Lage ganz anders. Dort ist der Krieg so lebendig wie eh und je. Allein 1500 Kriegsdenkmäler gibt es im Land. Dieses und viel mehr ist dem lesenswerten Buch von Rolf Steininger zum Koreakrieg zu entnehmen.
Viele wissen nicht, dass der Koreakrieg gemessen an der Gesamtbevölkerung des betroffenen Landes mehr Opfer als der Vietnamkrieg forderte. In Korea wurde zudem von den USA lange vor Vietnam massiv Napalm eingesetzt; Napalm wurde an der Universität Harvard in den USA entwickelt und war ab Ende 1942 als Waffe einsetzbar (Spencer C. Tucker).
Zurück zum Buch von Rolf Steininger: Der vergessene Krieg, Korea 1950-1953. Los ging der Krieg im Morgengrauen des 25. Juni 1950, als die Nordkoreaner mit Haubitzen und Mörsern entlang des 38. Breitengrades das Feuer eröffneten. Rund 120,000 Mann nahmen am Angriff jenen Tages teil.
Der Krieg dauerte drei Jahre. Rund dreieinhalb Millionen Koreaner und eine Million Chinesen, darunter Maos Sohn, starben. Die als „Polizeiaktion“ der UNO begonnene Intervention unter Führung der USA führte dazu, dass fast drei Millionen Amerikaner in Korea Dienst taten, von denen über 100,000 verwundet und 36,914 getötet wurden. Viele Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen.
Einen Bock hat der Autor geschossen: In der Einleitung schreibt er, vier Fünftel aller koreanischen Industrieanlagen und zwei Drittel aller Wohnungen seien zerstört worden, in der Schlussbetrachtung sind es dann zwei Fünftel der Industrieanlagen und ein Drittel aller Wohnungen in Korea. Wie auch immer, die Zahlen sind erschreckend.
Das Land ist bis heute geteilt, mit katastrophalen Folgen vor allem für die Nordkoreaner, siehe die Rezension des Buches von Roland Bleiker und den Artikel zum andauernden Konflikt mit Nordkorea.
Rolf Steininger erzählt in Der vergessene Krieg die Vorgeschichte, die zum Koreakrieg führte, von der Besetzung Koreas durch die Japaner bis zur Teilung am 38. Breitengrad. Er widmet sich dem kommunistischen Überfall von 1950, der Reaktion der USA, dem Vordringen über den 38. Breitengrad hinaus, dem Eingreifen Chinas sowie, mit dem Koreakrieg verbunden, der Entscheidung für die Wiederbewaffnung Deutschlands 1950. Weitere Kapitel widmen sich der Frage über einen möglichen, begrenzten Einsatz der Atombombe, der in den USA erwogen wurde, der Entlassung des populären Weltkriegshelden und Oberbefehlshabers der UN-Truppen in Korea, General MacArthurs, durch US-Präsident Truman wegen Insubordination, und der Frage Waffenstillstand oder massiver Atomschlag?
Im Schlusskapitel schreibt der Autor vom Koreakrieg und seinen Folgen. Dazu gehört der wirtschaftliche Wiederaufstieg Japans, das für über $3,5 Milliarden Material nach Korea lieferte. Deutschland bescherte der Krieg die Hochkonjunktur und die Aufhebung von noch bestehenden alliierten Wirtschaftsbeschränkungen. Das Schisma zwischen China und Russland nahm im Koreakrieg seinen Anfang. In den USA löste der Krieg „apokalyptische Ängste“ vor einer kommunistischen Weltverschwörung aus und markierte den Beginn der „Hexenjagd“ durch McCarthy. Der Krieg führte zum Aufbau der NATO (1954) und gilt als Geburtshelfer der Bundeswehr. Insgesamt listet Rolf Steininger ausführlich 30 Folgen des Koreakrieges auf.
Im Anhang finden sich neben Literaturhinweisen, einem Glossar, einem Personenregister und Zeittafeln auch Karten und Faksimiles, so von Trumans Befehl zur Intervention in Korea und von Trumans Entlassung von General MacArthur.
Rolf Steininger: Der vergessene Krieg. Korea 1950-51. Olzog Verlag, 247 Seiten. Die 2., durchgesehene Auflage 2009 bestellen bei Amazon.de. Wer noch mehr Daten und Fakten zum Koreakrieg möchte, sollte zusätzlich zu Spencer C. Tucker (Editor) greifen: Encyclopedia of the Korean War. 2002, 851 Seiten. Bestellen bei Amazon.com und Amazon.de. Weitere Bücher zu Korea.
Abschliessend sei angemerkt, dass die UN unter der Führung der USA rund 25% aller Menschen in Nordkorea töteten, und zwar vor allem mit Napalm-Bombardements. Zum Vergleich: In Dresden starben im Zweiten Weltkrieg rund 7% der Bevölkerung. Noch vergessener als der Koreakrieg ist der Krieg in Laos von 1953-75. Der Bürgerkrieg unter Beteiligung der Supermächte, Nordvietnams und Thailands wurde weitgehend vor der US-Bevölkerung geheim gehalten. Er ist auch als Geheimer Krieg bekannt. Doch das ist eine weitere, traurige Geschichte.
Artikel vom 3. September 2014 um 16:50. Buchkritik / Rezension zu unseren Seiten im neuen Design hinzugefügt am 19. Oktober 2020.