Die amerikanischen Wähler haben Donald Trump völlig zurecht gefeuert. Mit Joe Biden und Kamala Harris kehrt die Verkunft zurück ins Weisse Haus. Gesunder Menschenverstand allein wird allerdings kaum reichen, um die politischen, wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und moralischen Probleme der USA zu lösen, die der abgewählte Präsident Trump hinterlässt.
Trump brachte es fertig, noch vor der Covid19-Pandemie im Februar 2019, mitten in rosigen Zeiten, das bis dahin grösste monatliche Budgetdefizit in der Geschichte der USA zu produzieren, einer von vielen Superlativen auf die das selbsternannte „stabile Genie“ nicht stolz sein kann. Die Washington Post hat Buch geführt über die täglichen Lügen und Halbwahrheiten von Trump. In der Nacht nach der Präsidentschaftswahl 2020 brachte es der Herr im Weissen Haus noch fertig zu behaupten, er habe die Wahl klar gewonnen. Danach sprach und twitterte er wiederholt und ohne jeden Beweis von Wahlbetrug, womit er der US-Demokratie weiteren Schaden hinzufügte.
Die Liste der Lügen und Tiefpunkte der Ära Trump ist fast unendlich. Zum Glück wurde der Mann gefeuert. Positiv zu vermerken ist, dass über 75 Millionen Wähler für Biden und fast 71 Millionen für Trump gestimmt haben. Die Rekordbeteiligung in absoluten Zahlen gehört zu den Erfolgen dieser Wahl. Joe Biden hat mehr Stimmen erhalten als jeder andere gewählte Präsident vor ihm. Allerdings steht an zweiter Stelle in absoluten Zahlen der nun abgewählte Donald Trump, noch vor Barack Obamas bestem Wahlresultat. Das bedeutet, dass der notorische Lügner 2020 mehr Wähler als 2016 mobilisieren konnte, obwohl er auf den meisten Politikfeldern versagt hat.
Das liegt unter anderem daran, dass die Trump-Kampagne Joe Biden als radikalen Sozialisten dargestellt hat, obwohl er in seiner langen Karriere als moderater Politiker, als Zentrist aufgefallen ist. Was stimmt ist, dass die Demokraten in den vier Jahren unter Trump nach links gerückt sind. Allerdings stehen Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris für vieles, nur nicht für Sozialismus.
Mit Biden und Harris werden ab Januar 2021 sicher nicht Milch und Honig anfangen zu fliessen. Doch besteht nun die Möglichkeit, dass die Vereinigten Staaten auf einen vernünftigen Pfad zurückkehren. Das Haushaltsdefizit und die Staatsschulden sind unter Trump weiter aus dem Ruder gelaufen, und zwar bereits vor der Covid-Krise. Die Pandemie ist ausser Kontrolle, weil der nun abgewählte Präsident total versagt hat.
Mit Joe Biden kommt ein weiterer alter, weisser Mann ins Weisse Haus. Mit 78 ist er nicht nur alt, sondern wirkt zudem müde und blass. Bei der Primärwahl der Demokraten in Iowa schien er bereits erledigt zu sein (dead in the water). Ich hätte keinen Cent auf ihn gesetzt. Die schwarzen Wähler in South Carolinea verhalfen ihm zu einem spektakulären Comeback. Doch es verging noch einige Zeit, eher er sich im Feld der Demokraten durchsetzen konnte, nicht zuletzt dank dem Super Tuesday.
Kann nun der blasse Biden, der seine besten Tage hinter sich zu haben scheint, das Ruder in den Vereinigten Staaten herumreissen? Ja, vielleicht, denn er hat in den Jahrzehnten, in denen er Politik macht, mehrfach bewiesen, dass er mit den Republikanern zusammenarbeiten kann. Zu seinen alten Freunden aus der Gegenpartei gehört der Führer im Senat, Mitch McConnell. Die Schlaftablette Joe Biden – Trump nannte ihn Sleepy Joe – könnte tatsächlich der Mann der Stunde sein, der richtige Mann am richtigen Ort. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Empfohlene Lektüre: Die Biden-Biografie von Jules Witcover: Joe Biden: A Life of Trial and Redemption, 2019, 576 Seiten. Das englische Buch des langjährigen Washington-Korrespondeten Jules Witcover (*1927) bestellen bei Amazon.de, Amazon.fr, Amazon.com, Amazon.co.uk. Das Kindle eBook bestellen bei Amazon.com.
Artikel vom 8. November 2020. Hinzugefügt um 17:21 Orstzeit in Madeira.