Dave Douglas

Nov 01, 2000 at 00:00 2022

Biografie, Konzert-, Album-, CD-Kritiken (Charms of the Night Sky - A Thousand Evenings).

Biographien
Zusammengestellt von Louis Gerber

Biografie: Dave Douglas wurde 1963 in Montclair, New Jersey, geboren. Im Alter von fünf Jahren begann er mit dem Klavierspiel, mit sieben ging er zur Posaune über, die er mit neun gegen die Trompete, sein heutiges Instrument, eintauschte. An der High School hörte er progressiven Rock, Frank Zappa, den „elektronischen“ Miles Davis und das Mahavishnu Orchestra. Musikalisch beeinflusst wurde er auch von Billie Holiday, John Coltrane, Igor Stravinsky und Stevie Wonder. Bei seinen wenigen Lektionen in klassischer Musik hatte er immer Probleme, da er kein Stück zweimal gleich spielen konnte. Dann ging er für ein Jahr nach Spanien, wo er an einem Open Air Festival seinen ersten Auftritt hatte. Dort begann er auch mit dem Improvisieren auf der Trompete, was für seine Weiterentwicklung entscheidend war, denn erst jetzt machte die Musik für ihn Sinn. Zurück in den USA studierte er zwei Jahre lang in Boston am Berklee College of Music und am New England Conservatory Komposition und Trompete. 1984 ging er an die New York University, wo er seine Studien mit einem Bachelor of Arts abschloss. Er studierte dort bei Carmine Caruso und spielte gleichzeitig in den Strassen des Big Apple. In der Band von Horace Silver entwickelte er sich von 1987 bis 1990 weiter. Mit ihm sowie mit Vincent Herring, Dr. Nerve und dem Bread and Puppet Theatre ging er auf internationale Tournee.

Seither hat sich Dave Douglas einen eigenen Namen als Komponist, Improvisator, Trompeter und Bandleader einer Reihe von Gruppen gemacht. Dazu gehören Charms of the Night Sky, das Dave Douglas Quartet, The Tiny Bell Trio, das Dave Douglas Sextet, das elektronische Oktett Sanctuary, The Dave Douglas String Group, Satya (eine Gruppe, mit der er indische Musik spielt) sowie Witness, ein grösseres Ensemble in der Nachfolge von Sanctuary (Witness: Dave Douglas, Trompete, Chris Speed, Saxophon, Klarinette, Joshua Roseman, Posaune, Erik Friedlander, Cello; Mark Feldman, Violine, Bryan Carrott, Vibraphon; Drew Gress, Bass; Ikue Mori, elektronische Percussion, Michael Sarin, Schlagzeug. Dave Douglas geht den Möglichkeiten der Verbindung von Improvisation mit indischer Musik nach, spielt Musique Concrete sowie Orchestermusik. Er ist an Festivals in der ganzen Welt aufgetreten, hat für eine Reihe anderer Ensembles geschrieben und zusammen gearbeitet. So war Dave Douglas von John Zorn eingeladen worden, auf seiner CD Masada mitzuspielen.

1993 nahm Dave Douglas sein erstes Soloalbum, Parallel Worlds. Ein Jahr später gründete er das Tiny Bell Trio, das aus der Not geboren wurde, da seine Duopartnerin, eine Akkordeonistin, in die Schweiz zurückging und er dringend eine Gruppe für einen Auftritt in einer winzigen Ecke des Bell Cafés in Soho brauchte, die mit osteuropäischer Volksmusik vertraut waren. Jim Black und Brad Schoeppach waren die zwei Musiker, die sich mit ihm damals zusammen taten.

Am 4. November 2000 war Dave Douglas mit dem Qurartett Charms of the Night Sky zu Gast, mit denen er 1998 eine gleichnamige Platte aufgenommen hatte. Greg Cohen ist der Bassist, Mark Feldman der Violinist und Guy Klucevsek der Akkordeonist der Gruppe, die sich ebenfalls der osteuropäischen Volksmusik widmet. Ihre neueste Aufnahme ist A Thousand Evenings (Okt. 2000, RCA Victor). Dave Douglas hatte Guy Klucevsek bei einem Solokonzert Ende 1997 oder zu Beginn von 1998 entdeckt. Mit Mark Feldman arbeitet Douglas bereits seit über einem Dutzend Jahren zusammen, so im Mosaic Sextet und Uri Caines Mahler Projects.

Biografie: Der Bassist Greg Cohen wurde in Los Angeles geboren, wo er auch aufwuchs. In den frühen 1960er Jahren spielte er in Surf Bands. Seither arbeitet er als Komponist, Arrangeur, Produzent und Bassist. Als Arrangeur war er u.a. für Tom Waits, Marisa Monte, Carlinhos Brown und David Sandborn tätig. Arrangements schrieb er auch für die Filme Ed Wood und Fried Green Tomatoes. Als Produzent war er z.B. für Dagmar Krauses Thank Battles verantwortlich. Als Bassist spielte Greg Cohen bereits mit den Rolling Stones, Laurie Anderson, Elvis Costello, John Zorn, David Byrne, Tom Waits, Randy Newman, Cheryl Crow, Burt Bacharach und Lou Reed. Zu seinen neuesten eigenen Alben gehören Way Low und Moment to Moment.

BiografieGuy Klucevsek hat viele Eigenkompositionen für das Akkordeon geschrieben und weitere bei John Zorn, Aaron Jay Kernis, Mary Ellen Childs, William Duckworth, Somei Satoh und anderen in Auftrag gegeben. Klucevsek hat Tanzmusik für Choreographien für Karen Bamonte, Angela Caponigro, Anita Feldman und Mark Taylor geschrieben. Er hat mit dem Schriftsteller, Regisseur und visuellen Künstler Ping Chong am Musiktheater Chinoiserie (1995) mitgearbeitet. Soloauftritte mit seinem Akkordeon gab Guy Klucevsek am Adelaide Festival, dem Berlin Jazz Festival sowie am Serious Fun! im Lincoln Center. Er tourte und/oder nahm Platten auf mit Dave Douglas, Laurie Anderson, Bill Frisell, dem Kronos Quartet, Relâche, John Zorn und anderen. Zu seinen Alben gehören Accordion Tribe und Accordion Tribe 2: Four Accordions of the Apocalypse (zusammen mit den amerikanischen Komponisten und Akkordeonisten  Alan Bern, Amy Den und Pauline Oliveros) sowie Polka Dots & Laser Beams. Guy Klucevsek kann von traditioneller Polka bis zu abstrakt-chromatischer Musik des 20. Jahrhunderts alles spielen.

BiografieMark Feldman wurde in Chicago geboren. Der Violinist und Komponist erhielt den ersten Preis als „Talent Deserving Wider Recognition“ in den Down Beat’s Kritikerumfragen der Jahre 1994, 1995 und 1999. 1998 wählten ihn die Leser von Down Beat zum zweitbesten Geiger des Jahres. Mark Feldman hat als Solokünstler mit der Basel Sinfonetta und der George Gruntz Big Band in der Schweiz, mit dem WDR Radioorchester und der WDR Big Band in Deutschland, mit der UMO Big Band in Finnland sowie der Sweet Basil Monday Nite Big Band in New York City gespielt. Zu seinen über 100 Alben zählen das Soloalbum Music for Violin Alone, seine Duoaufnahme mit dem Pianisten und Komponisten Sylvie Courvoisier, Music for Violin and Piano, sowie John Zorn: The String Quartets mit dem Zorn Quartet. Von 1980 bis 1986 lebte Mark Feldman in Nashville, wo er über 200 Aufnahmen mit Künstlern wie Johnny Cash, Willie Nelson, Jerry Lee Lewis und dem Fernsehevangelisten Jimmy Swaggart machte. 1986 ging er nach New York, wo er als Studiomusiker für Cheryl Crow, The Manhattan Transfer und Diana Ross tätig war. Er arbeitete auch mit Lee Konitz, Tim Berne und anderen.

Einige Alben von Dave Douglas
Artikel von Louis Gerber

Unter den früheren Jazz-Aufnahmen von Dave Douglas ist Stargazer aus dem Jahr 1997 zu erwähnen. Es half Douglas, sich als einer der herausragenden Trompeter der 1990er Jahre zu etablieren. Wie andere, dem Andenken an einen bestimmten Künstler gewidmete Platten, war Stargazer kein epigonales Album. Die Musik von Komponist und Saxophonist Wayne Shorter war lediglich der Startpunkt, von dem aus Dave Douglas seine eigene Klangwelt entwickelte. Mit Ausnahme der mit grosser Kreativität bearbeiteten Klassiker On the Milky Way ExpressPug Nose und Diana von Wayne Shorter sind alle Titel Eigenkompositionen von Dave Douglas. Uri Caine am Klavier, Joshua Roseman an der Posaune, Chris Speed an Tenorsaxophon und Klarinette, James Genus am Bass und sein Freund aus der Masada-Aufnahme, Joey Baron am Schlagzeug, waren Douglas‘ Partner auf Stargazer. 1994 hatte die Gruppe übrigens In Our Lifetime, eine Hommage an den Komponisten und Trompeter Booker Little aufgenommen.

Leap of Faith (1998) ist ein anderer Meilenstein im Schaffen des Trompeters Dave Douglas. Zusammen mit Chris Potter am Tenorsaxophon, Ben Perowsky am Schlagzeug und James Genus am Bass, spielte er einen rhythmischen, dichten und intensiven Jazz – kein Easy-Listening. Mit James Genus hat Douglas schon im Sextett Stargazer gespielt. Bereits in den späten 1980er Jahren waren die zwei zusammen mit Vincent Herrings Gruppe auf Tournee gegangen. In Leap of Faith integriert Dave Douglas, wie so oft, auf phantasievolle Weise verschiedene Musikstile in den Jazz. Die Quellen sind hier die klassische und die indische Musik. Leap of Faith verweigert sich konsequent jeder Kategorisierung. Douglas setzt unterschiedliche Kompositionstechniken und Gruppenkonzepte um. Herausragend ist sein Trompetensolo im Titelsong Leap of Faith.

Magic Triangle (1998) ist eine weitere CD, auf der Dave Douglas mit dem Bassisten James Genus, dem Schlagzeuger Ben Perowsky und dem Tenorsaxophonisten Chris Potter zusammen arbeitete. In der Down Beat Leserumfrage rangierte Magic Triangleunter den acht besten Jazz-Alben des Jahres und Dave Douglas wurde zweiter im Rennen um den besten Trompeter des Jahres, lediglich fünf Stimmen vom ersten Platz entfernt.

Charms of the Night Sky aus dem Jahr 1998 dagegen ist mit seinen dreizehn Stücken ein Brückenschlag zwischen Jazz und osteuropäischer Folklore. Guy Klucevsek am Akkordeon bildet die virtuose wie traditionelle Grundlage. Mark Feldman liefert dazu meist folkloristische Geigenmelodien. Greg Cohen steuert seinen dunklen Bass dazu. Das stimmungsvolle Album erinnert an fröhliche Volksfeste und romantische Abendstimmungen in Osteuropa, in die allerdings feinste Jazzharmonien eingearbeitet wurden. Charms of the Night Sky ist kein rein nostalgisches Album, die 1990er Jahre scheinen durch.

Konzertkritik: Das Konzert von Dave Douglas mit seinem Quartett Charms of the Night Sky bei „jazz in winterthur“ vom 4. November 2000: Dave Douglas, Trompete; Mark Feldman, Violine; Greg Cohen, Bass; Guy Klucevsek, Akkordeon.
Artikel von Jacques Rohner und Louis Gerber

Nach dem Auftritt mit seinem Sextett im April und der Mary Lou Williams gewidmeten Musik von Soul on Soul war der Trompeter Dave Douglas am 4. November erneut in Winterthur zu Gast. Diesmal präsentierte er sich in der Alten Kaserne mit dem Quartett Charms of the Night Sky, bestehend aus Mark Feldman an der Violine, Guy Klucevsek am Akkordeon und Greg Cohen am Bass. Im totalen Gegensatz zu Soul on Soul mit seinen Free Jazz-Elementen spielte das Quartett von Dave Douglas vor allem Titel aus den Alben Charms of the Night Sky (1998) und A Thousand Evenings (2000). Osteuropäische Volksmusik, Zigeunerweisen, jüdische Melodien und Kompositionen der romantischen Klassik fügen sich darin zusammen. Die harmonischen und melodiösen Kompositionen, denen jedermann leicht folgen kann, wurden mit Elementen anderer Musikformen angereichert, wodurch hin und wieder traditionelle Hörweisen herausgefordert wurden.

Dave Douglas ist ein facettenreicher Musiker, der fast jeden Geschmack bedienen kann. Doch er versucht nicht, Melodien der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen, sondern nimmt die Kompositionen anderer zum Ausgangspunkt für seine eigenen kreativen Ergüsse. In Winterthur bot das Quartett herzzerreissende und melancholische Musik. Die Kammermusik verzauberte das Publikum. Dave Douglas, Greg Cohen, Mark Feldman und Guy Klucevsek zeigten einmal mehr, was sie bewegt: nicht die Erfüllung von Erwartungen, sondern die Suche nach Alternativen und die Erweiterung des musikalischen Vokabulars durch die spielerische und kreative Verfremdung traditioneller Töne.

Dave Douglas‘ Erfahrung mit der osteuropäischen Volksmusik begann in den späten 1980er Jahren, als er sich in der Schweiz in einer experimentellen Tanz-, Musik- und Theatergruppe mit rumänischer Volksmusik auseinander setzte. Später begann er, verschiedene osteuropäische Klänge zu transkribieren. 1990 wandte er sich zusammen mit Don Byron der Klezmermusik zu. Alle hier und oben erwähnten inspirierenden Stile laden geradezu zur Improvisation ein, ihre Nähe zum Jazz ist offensichtlich. Doch gleichzeitig verneinte das Quartett in Winterthur nie seine Wurzeln, die im Jazz und in klassischer Musik liegen. Der Ausdruck universeller menschlicher Gefühle verbindet sie mit der osteuropäischen Tradition. Die Intensität des kulturellen Austausches, der in New York stattfindet, ist für die Entwicklung neuer künstlerischer Ausdrucksweisen sicherlich ein fruchtbarer Boden. Doch es braucht hart arbeitende Musiker wie Dave Douglas, Greg Cohen, Mark Feldman und Guy Klucevsek, um die musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. In Winterthur bewiesen Charms of the Night Sky, dass sie fähig sind, Grenzen niederzureissen, bei gleichzeitiger Respektierung der Tradition.

Am 2. März 2001 wird Dave Douglas erneut im Rahmen von „jazz in winterthur“ zu sehen sein, doch dann mit seinem Tiny Bell Trio und einem völlig anderen Sound, den es zu entdecken gilt.

Dave Douglas: Trompete. Foto copyright Dave Douglas.

Alben / CDs von und mit Dave Douglas:

Dave Douglas: Strange Liberation. Februar 2004. CD bestellen bei Amazon.com, Amazon.co.uk.

Dave Douglas: A Thousand Evenings. RCA Victor/BMG, Oktober 2000. Bestellen bei Amazon.de.

Dave Douglas: Soul on Soul. RCA Victor, Mai 2000. Bestellen bei Amazon.de.

Dave Douglas: Charms of the Night Sky. Winter & Winter, 1998. Bestellen bei Amazon.de.

Dave Douglas: Stargazer. Arabesque Records, 1997. CD bestellen bei Amazon.de, Amazon.com.

Dave Douglas: Magic Triangle. Arabesque Records, 1998. Bestellen bei Amazon.de.

Dave Douglas: Leap of Faith. Arabesque Records, 1998. Bestellen bei Amazon.de.