Mercedes-Benz Pagode

Feb 06, 2015 at 11:41 1059

Zu den schönsten Autos der letzten Jahrzehnte gehört zweifellos der Mercedes-Benz SL der Baureihe W 113. Wegen der nach innen gewölbten Form des Hardtops, das an fernöstliche Tempelbauten erinnerte, bekam er den Spitznamen Pagode. Von den Modellen 230 SL, 250 SL und 280 SL wurden von 1963 bis 1971 knapp 50’000 Stück hergestellt.

Der 230 SL war in drei Karosserie-Variationen erhältlich: offen, mit geschlossenem Stoffverdeck und als Coupé mit einem Hardtop. Zudem war er als Modell mit Handschaltung oder mit Automatik erhältlich, was den 230 SL besonders in den USA noch attraktiver machte.

Diesem Thema widmen sich zwei lesenwerte und wunderschön illustrierte Bücher von Fachautoren. Der Engländer Brian Long hat bereits über 50 Publikationen zum Thema Automobil vorgelegt. Sein Buch zur Pagode (Amazon.de) überzeugt ebenso wie jenes seines deutschen Kollegen Günter Engelen (Amazon.de), der bisher gut 20 Werke zum Thema Mercedes-Benz vorgelegt hat.


Brian Long: Mercedes-Benz SL „Pagode“. Die Baureihe W 113 von 1963 bis 1971. Delius Klasing Verlag, 2013, 207 Seiten (englische Originalausgabe 2010 erschienen bei Veloce Publishing). Das deutschsprachige Buch bestellen bei Amazon.de.

Beide Autoren beleuchten die Vorgeschichte der Pagode. Sie geht auf den Mercedes-Benz SL zurück, der im Frühjahr 1952 sein Debüt auf der Rennstrecke gab. Auf ihm bauten der in Serie gebaute Flügeltürer 300 SL (Spitzname Gullwing), ein echter GranTurismo, sowie der mit einem kleineren Motor ausgestattete 190 SL auf. Beide Autos wurden 1954 an der International Motor Sports Show in New York erstmals präsentiert und sorgten für Aufsehen.

Die zweite SL-Generation, jene der Pagode, gab ihr Debüt auf dem Genfer Automobilsalon von 1963. Der 230 SL sei ein Mainstreamfahrzeug mit Standardkomponenten gewesen, schreibt Brian Long. Er habe ein ausgeprägt sportliches Image mit hoher Alltagstauglichkeit verbunden. Der Sechszylinder-Einspritzmotor habe dem Wagen eine technologische Note verliehen, die er vom 300 SL übernommen habe. Er zitiert die Zeitschrift Road & Track, die damals zum Debüt der Baureihe schrieb, der 230 SL sei in fast jeder Hinsicht ein Mittelding zwischen dem 300 SL und dem 190 SL. Die Leistung liege mit 170 PS mittig zwischen den 120 PS des 190 SL und den 250 PS des 300 SL. Der 230 SL verbinde als Tourensportwagen eine gute Strassenlage mit der Geschmeidigkeit einer Limousine. Das innere sei eher elegant als luxuriös und spiegle die Funktionalität wieder, die von einem Sportwagen erwartet werde. Trotzdem sei der 230 SL nicht so nüchtern wie ein echter Rennwagen. Laut Brian Long handelt es sich um eine Verbindung der beiden Extreme der SL-Reihe zu einem preislich vernünftigen Wagen, der weniger für den ernsthaften Rennsport geeignet sei – zumindest nicht für die Rundstrecke – , auch wenn er sich später als feiner Rallye-Wagen erwiesen habe. Der 230 SL war zudem der erste Sportwagen mit einer Sicherheitskarosserie bestehend aus steifer Fahrgastzelle und Knautschzonen an Front und Heck.

Günter Engelen beschreibt in seinem Buch, wie der erfolgreiche US-Importeur von europäischen Autos, Max Hoffmann, den Bau des 190 SL initiierte, wie dieser innerhalb von nur fünf Monaten entwickelt wurde, wie die Weltpremiere in New York verlief, wie steinig der Weg vom Ausstellungs- zum Serienauto war und viel mehr. Dem 190 SL widmet er so rund 100 Seiten. Über das „unbekannte Wesen“, den 220 SL, berichtet der Autor ebenso wie über die Entwicklung des 230 SL Pagode, die Modelle 250 SL und 280 SL, die Genfer Premiere und die IAA 1963, den weg zur Serienentwicklung, das kurze Leben des 250 SL (nur 11 Monate), den 280 SL mit seinen gelochten Radzierblenden und dem stabileren Aussenspiegel mit breiterem Fuss sowie den Mühen mit einem neuen Motor für das Auto. Danach bietet Günter Engelen in seinem Buch noch Kapitel zur Pagode im Rennsport, nützliche Tipps beim Kauf sowie 70 Seiten zu den technischen Daten.

Brian Long beginnt sein Buch mit einer kurzen Geschichte von Mercedes-Benz, zeigt, wie der SL auf der Rennstrecke geboren wurde, widmet 30 Seiten dem 300 SL und dem 190 SL sowie weitere 30 Seiten der Geburt der Baureihe W 113 Pagode. Weitere Kapitel drehen sich um die Weiterentwicklung des 230 SL, den 250 SL, 280 SL und das Ende der Baureihe sowie die Nachfolger in den 1970er Jahren. Kapitel zur chronologischen Modellübersicht, technische Daten, Infos zur Ausstellung sowie Fahrgestellnummern und Produktionszahlen runden das Werk ab.

Das Buch von Brian Long ist auf Hochglanzpapier, jenes von Günter Engelen auf rauherem Papier gedruckt und rund rund 90 Seiten länger. Beide Werke sind voller historischer (von Daimler-Benz zur Verfügung gestellt) und neuer Fotografien, die komplementär sind, sich nicht überschneiden. Der Pagode-Fan hat da keine Wahl, denn er muss beide Bücher haben.

Brian Long: Mercedes-Benz SL „Pagode“. Die Baureihe W 113 von 1963 bis 1971. Delius Klasing Verlag, 2013, 207 Seiten (englische Originalausgabe 2010 erschienen bei Veloce Publishing). Das deutschsprachige Buch bestellen bei Amazon.de.


Günter Engelen: Mercedes-Benz 190 SL – 280 SL. Vom Barock zur Pagode. Motorbuch Verlag, 2013, 298 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

Artikel vom 6. Februar 2015 um 11:41 CET