Alberto Giacometti – Die Zeit vergeht zu schnell. Briefe an die Familie

Apr 20, 2024 at 16:58 813

Der Schweizer Jahrhundertkünstler Alberto Giacometti (1901-1966) schrieb in seinem Leben rund 1500 Briefe an seine Familie. Auszüge daraus sind nun erstmals in einer deutschen Übersetzung im von der Alberto Giacometti-Stiftung und Casimiro Di Crescenzo herausgegeben Buch Alberto Giacometti – Die Zeit vergeht zu schnell. Briefe an die Familie (Scheidegger & Spiess, 2024, 280 Seiten. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei gleichem Preis – und bei Amazon.de bestellen) publiziert worden.

Eine dreibändige Ausgabe aller Briefe Albertos an seine Familie in der jeweiligen Originalsprache – der Bergeller Dialekt (Bargaiot) der Familie Giacometti verbindet italienische und rätoromanische Elemente mit deutschen Wörtern, die Briefe sind überwiegend in Italienisch, teils in Französisch bzw. Deutsch verfasst. Die dreibändige Ausgabe wird bei den Verlagen Casagrande und Scheidegger & Spieß erscheinen, ebenfalls herausgegeben von der Alberto Giacometti-Stiftung und Casimiro Di Crescenzo.

Die nun bereits vorliegende Auswahl in Alberto Giacometti – Die Zeit vergeht zu schnell. Briefe an die Familie erlaubt einen Blick auf die Wurzeln von Alberto, den Austausch insbesondere mit seinem Vater Giovanni Giacometti, der ein bedeutender postimpressionistischer Künstler war, seinen Werdegang von der Internatsschule in Schiers über Reisen nach Italien sowie – mit einem Zwischenaufenthalt in Genf während des Zweiten Weltkriegs – vor allem aus Paris, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte, den Anschluss an die Avantgarde schaffte und später ein einzigartiges Werk schuf, das bis heute fasziniert.

Dem Band ist zu entnehmen, dass der Briefwechsel zwischen Alberto und seiner Familie neben seinen persönlichen Notizbüchern die wichtigste Informationsquelle für alles ist, was sein Leben, die Entstehung seiner künstlerischen Ideen und die Entwicklung seiner Arbeit betrifft. Aus der Ausbildungszeit und den frühen Jahren in Paris fehlen zum Teil andere Informationsquellen oder setzen erst zögerlich ein. Der Korpus von insgesamt rund 1500 Briefen ist zwar unvollständig überliefert, doch bietet er einen hervorragenden Einblick in das Denken, Leben und Werk von Alberto Giacometti zwischen 1916 und 1964.

Zu lesen sind zum Beispiel der Gedankenaustausch des angehenden Künstlers mit dem erfahrenen Vater und die Neuigkeiten über die Arbeit, erste kleine Erfolge und der plötzliche Durchbruch, als Alberto binnen Tagen zu einem der wichtigsten Künstler der Avantgarde avanciert. Hinzu kommen zum Beispiel aus den frühen Jahren 1920 und 1921 Briefe aus Florenz und Rom, in denen die Bedeutung der ägyptischen Kunst für Alberto belegt wird, die sein ganzes Leben anhalten wird.

In den letzten Jahren seines über hundertjährigen Lebens beschloss der Bruder und Architekt Bruno Giacometti (1907-2012), sein ganzes Archiv der SIK-ISEA in Zürich zu überlassen, dem Institut, das 1997 das von Paul Müller und Viola Radlach herausgegebene Werkverzeichnis seines Vaters Giovanni Giacometti veröffentlicht hatte. Nach Brunos Tod kamen etwa zweihundert noch in seinem Haus verwahrte Briefe der Verwandten an Bruno zu diesem Bestand hinzu. Bereits 1989 hatte Bruno Giacometti 68 Briefe zur Publikation ausgewählt, später ergänzt um weitere zwei Dutzend, die nun alle im vorliegenden Band zusammen mit einigen weiteren (insgesamt 96) erstmals auf deutsch veröffentlicht werden.

Scheidegger & Spiess, 2024, 280 Seiten. Cookies akzeptieren (wir erhalten eine Kommission bei gleichem Preis) und bei Amazon.de bestellen.

Zitate und Teilzitate in dieser Buchkritik / Rezension sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Rezension / Buchkritik vom 20. April 2024 um 16:58 deutscher Zeit.