Albrecht Dürer. Sämtliche Gemälde. Ausgewählte Zeichnungen und Druckgrafiken

Dez. 05, 2025 at 14:14 151

Ein neuer, grossformatiger und prächtiger Bildbild aus dem Hause TASCHEN präsentiert alle bekannten Gemälde – davon etliche neu fotografiert – und fast 500 Zeichnungen sowie Druckgrafiken von Albrecht Dürer (1471-1528), dem Hauptvertreter der nordischen Renaissance, der als Maler, Zeichner, Grafiker, Theoretiker und künstlerischer Vorreiter tätig war.

Zu den drei Autoren gehört Christof Metzger. Er ist seit 2014 Chefkurator in der Albertina in Wien, die unter anderem das weltberühmte Aquarell Feldhase, die bekannteste aller Naturstudien von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1502, aufbewahrt. Christof Metzger hat zum Beispiel die Albrecht Dürer-Ausstellung kuratiert, die vom 20. September 2019 bis zum 6. Januar 2020 in der Albertina zu sehen war. Julia Zaunbauer ist ebenfalls Kuratorin in der Albertina. Sie war an mehreren Ausstellungen und Publikationen zu Albrecht Dürer und der Kunst um 1500 beteiligt. Karl Schütz wiederum arbeitete ab 1972 zunächst als Kurator, von 1990 bis 2011 als Direktor an der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums in Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die niederländische und flämische Malerei, die deutsche Malerei des frühen 16. Jahrhunderts, die höfische Porträtmalerei und die Geschichte der Sammlung der Gemäldegalerie.

Christoph Metzger, Karl Schütz, Julia Zaunbauer (Autoren): Albrecht Dürer. Sämtliche Gemälde. Ausgewählte Zeichnungen und Druckgrafiken. TASCHEN, Hardcover mit Ausklappseiten, 29 x 39.5 cm, 7.76 kg, November 2025, 798 Seiten. ISBN 978-3-8365-8143-1. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.

Albrecht Dürer: Portrait von Jakob Muffel (1526). Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin. Photo Copyright © Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin/André van Linn. TASCHEN Verlag Seite 235.

In seinem Vorwort schreibt Christoph Metzger, dass das Schrifttum zum Leben und Werk von Albrecht Dürer schon vor dessen Tod einsetzte und noch heute, nach einem halben Jahrtausend, viele Regalmeter fülle. Er sei nie in Vergessenheit geraten und musste daher nicht mühsam wiederentdeckt werden wie etwa sein Zeitgenosse Matthias Grünewald. Dürers Hinterlassenschaft sei zudem so reichhaltig, dass daraus wie von keinem anderen Zeitgenossen das Bild seiner Person und das seiner ganzen Epoche gezeichnet werden könnten.

Metzger betont, dass Dürers Gesamtwerk mehr als 70 Gemälde, weit über 1000 Zeichnungen, knapp 300 Druckgrafiken und illustrierte Bücher umfasst, zu denen sich noch eine beträchtliche Anzahl an Druckformen erhalten hat. Hinzu kommen Briefe, Manuskripte und selbst Bücher aus seinem Besitz. Es handle sich um eines der grössten uns bekannten Konvolute von nur einem einzigen Künstler des frühen 16. Jahrhunderts.

Dürers Kupferstiche und Holzschnitte zählten laut Metzger schon immer zum Must-have einer jeden adeligen, bürgerlichen oder institutionellen Sammlung. Seine Gemälde waren an öffentlichen Orten zugänglich, und auch die meisten Privatsammlungen standen den Kunstinteressierten offen und lockten die Reisenden an.

Der Wunsch, mindestens ein Werk des verehrten Meisters zu besitzen, führte allerdings zu vielen willkürlichen Zuschreibungen. Als Joseph Heller 1827 seine Fragment gebliebene mehrbändige Monografie zu Dürer vorlegte, hatte fast jede Sammlung von Rang und besassen selbst viele Kirchen im deutschen Sprachraum und darüber hinaus ein angeblich mit Dürer verbundenes Kunstwerk. Nachfolgende Forschergenerationen stellten den Überblick im Wesentlichen wieder her. Metzger erwähnt in diesem Zusammenhang die massstabsetzenden Monografien von Erwin Panofsky (Erstauflage 1943) und Fedja Anzelewsky (Erstauflage 1971, erweiterte Neuauflage 1991) sowie insbesondere für die Druckgrafik Joseph Meders Dürer-Katalog von 1930.

Bei Dürers Zeichnungen sieht es allerdings anders aus. Ihre kunstwissenschaftliche Würdigung liess laut Metzger bis ins fortgeschrittene 19. Jahrhundert auf sich warten, was nicht zuletzt an der Unmöglichkeit lag, die Originale des Meisters im grösseren Umfang zu sehen. Das änderte sich erst 1882, als Charles Ephrussi in Paris sein Opus magnum vorlegte: Albert Dürer et ses dessins. Dieses Werk versuchte erstmals, einen vollständigen Überblick über das nach dem damaligen Stand der Forschung etwa 900 Einzelobjekte umfassende zeichnerische Œuvre des Künstlers zu bieten.

In Wien, das sich damals unter der Führung der Albertina als Dürer-Kompetenzzentrum etablieren wollte, wurde Albert Dürer et ses dessins laut Metzger sehr kontrovers, überwiegend sogar ablehnend aufgenommen. Vor allem genügten weder die oberflächliche Art der Katalogisierung noch die für diese Zeit schon marginale Bildausstattung wissenschaftlichen Bedürfnissen.

Zu jener Zeit nahm Friedrich Lippmann, ehemals Kustos am k. k. Österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien (heute MAK) und danach als Direktor am Berliner Kupferstichkabinett tätig, die Arbeit an seinem auf sieben Bände angelegten Gesamtverzeichnis der Zeichnungen von Albrecht Dürer in Nachbildungen (Berlin 1883–1929) auf, das alle erreichbaren Blätter in Faksimilequalität abbildete. Darauf bauten alle weiteren Verzeichnisse auf. Metzger erwähnt die vier Bände von Friedrich Winkler aus den Jahren 1938 und 1939 sowie das halbe Dutzend Bände von Walter L. Strauss aus dem Jahr 1974. Dazu sind in jüngerer Zeit wichtige Kataloge einzelner Sammlungsbestände gekommen. Eine Neukatalogisierung des gesamtenzeichnerischen Œuvres stehe jedoch noch aus, so Metzger. Sie sei aufgrund des enormen Umfangs des Materials heutzutage am sinnvollsten in Form einer Datenbank zu realisieren und als eine solche in Planung.

Albrecht Dürer: Selbstbildnis im Pelzrock (1500 oder um 1509/10). Öl auf Lindenholz, 67,1/66,9×48,7/48,9 cm. München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek. Photo Copyright © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek, München. TASCHEN Verlag Seite 183.

Christof Metzger betont, der hier besprochene, opulente TASCHEN-Band verstehe sich als ein organisches Ganzes, setze aber zwei Schwerpunkte: Dürers malerisches und sein zeichnerisches Werk. Die Herangehensweise sei dabei eine unterschiedliche. Die Darstellung des Malers Dürer entwickle sich aus einer vollständigen Positivliste, die in chronologischer Folge sämtliche als eigenhändig akzeptierte Gemälde umfasse sowie solche, die von Dürer entworfen oder unter seiner Aufsicht entstanden, aber von den besten Mitarbeitern der Werkstatt ausgeführt wurden. Drei Werke fanden laut Metzger nur unter Vorbehalt Aufnahme, was an ihrem schlechten Erhaltungszustand bzw. dem Ausmass von Restaurierungen resultiere, die einer abschliessenden Beurteilung entgegenstünden.

In diesem Buch nicht berücksichtigt werden laut Metzger viele archivalisch, literarisch oder durch vermeintliche Kopien dokumentierte Werke, für die der Autor auf das Verzeichnis von Fedja Anzelewsky von 1991 verweist.

Christof Metzger erwähnt jüngere Zuschreibungen, gegen die er so grosse Vorbehalte habe, dass er sie nicht in das Werk Dürers integrieren könne. Er erwähnt Dürers Lehr- und Gesellenjahre, die in den Fokus rückten, als 2019/20 in Nürnberg unter Federführung des Germanischen Nationalmuseums und der städtischen Kunstsammlungen und Museen sein Lehrmeister Michael Wolgemut erforscht wurde. Unter dem marketingkonformen Titel Mehr als Dürers Lehrer seien die schönsten Motive aus dem Werk des Meisters isoliert worden, denn man glaubte an den gelungensten Stellen die Hand des jungen Dürer am Werk zu sehen, unter anderem am Rosenkranzdiptychon aus der Nürnberger Dominikanerkirche und am Crailsheimer Hochaltar. Für Christof Metzger ist dies alles nicht wirklich überzeugend und seiner Einschätzung nach zudem nicht hinreichend stilkritisch analysiert.

Dürers Wanderjahre beschäftigten jüngst Bodo Brinkmann, der im verdienstvollen Katalog von 2024 zur altdeutschen Malerei in französischen Sammlungen (Dubois-Brinkmann/Briau) eine Kreuzigung Christi präsentierte, die er aufgrund der Abhängigkeit von Schongauer und nicht zuletzt aufgrund ihres Stifters Kaspar zu Rhein, der seit 1479 als Fürstbischof von Basel amtierte, vorsichtig als Werk Dürers aus der Zeit um 1492/93 diskutierte. Das Gemälde entspreche in malerischer und technischer Hinsicht zwar dem Goldstandard oberrheinischer Schongauer-Nachfolge, sei aber auch nicht so herausragend, dass Metzger ihm den Status eines der Erstlingswerke Dürers zugestehen möchte.

Vor einigen Jahren zog die„Entdeckung“ eines tatsächlich zu allen Zeiten bekannten, bis zur jüngsten Restaurierung aber stark verschmutzen Wandbildes im Wiener Stephansdom die Aufmerksamkeit auf sich. Weder die dafür vorgetragenen historischen noch die kunsthistorischen Argumente seien nachvollziehbar, so Metzger, der diese Arbeit als Werk einer hochqualifizierten örtlichen Werkstatt bezeichnet, der der heute vorsichtig mit Michel Schröter identifizierte Meister MS vorstand.

In der vorliegenden Publikation präsentieren Christof Metzger, Karl Schütz, Julia Zaunbauer 76 Gemälde von Albrecht Dürer. Dazu gehören präzise inhaltliche Beschreibungen, Angaben zu Material, Technik und Erhaltungszustand, zu Stiftungsumständen und Bildprogrammen, zu Inschriften, Datierung und Zuschreibung, insbesondere bei den Gemälden mit Werkstattbeteiligung, zu späteren Veränderungen, Ortswechseln und Kopien, sofern sie Details aus der Geschichte der Originale erhellen.

Die Besprechung des Forschungsstands trete eher in den Hintergrund. Eigenen Beobachtungen der drei Autoren sei der Vorrang gegeben worden. Dazu gehörten viele neue Überlegungen, etwa zur ersten Reise Dürers nach Italien, die Christof Metzger von Venedig auf Florenz und die Toskana ausweitet, oder zur Deutung einzelner Werke. Die eine oder andere These werde vielleicht auf positive Resonanz, manches wohl auch auf Ablehnung stossen oder zumindest eine kontroverse Diskussion initiieren: ein wichtiges Anliegen und Ziel jeder kunsthistorischen Publikation, so Metzger.

Laut dem Vorwort soll das Buch für jeden lesbar, verständlich und vielleicht auch für eigene Überlegungen anregend sein. Für vertiefende oder vergleichende Studien verweisen die Autoren auf die wichtigste jüngere Forschungsliteratur zu den einzelnen Objekten.

Die Kapitel folgen dem Lebenslauf Dürers: Dürers Anfänge 1471-1494, die Etablierung der Werkstatt 1494-1505, die zweite italienische Reise 1505-1507, der grosse Erfolg 1507-1520, die niederländische Reise und das Spätwerk 1520-1528. Verschiedene Schwerpunkte werden gesetzt, so Dürers Rezeption der Kunst der italienischen Renaissance oder die Organisation seiner Werkstatt. Wo immer möglich, komme der Künstler selbst zu Wort. Was die Zeichnungen Dürers betreffe, sei die Entscheidung getroffen worden, diese auf eine Auswahl zu begrenzen, die mit etwa der Hälfte des Œuvres durchaus repräsentativ und vom Umfang her beachtlich sei. Das allermeiste werde erstmals in bestmöglicher Qualität und in Farbe publiziert. Die Gliederung erfolge im Wesentlichen nach thematischen Gruppen, also in einer Ordnung, wie sie Dürer offenbar schon selbst für seinen Werkstattfundus entworfen habe.

Das letzte Kapitel führt Buchillustrationen zusammen, nämlich die Grüne Passion und das sogenannte Gebetbuch Kaiser Maximilians, die wohl Auftragswerke waren und daher nicht Teil des Werkstattbestands blieben. Nicht berücksichtigt würden Dürers Skizzen in seinen Manuskripten, die jeden Rahmen sprengen würden; auch das Ring- und Fechtbuch würden Leser vergeblich suchen, was aber durch die jüngsten Publikationen dazu ausreichend kompensiert werde (Hagedorn 2021; Welle 2021), so Metzger.

Albrecht Dürer: Feldhase (1502). Foto Copyright © Albertina, Wien/TASCHEN Verlag Seite 387.

Im Katalogbeitrag Dürer als Zeichner schreibt Christof Metzger, dass durch ihre fast lückenlose Provenienz erwiesen sei, dass (weltberühmte) Zeichnungen wie der Feldhase, das Grosse Rasenstück und die Betenden Hände bis zu Dürers Tod Atelierbestand waren. Sie entstanden nicht für Sammler, sondern für die Werkstatt. Laut Metzger gehen sie weit über die an ein Musterblatt oder einen Vorentwurf gestellten Anforderungen hinaus. Sehr vieles erfülle durchaus den pragmatischen Zweck als vorbereitendes Arbeitsmaterial, doch sollte Dürers zeichnerisches Œuvre weniger als eine Malerei und Druckgrafik dienende, sondern als ebenbürtige künstlerische Leistung diskutiert werden, die dem kundigen Zeitgenossen das stupende Vermögen seines Urhebers in Beobachtung und Wiedergabe offenbarte. Als Konversations- und Demonstrationsstücke konnten solche Zeichnungen jedem Besucher in Dürers Atelier die vollendeten künstlerischen Fähigkeiten des Meisters beweisen. Viele Blätter Dürers beanspruchten schon formal, etwa durch ein sorgsam platziertes Monogramm, eine ostentativ angebrachte Datierung oder (in seltenen Fällen) bewusst gezogene Rahmenlinien den Status eigenständiger Bilder.

Dies sind nur einige wenige Angaben aus dem prächtigen Band mit hervorragenden Abbildungen und substanziellen Beiträgen von Christoph Metzger, Karl Schütz, Julia Zaunbauer (Autoren): Albrecht Dürer. Sämtliche Gemälde. Ausgewählte Zeichnungen und Druckgrafiken. TASCHEN, Hardcover mit Ausklappseiten, 29 x 39.5 cm, 7.76 kg, November 2025, 798 Seiten. ISBN 978-3-8365-8143-1. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.

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Rezension/Buchkritik von Albrecht Dürer. Sämtliche Gemälde. Ausgewählte Zeichnungen und Druckgrafiken vom 5. Dezember 2025. Hinzugefügt um 14:14 deutscher Zeit.