Seit dem Zweiten Weltkrieg regiert in Bremen die SPD (zum Teil alleine, zum Teil als Führer von Koalitionen). Bei der Bürgerschaftswahl vom 26. Mai 2019 kam es jedoch zu einem kleinen Erdbeben. Die CDU legte um 4,3% auf 26,7% und 24 Sitze zu und überholte erstmals seit 1945 die SPD, die 7,9% verlor und auf 24,9% und 23 Sitze abstieg. Ein längst dringend nötiger Wechsel an der Regierungsspitze schien in Griffnähe. Doch was geschah? Rot-Grün regierte seit 2007. Nun musste diese Regierung wegen dem Absturz der SPD erweitert werden. Am 13. August unterschrieben SPD, Grüne und Die Linke gemeinsam einen 142-seitigen Koalitionsvertrag, der weitere Jahre der wirtschaftlichen Inkompetenz befürchten lässt.
Die Grünen kamen bei der Bürgerschaftswahl 2019 auf 17,4% (+2,3) und neu 16 Sitze. Die Linke holte 11,3% (+1,8%) und 10 Sitze. Zusammen mit der SPD kontrollieren Grüne und Linke nun 49 Sitze im Bremer Parlament mit insgesamt neu 84 Abgeordneten.
Des weiteren ins Landesparlament kamen die AfD mit 6,1% (+0,6%) und 5 Sitzen, die FDP mit 5,9% (-0,9%) und ebenfalls 5 Sitzen sowie die Bürger in Wut (BIW), die mit dem Thema innere Sicherheit 2,4% (-0,8%) und 1 Sitz holten.
Immerhin verzichtete der linksgerichtete Bürgermeister Carsten Sieling (*1959) von der SPD auf eine weitere Amtszeit. Seine Nachfolge trat der SPD-Politiker Andreas Schulte (*1965) an. Rot-Rot-Grün hat eine Reformagenda verabschiedet, die jedoch auf weiteren Ausgaben beruht. Diese sind zwar zum Teil sinnvoll, doch über den Länderfinanzausgleich wie bisher teilweise von Bayern mitfinanziert. Das Schuldenproblem von Bremen wird weiter auf die lange Bank geschoben.
Bremen hat Schulden von über 20 Milliarden Euro. Das sind knapp 32000 Euro pro Kopf. Damit bildet Bremen mit deutlichem Abstand das unrühmliche Schlusslicht in Deutschland, klar vor dem Zweitletzten, Hamburg, mit immerhin über 18700 Euro Schulden pro Kopf.
Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte verspricht, an der Schuldenbremse nicht rütteln zu wollen. Doch der Koalitionsvertrag sieht unter anderem einen Ausbau der Kinderbetreuung, mehr Lehrer und Sozialpädagogen, den Bau von 10000 Wohnungen (davon 3000 Sozialwohungen) bis 2023, den Ausstieg aus dem Kohlestrom bis 2023, billigere Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr, den Rückbau von Parkhäusern, drei Fahrradbrücken über die Weser, eine autofreie Bremer Innenstadt bis 2030, etc vor. Woher das Geld für all diese Wohltaten kommen soll, ist nicht klar.
Rot-Rot-Grün in Bremen ist insofern historisch, als es sich um die erste Koalition in einem westdeutschen Bundesland mit Beteiligung der Linken handelt. Im Moment sieht Rot-Rot-Grün nicht ganz so schlecht aus. Dies vor allem, weil sich die oppositionelle AfD gerade intern streitet. Die fünfköpfige AfD-Fraktion hat sich am 1. September 2019 gespalten und deshalb den Fraktionsstatus für die AfD verloren, da dafür mindestens fünf Sitze nötig sind. Bremen ist daher nun das einzige Bundesland, in dem die Rechtspopulisten nicht im Landesparlament vertreten sind.
Insbesondere die Linken hoffen, dass Rot-Rot-Grün in Bremen den Grundstein für eine Regierung aus Grünen, SPD und Linken im Bund ebnet. Die SPD im Bund betont, es handle sich um ein Bündnis auf Landesebene, schliesst allerdings keine rot-rot-grüne Koalition für die Zukunft im Bund aus. Die Grünen in Bremen stehen links, daher das nun geschlossene Bündnis. Die Bundes-Grünen wiederum denken zum Teil an Schwarz-Grün oder gar Grün-Schwarz auf Bundesebene. Grün-Rot-Rot als Option stärkt die Verhandlungsposition und würde wohl gut überlegt werden, wenn zum Beispiel Robert Habeck als Bundeskanzler in Frage käme. Der Weg bis dahin ist noch weit.
Das Photo zeigt Bürgermeister Andreas Bovenschulte (*1965) von der SPD. Photo von Martin Sassenberg aus dem Jahr 2019 (Quelle: Wikipedia).
Artikel vom 2. September 2019. Hinzugefügt um 21:26 deutscher Zeit. Zahl der Wohnungen und Sozialwohnungen aufdatiert um 21:58.