Céline Bonacina

Mai 06, 2013 at 11:06 1387

Biografie, Konzertkritik und Fotos der Baritonsaxophonistin

Biografie von Céline Bonacina

Das Baritonsaxophon gehört nicht zu den handlichsten Instrumenten. Die zierliche Französin Céline Bonacina (*1975) widmet sich dennoch mit Erfolg diesem Instrument. Daneben spielt sie noch Alt- und Sopransaxophon. Sie genoss eine klassische Saxophonausbildung und sammelte danach Erfahrungen in Pariser Jazz Big Bands und arbeitete sieben Jahre lang als Musiklehrerin auf der Insel La Reunion. Von dort nahm sie die Maloya-  und Séga-Rhythmen mit, die auf dem 2013-Album Open Heart hier und dort zu hören sind. Zum Musiklabel Act kam sie über den 1959 in Paris geborenen französischen Gitarristen vietnamesischer Herkunft Nguyên Lê, der sie dem Labelchef Siggi Loch empfahl.

Céline Bonacina wurde 1975 im französischen Belfort (Franche-Comté) geboren. Sie sagte mir in Winterthur, sie habe mit 7 Jahren, also ab 1982, das Konservatorium in Belfort besucht. Dort begann sie mit dem Altsaxophon und spielte klassische und zeitgenössische Musik. 1993 wechselte sie ans Konservatorium in Besançon, um schliesslich von 1995 bis 1998 ihre Studien am Konservatorium von Paris abzuschliessen.

Im Interview sagte mir Céline, dass sie bis 21 nur Altsaxophon spielte. 1996 erst begann sie mit ihrem bis heute favorisierten Instrument, dem Baritonsaxophon. Sie benutzte es zuerst, um Bach zu spielen. Dann erst entdeckte sie es für den Jazz. 1999 schliesslich kam noch das Sopransaxophon zu ihrer Palette an Instrumenten hinzu. Zwischen 1996 und 1998 spielte sie in verschiedenen Jazz-Bigbands in Paris.

Céline sagte mir im Gespräch nach dem Winterthurer Konzert, dass sie den Jazz für sich mit 16 Jahren entdeckt habe. Ihre grosse Liebe war damals der Bebop. Von 1998 bis 2005 gab sie sieben Jahre lang auf dem französischen Überseedepartement La Réunion Saxophon-Unterricht. Dort entstand ihre enge Beziehung zu den lokalen Musikstilen Maloya und Séga, die in ihren Jazz einfliessen. Dort nahm sie 2005 ihr erstes Album auf, Vue d’en haut. Ihr damaliges Quartett bestand aus Saxophon, Kontrabass, Fender Rhodes Piano und Schlagzeug. Das Resultat sei ein Jazz métissé gewesen.

Céline konnte mir nicht konkret sagen, welche Musiker sie beeinflusst haben, auch wenn viele Einflüsse da seien. Sie komponiere aus eigenen Erfahrungen heraus. So sei die Komposition „Desert“ die Frucht der Begegnung mit einem Beduinen in der Wüste gewesen, dessen Melodie sie inspiriert habe. Sie liebe das Spiel mit Extremen, so mit extremen Tief- und Hochtönen.

Der Schlagzeuger Hary Ratsimbazafy aus Madagaskar ging 2002 nach La Réunion und spielte schon damals mit Céline Bonacina. Er ist auf all ihren drei bisherigen Alben mit von der Partie: Vue d’en haut (2005), Way of Life (2010) und Open Heart, Januar (2013). Er spielte zuvor vor allem Rock sowie madagassische Musik.

Céline Bonacina produziert sich zumeist im Trio, spielt aber auch im Quartett und Sextett. Sie war bisher bei Konzerten und auf Festivals in Frankreich, Deutschland, Luxemburg, der Schweiz, Österreich, Norwegen, Schweden, aber auch in der Türkei, Syrien, Madagaskar und La Réunion zu hören. Sie spielte schon mit Omar Sosa auf La Réunion, mit Nils Landgrens Funk Unit in Paris sowie mit Andy Sheppard, Ngyuên Lê, Michael Wollny und vielen anderen Musikern.

Céline Bonacina kann herzlich und poetisch, kraftvoll und vehement, zart, harmonisch und charmant klingen. Sie überschreitet musikalische Grenzen mit ihrem offenen Herzen.

Céline Bonacina und ihr Baritonsaxophon. Fotos Copyright © by Sylvain Madelon. CDs von Céline Bonacina bei Amazon.de und Amazon.fr. MP3-Downloads von Céline Bonacina bei Amazon.de und Amazon.fr. Saxophone jazz sheet music / Saxophon-Musiknoten bei Sheetmusicplus.

Konzertkritik: Das Céline Bonacina Trio bei Jazz in Winterthur
4. Mai 2013 in der Alten Kaserne Winterthur. Konzertkritik von Louis Gerber

Am 4. Mai 2013 war in der Alten Kaserne bei Jazz in Winterthur ein multikulturelles Jazz-Trio zu Gast. Die französische Baritonsaxophonistin Céline Bonacina trat zusammen mit dem 1972 in Fort-de-France auf der Insel Martinique geborenen E-Bassisten Olivier Carole und dem von Antanarivo, der Hauptstadt der Insel Madagaskar, stammenden und 1974 geborenen Schlagzeuger Hary Ratsimbazafy auf.

Das Trio spielte vor allem Titel vom 2013-Album Open Heart (Amazon.de), auf dem allerdings der Franzose Kevin Reveyrand und nicht Olivier Carole am Electric Bass zu hören ist. Céline Bonacina sagte mir nach dem Konzert, Reveyrand habe im Oktober 2012 die Band verlassen. Für Olivier Carole war es der erste Auftritt mit dem Céline Bonacina Trio. Nach dem Konzert erfuhr ich von ihm, dass er auf dem Sprung in die USA ist, um dort noch im Mai als Teil der Hip-Hop-Gruppe Backpack Jax auf Tournee zu gehen, während dem Bonacina und Ratsimbazafy sich auf den Weg nach La Réunion machen werden.

In Winterthur begann das Trio den Abend vor relativ kleinem Publikum mit dem Song „Circle Dance“ vom Album Open Heart. Céline begann mit einem Solopart, einer Art Aufwärmphase, ehe ihre beiden Kollegen mit dazu stiessen, wobei Olivier Carole, wie noch so oft an diesem Abend, nicht nur den E-Bass spielte, sondern sich dazu noch zumeist lautmalerisch singend begleitete, insbesondere sein Instrument unterstützend.

Von Anbeginn war klar, dies würde eine unterhaltender Abend werden, mit weitgehend fröhlicher und melodiöser Musik, die fast ausschliesslich von Céline Bonacina komponiert wurde. Die scheinbar so fragile Céline schien keine physischen Probleme mit ihrem riesigen Baritonsaxophon zu haben. Technisch war sie die Perle des Trios. Sie setzte die kreativen Glanzlichter, wobei ihre Partner durchaus immer wieder Freiraum erhielten, um ihrerseits in den Vordergrund zu treten. Obwohl das Trio erstmals in dieser Zusammensetzung öffentlich auftrat, war nichts von Abstimmungsschwierigkeiten zu bemerken.

„Out of Everywhere“, ebenfalls vom Album Open Heart, folgte als zweites Stück des Abends. Hier fetzte und rockte es mit kräftigen, vorwärtstreibenden Rhythmen. Daraufhin folgte „So Close So Far“, das Bonacina zusammen mit Himiko Paganotti geschrieben hat, die auf dem Album auf eben diesem Song zu hören ist. Bei „Out of Everywhere“ legte Céline ihr Baritonsaxophon zuerst bei Seite und griff zu einem Bâton de pluie (Regenstab), einem rohrförmigen Perkussionsinstrument von La Réunion, in der Regel aus Kaktusrohr und gefüllt mit Samen, das in vielen anderen Kulturen und Weltgegenden wie Chile ebenfalls bekannt ist und eine Art Regengeräusch produziert. In Winterthur kam ein langes Exemplar aus Plastik zum Einsatz. Später griff Céline bei „Out of Everywhere“ zu ihrem Altsaxophon, das sie nur für diese Stück nach Winterthur trug!

Danach folgte das Titelstück „Open Heart“ von ihrem neuesten Album von Anfang 2013. Die getragene Komposition mit Céline nun wieder am Baritonsaxophon wurde von einem für einmal „wischenden“ Schlagzeuger begleitet, das ganze vom diskreten Rhythmus des E-Bass unterlegt. Es ist eine gefällige, melodiöse und wie der Titel sagt „offene“ und das Herz öffnende Komposition.

Zum Abschluss vor der Pause spielte das Trio das Stück „Ra Bentr’ol“. Es stammt vom leider bereits verstorbenen Tôty (eigentlich Olivier Andriamampianina), einem Jazz-Bassisten und Freund von Céline Bonacina aus Madagaskar, dessen Spitzname in seiner Muttersprache ebenfalls „Ra Bentr’ol“ war. Céline meinte im Konzert, er sei zwar tot, doch seine Musik sei weiterhin mit ihnen. Sie hat das Stück auf ihrem Album Way of Life (Amazon.de) von 2010 aufgenommen. Nach einer Soloeinleitung von Céline am Saxophon wurde das Stück im Trio sehr lebhaft, gefolgt von einem zuerst ruhigeren Teil mit E-Bass und Schlagzeug im Duo, ehe die zwei Rhythmusmusiker loslegten und richtig fegten, wobei vor allem Olivier Carole zeigen konnte, was er drauf hat, denn schliesslich wurde das Stück von einem Bassisten komponiert. „Ra Bentr’ol“ endete unterhaltend in Volltriobesetzung.

Den zweiten Teil des Konzerts eröffnete das Trio mit „Wild World“ vom 2013-Album Open Heart (Amazon.de). Hier ging es wirklich wild zu. Der Titel leuchtete ein. Allerlei Wildtiere wurden musikalisch zum Leben erweckt. Der Regenstab war zurück. Zudem wurden mit zwei Kayambs noch weitere Rüttelinstrumente eingesetzt; Das schachtelartige Kayamb ist eine auf der Insel La Réunion traditional mit Samen, Erbsen oder Reiskörnern gefüllte Gefässrassel. Der Einfluss der Musikgenres Maloya und Séga von La Réunion war in diesem Stück offensichtlich.

Der folgende „ZigZag Blues“ vom Album Way of Life begann mit einem unterhaltenden Baritonsaxophonsolo von Céline. Mit den Füssen nahm sie ihren eigenen Sound auf, den sie danach wie eine Art Echo abspielte und sich so selbst begleitete. Diese Technik setzte sie übrigens bei mehreren Songs in Winterthur ein. Sie zeigte sich erneut als kreatives Herz des Trios.

„Histoire de“ folgte. Die Komposition stammt ebenfalls von Way of Life und war eines jener seltenen Stücke in Winterthur, die ausnahmsweise nicht von Céline Bonacina selbst geschrieben worden war. Komponiert hat es ein gewisser Roland Molinier, nur das Arrangement stammt von Céline. Ein fröhliches, farbenfrohes Stück, wie das Trio selbst.

Mit „Souffle d’un songe“ ging es weiter. Auf der CD Open Heart ist das Wiegenlied allerdings nur 1:54 kurz, während dem in Winterthur eine längere Version geboten wurde. Es begann mit einem fast traurigen Baritonsaxophon-Einsatz, wobei Céline erneut ihre Töne über einen Fussmechanismus aufnahm. Danach lege sie ihr Saxophon beiseite, spielte die Musik wieder ab und griff dabei zu einer winzigen Drehorgel. Ein gewitzt-poetisches Kinderlied war das Resultat.

„Green Shoes“ hiess die nachfolgende Komposition, die so richtig jazzte und fetzte. Furios ging es am Saxophon und in der Rhythmusabteilung los. Nach dem Lullaby waren nun alle wieder wach. Der E-Bassist Olivier Carole begleitete sich einmal mehr stimmlich.

Und schon war das Konzert zu Ende. Das kleine, aber begeisterte Publikum erhielt als erste Zugabe noch „Desert“ aus dem Album Open Heart. Céline sagte mir nach dem Konzert, dass sie dazu von der Melodie eines Beduinen inspiriert wurde, den sie in einer Wüste getroffen hatte. Der Bâton de pluie war zurück. Céline gab den Regenstab ins Publikum, wo er durch die Reihen gereicht wurde. Die Trio-Leaderin griff nun zu ihrem Sopransaxophon, dem sie zuerst elegische Klänge abrang, ehe es immer fröhlicher und südlicher wurde und in ein furioses Schlagzeugsolo mündete.

Das Publikum klatschte das Trio noch für eine zweite Zugabe heraus. Erneut griff Céline Bonacina zum Sopransaxophon. „Ségaline“ von ihrem Debütalbum Vue d’en haut aus dem Jahr 2005 bildete den Abschluss des Winterthurer Konzerts. Die ganze Lebensfreude von La Réunion mit Maloya- und Séga-Einflüssen war zurück – die Kayambs natürlich auch. Kräftig, fröhlich und erneut farbenfroh ging es mit einem glücklichen Publikum zu Ende.

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Céline Bonacina Trio: Way of Life, 2010. Mit Céline Bonacina am Alto-, Sopran- und vor allem Baritonsaxophon, mit Nicolas Garnier am E-Bass, Hary Ratsimbazafy an Schlagzeug, Perkussion und mit Gesang sowie als Gastmusiker Nguyên Lê auf vier Stücken an der elektrischen Gitarre. Label: Act. Bestellen bei Amazon.de. Das Album würde übrigens im Tonstudio Flon in Lausanne aufgenommen.

Die Baritonsaxophonistin Céline Bonacina. Photo Copyright © by Thierry Clemensat / Docmac 2013.

Céline Bonacina und ihr Baritonsaxophon. Photos Copyright © by Docmac 2010.

Céline Bonacina Trio: Open Heart, Januar 2013. Céline Bonacina: Bariton- sowie Alt- und Sopransaxophon. Kevin Reveyrand: Electric Bass. Hary Ratsimbazafy: Schlagzeug. Als Gäste: Himiko Paganotti (Gesang), Pascal Schumacher (Vibraphon und Glockenspiel), Mino Celu (Perkussion). Label: Act. Bestellen bei Amazon.de.

Die Saxophonistin Céline Bonacina. Photos Copyright © by Thierry Clemensat / Docmac2013. CDs von Céline Bonacina bei Amazon.de und Amazon.fr. MP3-Downloads von Céline Bonacina bei Amazon.de und Amazon.frSaxophone jazz sheet music / Saxophon-Musiknoten bei Sheetmusicplus.