Das Raffles Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg ist ein Grand Hotel im traditionellen Stil mit langer Geschichte. Es wurde im Frühjahr 1897 vom schwäbischen Gastronom Friedrich Haerlin als Vier Jahreszeiten gegründet. Er hatte das in Konkurs gegangene schmale Haus mit zwölf Zimmern und einem Restaurant am 24. Februar 1897, seinem 40. Geburtstag, ersteigert. Seit wann das Vorgängerhotel am Neuen Jungfernstieg 11 existierte, ist nicht bekannt.
Friedrich Haerlin hatte das Hotel für 420,100 Mark ersteigert, in der Absicht, nochmals 30,000-40,000 für die Renovierung, neue Möbel und Gardinen auszugeben. Doch die Hamburger Behörden machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Nach der Choleraepidemie von 1892, die über 8000 Menschen das Leben gekostet hatte, waren sie pingelig geworden. Die sanitären Einrichtungen des Hotels seien ungenügend. Der Umbau verschlang schlussendlich 100,000 Mark. Während der Arbeiten kam der Hotelbetrieb wegen dem Dreck und Lärm fast zum Erliegen. Zudem wurde Haerlins Frau zum vierten Mal schwanger und konnte ihn bald nicht mehr voll unterstützen. Sohn Fritz kam am 28. November zur Welt.
Glücklicherweise hatte Friedrich Haerlin genügend Erspartes und kam so nicht in finanzielle Bedrängnis. Mit dem neuen Komfort war sein Hotel immer öfter ausgebucht. Doch da ihm sein Makler keine Hoffnung machte, jemals in der Nachbarschaft ein Haus zur nötigen Vergrösserung kaufen zu können, bot Haerlin sein Hotel zum Verkauf an. Er wollte zurück in die Schweiz, wo er ein geachteter Mann war. Unter den Interessenten war allerdings niemand, der zumindest eine substantielle Anzahlung auf den Tisch legen konnte. So blieb der dynamische Hotelier in Hamburg.
Seinen Angestellten trichterte Friedrich Haerlin die Philosphie des Hauses ein: Service, Service, Service. „Es darf einfach keine Beschwerden geben“ und „Tu es gleich“ waren seine geflügelten Worte. Nur so war es möglich, gegen die grossen Hotels am Alten Jungfernstieg bestehen zu können. Später wurde über die Stammgäste und ihre Wünsche auf Karteikarten Buch geführt, damit diese bei ihrer Ankunft alles zu ihrer Zufriedenheit vorfinden würden.
Das Konzept ging auf, und die Gäste wurden immer prominenter. 1901 gastierte der Komponist und Pianist Eugen d’Albert (Oper: Tiefland) nicht etwa im St. Petersburg oder in Streits Hotel, sondern im Vier Jahreszeiten.
Als der Arzt Dr. Floris vom Nebenhaus Nr. 12 sich ein Wohnhaus mit Garten im Nobelvorort Hochkamp kaufte, half ihm Friedrich Haerlin. Danach rang der Hotelier dem Arzt zuerst das Parterre und das Erdgeschoss zur Miete ab. Im Februar 1903 schaffte er es, ihn zum Verkauf zu bewegen, indem er ihm garantierte, auf zehn Jahre seine Praxisräume zu einem günstigen Mietpreis behalten zu dürfen.
Nach und nach kaufte Friedrich Haerlin die nebenstehenden Häuser auf, schlug die Wände durch und erweiterte so sein Hotel, wobei es mancherlei Hindernisse zu überwinden und viel Ärger auszuhalten galt. Seit 1934 sind keine Gebäude mehr dazugekauft oder neugebaut worden. Rund ein Drittel der heute 156 Zimmer und Suiten haben Alsterblick, zwei Drittel gehen zum Hof.
1905 eröffnete Haerlin sein Grandhotel Vier Jahreszeiten mit 57 Zimmern. Die Gäste kamen nun aus aller Welt. Und der Bruder des Kaiser, Prinz Heinrich von Preussen, war mit seiner Frau Stammgast und so begeistert, dass er Haerlin am 7. März 1909 zum „königlichen Hoflieferanten“ ernennen liess. Das Hotelrestaurant genoss ebenfalls einen guten Ruf. Reservationen zum Jahreswechsel mussten frühzeitig gemacht werden.
Als der Reeder Albert Ballin seine palastartige Villa am Rothenbaum in der Feldbrunnenstrasse bauen liess, wohnten er, seine Frau Marianne und seine Adoptivtochter im Herbst und Winter 1908/09 im Vier Jahreszeiten.
Um 1911 hatte das Grand Hotel Vier Jahreszeiten bereits 140 Wohn- und Schlafzimmer, 50 Bäder, eine Lichtsignalanlage, Vakuumreiniger und „Staatstelephon in allen Zimmern.“ Die Passagiere der ersten Klasse der Überseedampfer stiegen am Neuen Jungfernstieg ab. Das Hotelprospekt liess der Hotelier für seine internationalen Gäste in drei Sprachen drucken.
1913 begann Friedrich Haerlins jüngster Sohn Fritz seine Hotelausbildung. Er besuchte ein Jahr lang die „Ecole de Commerce“ im Schweizerischen Neuenburg. Die praktische Ausbildung erfolge im Hotel Genf, Hotel Berthold in Château d’Oex sowie im Royal Automobile Club in London.
Der Erste Weltkrieg traf das Hotel hart. Die ausländischen Gäste verliessen 1914 fluchtartig Hamburg. Der international geprägte Hotelier konnte in seinen englischen und französischen Stammgästen keine „Erbfeinde“ sehen. Er ahnte, dass seinem Haus schwere Zeiten bevorstanden.
Die Heeresverwaltung in Hamburg beschlagnahmte 1915 das Haus Neuer Jungfernstieg 14, das Friedrich Haerlin für viel Geld erworben hatte. Das Oberkommando der Küstenverteidigung wurde dort einquartiert. Das Heeresamt zahlte jährlich nur magere 10,000 Mark Mietzins. Das deckte nicht einmal die Betriebskosten.
Sein Sohn Otto wurde in Westflandern von einer Kugel am Kopf getroffen und lebensgefährlich verletzt. Am 2. November 1914 fiel der 19jährige Sohn Wilhelm für „Kaiser und Vaterland“ in Flandern. Eine Woche später erlag Otto im Lazarett seinen Verletzungen. Beide wurde in Soldatengräbern in Flandern begraben. Sohn Fritz kam mit seiner Artillerieeinheit im Dezember nach Polen an die Ostfront. Bis zum November 1915 kämpfte er gegen die Russen, danach bis Dezember 1916 an der Westfront. Danach wurde er in die Garnison Cannstadt verlegt, wo er Rekruten ausbilden musste. Mit 21 wurde er Leutnant. Das Eiserne Kreuz und das Hamburger Verdienstkreuz zierten seine Uniform. Fritz Haerlin kehrte gesund vom Krieg heim.
Zur Fortsetzung: Das Vier Jahreszeiten in der Zeit der Weimarer Republik. Siehe zudem den Artikel zum Hotelgründer Friedrich Haerlin.
Die Quelle für diesen Artikel: Sepp Ebelseder, Michael Seufert: Vier Jahreszeiten. Hinter den Kulissen eines Luxushotels. Die Hanse, Hamburg, 2002, 460 S. Erstausgabe 1999, Rowohlt. Bestellen bei Amazon.de und Amazon.com.
Das Vier Jahreszeiten in Hamburg. Photos Copyright: Raffles Hotel Vier Jahreszeiten.
Artikel vom 22. Januar 2004