Emil Nolde und seine Frau Ada kauften sich 1926 im nordfriesischen Seebüll eine Warft. Dort liessen sie sich nach eigenen Vorstellungen ein Wohnhaus und Atelier erbauen und legten einen Garten an, dessen Farbenpracht und Blütenfülle den Künstler immer wieder zu Gemälden und Aquarellen inspirierten. Heute zieht das daraus entstandene Nolde Museum Seebüll jährlich zehntausende Besucher an.
Die Kunsthistorikerin und Fotografin Magdalena Moeller (*1952) studierte Kunstgeschichte, Archäologie und ostasiatische Kunstgeschichte in Köln und Bonn sowie Künstlerische Fotografie an den Kölner Werkschulen bei Arno Jansen. Sie war unter anderem von 1988 bis 2017 Direktorin des Brücke-Museums Berlin, das eine bedeutende Expressionisten-Sammlung beherbergt. Sie legte im Februar 2025 den prächtig illustrierten Bildband Der Garten von Emil Nolde vor. Darin finden sich neben Reproduktionen von Werken von Emil Nolde historische sowie neue Fotos des Anwesens des Künstlers. Magdalena Moeller hat den Garten und ausgewählte Blumen und Stauden jeden Monat von März bis Oktober photographisch dokumentiert. Zusammen mit den Gärtnern des Nolde Museums gibt sie zudem Tipps, wie Leser sich ihr eigenes Gartenparadies nach dem Vorbild von Seebüll schaffen können.
Magdalena Moeller: Der Garten von Emil Nolde. Prestel Verlag, 2025, 176 Seiten mit 120 Farbabbildungen, gebunden, 21,0 x 26,0 cm. ISBN 978-3-7913-7777-3. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.
Christian Ring, Direktor der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, legt im Vorwort dar, dass Ada und Emil Nolde bereits zuvor an ihren früheren Wohnsitzen, ab 1903 in einem Fischerhaus auf der süddänischen Ostseeinsel Alsen sowie ab 1916 im Bauernhaus Utenwarf nahe der Nordsee, Blumengärten anlegten.
Ada und Emil Nolde verfügten testamentarisch die Öffnung des von ihnen geschaffenen Gesamtkunstwerks Seebüll für das Publikum, damit der „suchende, geistige Wanderer aus allen Landen eine bescheidene, besondere Stätte finden“ kann, „wo ihm etwas Glück u. künstlerisch-geistige Erholung gegeben wird“.
Magdalena Moeller schreibt, dass der 1867 im Dorf Nolde in Nordschleswig als sechstes Kind des Bauern Niels Hansen und dessen Ehefrau Christine geborene Emil Nolde eigentlich Hans Emil Hansen hiess und zuerst eine Laufbahn als Handwerker einschlug.
1884 begann Hans Emil Hansen eine Lehre als Schnitzer und Zeichner in der Sauermannschen Möbelfabrik in Flensburg. Es folgten Wanderjahre in München, Karlsruhe und Berlin. Von 1892 bis 1897 arbeitete er als Lehrer an der Gewerbeschule im schweizerischen St. Gallen, wo seine ersten eigenständigen Zeichnungen und Aquarelle entstanden. Dort enstand der Wunsch, freier Künstler zu werden.
Die Kunstakademie in München lehnte in ab. Daraufhin schrieb er sich als Schüler in der privaten Malschule von Friedrich Fehr ein. Im nahegelegenen Dachau gehörte er zum Schülerkreis von Adolf Hoelzel an. Im Herbst 1899 reiste er nach Paris, wo er bis Mitte des Jahres 1900 blieb. Er besuchte ein privates Künstleratelier und verbrachte viel Zeit in den Pariser Museen, vor allem im Louvre. Auf der Weltausstellung entdeckte er die Vielfalt der europäischen Malerei und begeisterte sich insbesondere für die zeitgenössische dänische Kunst, so Magdalena Moeller.
Laut der Autorin war dies Wahrscheinlich der Auslöser, nach Kopenhagen zu gehen und sich in der neu gegründeten ‚Studienschule für Künstler‘ im Atelier von Christian Zahrtmann weiter ausbilden zu lassen. Auf einer Wanderung in Nordseeland lernte er die junge Schauspielerin Ada Vilstrup kennen. 1902 heiraten die beiden. Hans Emil Hansen sah die Heirat als Neuanfang, legte seinen Geburtsnachnamen ab und nannte sich fortan nach seinem Geburtsort Nolde.
Das und natürlich noch viel mehr, so zu den frühen Gärten der Noldes, beschreibt Magdalena Moeller in ihrem Essay. Leider fehlen in Der Garten von Emil Nolde einige Worte zu Noldes Antisemitismus, zu seinen Polemiken gegen die Juden Paul Cassirer (Kunsthändler) und Max Liebermann (Maler und Präsident der Berliner Secession). 1910 sah Nolde in Liebermann einen Kunstdiktator, der nur noch altersschwachen Kitsch produziert. Nolde würde ich zubilligen, dass er die Gegenwart und Zukunft der Kunst darstellte, während dem Liebermann die Kunst der Vergangenheit, den deutschen Impressionismus, repräsentierte. Das war allerdings kein Grund, antisemitisch zu werden. Nolde wurde auf Grund seiner Polemiken aus der Berliner Secession ausgeschlossen.
1933 agitierte Emil Nolde gegen den Maler Max Pechstein, den er als vermeintlichen «Juden» beim Reichspropagandaministerium denunzierte. Im August 1933 waren Emil Noldes Hoffnungen, von der neuen nationalsozialistischen Regierung als Staatskünstler anerkannt zu werden, auf ihrem Höhepunkt. 1934 folgte Noldes Unterschrift unter den Aufruf von Kulturschaffenden, die sich zum «Führer» bekannten.
All das und noch viel mehr kommt bei Magdalena Moellers Buch zu Noldes Garten nicht vor. In einer Kurzbiografie von Nolde auf zwei Seiten vermerkt sie stattdessen, dass die Nazis Noldes Kunst ab 1933 vermehrt angriffen, dass er 1941-45 aus der «Reichskunstkammer» ausgeschlossen wurde und Berufsverbot erhielt. Das stimmt zwar auch, doch handelt es sich dabei um eine einseitige, verkürzte Darstellung.
Eine kritische Sicht zu den Themen Emil Nolde und «die Juden», zu Emil Nolde Antisemitismus sowie zu Emil Nolde und seiner Beziehung zum Nationalsozialismus bietet der Band, herausgegeben von Bernhard Fulda, Christian Ring und Aya Soika für die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin und die Nolde Stiftung Seebüll: Emil Nolde. Eine deutsche Legende. Der Künstler im Nationalsozialismus. Essay- und Bildband. Prestel Verlag, 2019, 384 Seiten, 23.5 x 3.8 x 30.6 cm. ISBN-13: 978-3791358932. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.
Die Ausführungen Magdalena Moellers und die Fotos zum Garten von Emil Nolde sind lesens- und sehenswert. Doch einige kritische Sätze zum Künstler wären nötig gewesen, um nicht dem verzerrten Noldebild, das über Jahrzehnte vorherrschte und vom Künstler und seiner Frau entscheiden mitgeprägt wurde, erneut mögliches Futter zu geben. Emil Nolde war in der Tat genial und schuf sich zusammen mit Ada in Seebüll ein kleines Paradies. Doch er war auch ein Antisemit, Nationalsozialist und Hitler-Freund, der von den Nazis allerdings als «entarteter Künstler» eingestuft, diskriminiert und mit einem Berufsverbot belegt wurde. Das Leben ist manchmal kompliziert.
Bezüglich der Garten-Fotos hat sich Magdalena Moeller viele Mühe gemacht. Sie hat jeden Monat von März bis Oktober den Garten in Seebüll sowie ausgewählte Blumen fotografiert. Diese werden in acht Kapiteln in ihrem prachtvollen Buch vorgestellt.
Zum Monat August schreibt sie unter anderem, dass die Dahlien nun in voller Blüte seien. Diese von den Spaniern im 18. Jahrhundert in Mexiko entdeckte Pflanze, nach dem schwedischen Botaniker Andreas Dahl benannt, sei so intensiv weitergezüchtet worden, dass man sie heute in 18 Gruppen einteile: So gebe es Kaktusdahlien, Balldahlien, Pompondahlien, anemonenblütige oder einfachblütige Dahlien in allen möglichen Farben ausser Blau. Ungewöhnlich an dieser Blume sei auch das abwechslungsreiche Laub, das hellgrün, blaugrün sowie bronze- oder purpurfarben sein könne. Am spektakulärsten sei jedoch die Blüte der Dahlien, die bis zum Frost andauere. Zur Pflege der Dahlie sei es nötig, bei einer Höhe von 40 cm die Triebspitzen abzuschneiden, damit die Pflanze sich buschig verzweige. Ausserdem müssten die verblühten Blüten konsequent entfernt werden, um die weitere Blütenbildung anzuregen. Im November kämen die ausgegrabenen, sehr gross gewordenen Knollen in ein trockenes und kühles Winterquartier. Vor der Neupflanzung im Juni würden sie geteilt.
So finden sich zu jedem Monat von März bis November Fotos, Infos und praktische Tipps zur Gartenpflege sowie zu ausgewählten Blumen. Gegen Ende des Buches präsentiert Magdalena Moeller zudem die 30 schönsten Blumen in Noldes Garten.
Magdalena Moeller: Der Garten von Emil Nolde. Prestel Verlag, 2025, 176 Seiten mit 120 Farbabbildungen, gebunden, 21,0 x 26,0 cm. ISBN 978-3-7913-7777-3. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.
Zitate und Teilzitate in dieser Rezension/Buchkritik sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt.
Rezension/Buchkritik vom 30. Juli 2025. Hinzugefügt um 17:22 deutscher Zeit. Korrektur um 17:32 „Der Garten von Emil Nolde“ und nicht „Im Garten von Emil Nolde.“