Albrecht Dürer (1471-1528) gehört zu den herausragenden Künstlern der Menschheitsgeschichte. Gerade hat der TASCHEN Verlag seine sämtlichen Gemälde in einem prachtvollen Band veröffentlicht. Ebenfalls 2025 erschien im Deutschen Kunstverlag ein wissenschaftlicher Katalog, der den Bestand an Zeichnungen von Albrecht Dürer und seinem Kreis aufarbeitet, die sich im Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel befinden.
Der Autor des vorliegenden Katalogs, Christian Müller, war 1985 als Bearbeiter des wissenschaftlichen Katalogs ins Kupferstichkabinett gekommen und dort von 1991 an als Konservator und bis 2015 als Leiter tätig.
Herausgegeben von der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, Kupferstichkabinett, bearbeitet von Christian Müller: Albrecht Dürer und sein Kreis. Hans Baldung Grien, Hans Schäufelin, Hans Süss von Kulmbach, Hans Springinklee, Hans Leu d. J. Beschreibender Katalog der Zeichnungen, Band III. Die Zeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts, Teil 2C. Gebundene Ausgabe, 2025, 272 Seiten mit 270 Illustrationen, 22,3 × 30 cm. ISBN: 978-3-422-80202-5. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.
Das Kupferstichkabinett des Kunstmuseums Basel besitzt insgesamt eine Sammlung von geschätzt 300’000 Werken auf Papier, unter denen sich rund 70’000 Zeichnungen befinden. Von diesen wiederum stammen 2’100 aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Im vorliegenden Band werden 105 Werke von 7 Künstlern besprochen (Albrecht Dürer inklusive).
Dem Kreis um Albrecht Dürer rechnet Christian Müller, jene Künstler zu, die in Dürers Werkstatt tätig waren oder ihm künstlerisch nahestanden: Hans Baldung Grien, Hans Schäufelin, Hans von Kulmbach, Hans Springinklee und Hans Leu d. J. Hinzu kommt noch der »Pseudo-Leu«, ein anonymer Künstler, der um 1490 vielleicht in Basel geboren wurde. Zwischen 1507 und 1510 war er auf Wanderschaft und hielt sich vermutlich in der Werkstatt Hans Baldung Griens in Strassburg auf. Um 1515 war er vielleicht bei Hans Leu d. J. in Zürich tätig. Sein Todesjahr ist unbekannt.
Wesentliche Teile der Altmeisterzeichnungen des Kupferstichkabinetts des Kunstmuseums Basel gehen auf die Sammlung des Basler Juristen Basilius Amerbach (1533–1591) zurück, die die Stadt Basel 1661 von den Erben Amerbachs erworben hat. Das gilt auch für viele der im vorliegenden Band besprochenen Werke von Albrecht Dürer und seinem Kreis.
Zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und Publikation der Bestände des Kunstmuseums Basel wurde 1966 eigens die Stelle eines «Bearbeiters des wissenschaftlichen Katalogs der Altmeisterzeichnungen» eingerichtet. So hat Christian Müller bereits 1996 einen Band mit den Zeichnungen von Ambrosius und Hans Holbein d. J. als Teil 2A und 2001 mit den Zeichnungen von Urs Graf als Teil 2B der vorliegenden Reihe vorgelegt. Doch selbst mit dem nun vorliegenden Band zu Dürer und seinem Umkreis sind noch nicht einmal die Zeichnungen des 16. Jahrhunderts im Kupferstichkabinett vollständig bearbeitet.
Elena Filipovic, die Direktorin des Kunstmuseum Basel, und Anita Haldemann, die Stellvertretende Direktorin und Leiterin des Kupferstichkabinett, heben in ihrem Katalogvorwort bekannte Meisterwerke hervor, die im vorliegenden Band abgebildet sind. Zu ihnen gehören Albrecht Dürers Affentanz (Kat. 7) und Hans Baldung Griens Jugendliches Selbstbildnis (Kat. 16). Beide Zeichnungen stammen aus dem Amerbach-Kabinett.
Das Kupferstichkabinett besitzt zudem die sogenannten Terenz-Holzstöcke: über 120 Holzstöcke mit Federzeichnungen, die als Vorzeichnungen für Holzschnitt-Illustrationen dienen sollten (Kat. 1). Sie werden dem jungen Albrecht Dürer zugeschrieben und spielen eine zentrale Rolle bei der vieldiskutierten Rekonstruktion seines in Basel entstandenen Frühwerks. Laut dem Vorwort, aus dem alle diese Angaben stammen, werden diese Zeichnungen erstmals seit 1926/27 vollständig abgebildet und in ihrer Gesamtheit gewürdigt.
Die Zeichnungsgruppe eines am Oberrhein tätigen anonymen Meisters im Umfeld von Hans Baldung Grien, bei dem es sich um den oben erwähnten »Pseudo-Leu« handelt, wird erstmals vollständig behandelt.
Hinzu kommen neue Zuschreibungen. Zu diesen gehört die Zeichnung Kniende Stifterin (Schwarze Kreide, auf feingeripptem Papier 29,3 × 20,8 cm), die lange Hans Schäufelin zugewiesen wurde, von Christian Müller jetzt jedoch neu als Werk von Hans Baldung Grien (um 1484/85-1545) vorgestellt wird (Kat. 25).
Hier einige der Angaben zur Neuzuschreibung der Knienden Stifterin durch Christian Müller. Ein einleuchtendes Argument dafür, die Zeichnungen einer Stifterin in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe sowie im Basler Kupferstichkabinett Hans Schäufelin (um 1482/83-1539/40) abzuschreiben und wieder Hans Baldung Grien als Zeichner in Betracht zu ziehen, habe 1977 der Mediziner und Kunstsammler Richard Jung geliefert. Dieser verwies auf die Rechtshändigkeit der beiden Zeichner, was vor allem fassbar in der Ausrichtung der Schraffuren sei; Schäufelin hingegen war Linkshänder. Für Baldung sprächen darüber hinaus stilistische Kriterien.
Die frühere Zuschreibung an Schäufelin ging unter anderem auf eine ehemals in Bremen befindliche Kreidezeichnung einer hl. Anna selbdritt, die signiert und 1511 datiert ist, zurück. Sie macht jedoch laut Christian Müller eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten deutlich. Die Basler Stifterin weist ruhigere Umrisse auf, zeigt markantere Unterscheidungen zwischen beleuchteten und verschatteten Gewandpartien und zeichnet sich insgesamt durch eine grössere Abstraktheit aus. Hinzu kommen die grossen Augen, die einen durchaus forschen, von ›innerem Feuer‹ geprägten Blick aufweisen, den man bei Werken Baldungs häufiger feststellen könne. Mit der Basler Zeichnung vergleichbare Stifterinnen fänden sich zum Beispiel auf Baldungs sogenannter Markgrafentafel in der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe von etwa 1510 und auf Baldungs Tafel mit der Dreifaltigkeit, Gottvater, Christus und Maria in der National Gallery in London von 1512. Laut Christian Müller mit der Basler Zeichnung vergleichbar erscheinen Augenbildung, Parallelschraffuren und Beleuchtung der Stifterinnen auf Baldungs Scheibenriss im Victoria and Albert Museum London, doch handelt es sich dabei um eine Federzeichnung. Für die Basler Stifterin scheint laut Christian Müller eine Datierung um 1512/15, in die späten Strassburger oder frühen Freiburger Jahre, vorstellbar.
Diese wenigen Angaben aus dem wissenschaftlichen Katalog Albrecht Dürer und sein Kreis machen klar, der vorliegende Band richtet sich vor allem an Spezialisten, Sammler und andere Kunstbegeisterte, die ihr Wissen vertieften möchten.
Die 105 Katalogeinträge liefern Angaben zum jeweiligen Künstler bzw. zu Zuschreibungen, zum Sujet, zum Stil, zur Technik, zu Materialien, zur einschlägigen Literatur, zur Provenienz und mehr. Kurzbiografien der sieben vorgestellten Künstler, Abbildungen der Wasserzeichen und eine Bibliographie runden den Band ab, der die Frucht jahrzehntelanger Forschung ist, wobei Christian Müller unter anderem Unterstüzung durch die Kolleginnen der Papierrestaurierung, namentlich Caroline Wyss Illgen, Chantal Schwendener und Annegret Seger erhielt, die materialtechnische Analysen durchgeführt und zusammen mit dem wissenschaftlichen Photographen Max Ehrengruber die Wasserzeichen untersucht haben.
Herausgegeben von der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, Kupferstichkabinett, bearbeitet von Christian Müller: Albrecht Dürer und sein Kreis. Hans Baldung Grien, Hans Schäufelin, Hans Süss von Kulmbach, Hans Springinklee, Hans Leu d. J. Beschreibender Katalog der Zeichnungen, Band III. Die Zeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts, Teil 2C. Gebundene Ausgabe, 2025, 272 Seiten mit 270 Illustrationen, 22,3 × 30 cm. ISBN: 978-3-422-80202-5. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Buch bestellen bei Amazon.de.

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Rezension/Buchkritik von Albrecht Dürer und sein Kreis vom 12. Dezember 2025. Hinzugefügt um 20:24 deutscher Zeit.