Emil Nolde – In Glut und Farbe

Jan 27, 2014 at 00:00 972

Katalog und Ausstellung im Unteren Belvedere in Wien

Noch bis am 2. Februar 2014 dauert die Ausstellung Emil Nolde – In Glut und Farbe in der Österreichischen Galerie im Belvedere (Amazon.de). Es sind Werke aus allen Schaffensphasen des Künstlers Emil Nolde (1867-1956) zu sehen, der am 7. August 1878 als Hans Emil Hansen im Dorf Nolde bei Tondern im deutsch-dänischen Grenzgebiet geboren wurde. Der Katalog zur Ausstellung im Unteren Belvedere in Wien vereint acht Beiträge von fünf Autoren.

Das Untere Belvedere wurde 1712 bis 1716 vom Architekten Johann Lucas von Hildebrandt für Prinz Eugen erbaut. Bereits 1922 kaufte der damalige Direktor der Österreichischen Galerie im Belvedere Noldes Hauptwerk Joseph erzählt seine Träume an. Zudem besitzt das Museum Werke von Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und anderen Malern des Expressionismus. Daher macht es Sinn, hier eine umfassende Emil Nolde – Retrospektive auszurichten.

Die Wiener Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit der Nolde Stiftung Seebüll. 1926 erwarb das Ehepaar Nolde eine unbebaute Warft in Seebüll und errichtete dort ein Backsteinhaus mit Atelier. Nach dem Tod von Emil Nolde im Jahr 1956 wurde das Haus von der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde in ein Museum umgewandelt, das eine Reise wert ist. Seit 1996 stehen das von der Bauhausarchitektur inspirierte Haus sowie der dazugehörige Garten unter Denkmalschutz.

Im Unteren Belvedere wird in der Ausstellung Emil Nolde – In Glut und Farbe der Bogen gespannt von vom Impressionismus beeinflussten Frühwerken über biblische und Legendenbilder und in der Südsee gemalte Pastelle bis hin zu den Ungemalten Bildern, die während der Nazizeit entstanden. Druckgrafiken des Künstlers sowie ausgewählte Arbeiten von österreichischen Malern wie Oskar Kokoschka, Werner Berg und Max Weiler, die durch Nolde inspiriert wurden, runden die Retrospektive ab.

Biografie von Emil Nolde

Emil Nolde wuchs auf dem elterlichen Bauernhof auf. Nach einer Ausbildung zum Holdbildhauer in Flensburg und Wanderjahren als Möbeltischler arbeitete er als Fachlehrer für gewerbliches Zeichnen am St. Galler Industrie- und Gewerbemuseum. Dank dem finanziellen Erfolg einer Postkartenserie, in der er Bergen menschliche Züge verlieh, konnte er 1897 seine Lehrstelle in der Schweiz aufgeben und sich ganz seiner Kunst widmen.

1898 begann er bei Friedrich Fehr in München zu studieren, wechselte aber schon bald zu Adolf Hölzel und den Malern der Dachauer Schule. Dort analysierte er die Komposition grosser Meister und die Reduktion der Werke auf ihre wesentlichen Elemente, was ihn zur Verdichtung auf wenige grosse Flächen führte.

Über die Beschäftigung mit den Werken von Leibl, Marées, Böcklin und en Besuch der Hölzel-Schule kam er zuerst zu einer dunkeltonigen Gestaltungsweise. 1900 verbrachte er einige Monate in Paris, wo er mit dem französischen Impressionismus in Kontakt kam, was zu einer Aufhellung seiner Farbpalette führte. Seine Werke wurden zudem bunter und frischer. Ausgehend von Munch beschäftige er sich mit den Expressionisten und den Fauves. Seine Werke wurden dadurch spontaner, freier, enthemmter. Nach 20 Monaten als Mitglied der Brücke trat er der Berliner Secession bei, von denen er sich später mit anderen Künstlern abspaltete um 1910 die Neue Secession mit zu gründen.

Erst um 1911-12 fand Emil Nolde zu seinem eigenen Stil. 1907 malte er nach Gartenbilder im Stil des Impressionismus, 1910 religiöse Bilder, um 1911-12 zu seiner leuchtenden Malweise mit volltönenden Farbflächen zu finden. Groteske Phantasiewesen, ekstatische Tänzerinnen und Eindrücke vom Berliner Nachtleben inspirierten ihn ebenso wie Bibelszenen, christliche Legenden, die Landschaft seiner Heimat Nordschleswig und die Meeresstimmungen der Ost- und Nordsee. Die Suche dem dem ursprünglichen führte ihn auf Reisen bis nach Neuguinea. Seine Werke entwickelte er nun immer stärker von der den Farben innewohnenden Kraft her. Seine Vorstellungskraft und sein Empfinden rückten in den Mittelpunkt. Nach dem am 23. August 1941 von den Nazis über ihn verhängen Malerverbot entstanden die Ungemalten Bilder, die er ihm Geheimen schuf. Von 1938 bis 1945 schuf Emil Nolde über 1300 kleinformatige Aquarelle und Gouachen, von denen rund 50 Blätter im Unteren Belvedere zu bewundern sind.

Nolde und die Nazis

Als Ergänzung zum Ausstellungskatalog zu empfehlen ist die Nolde-Biographie von Kirsten Jüngling (Emil Nolde. Die Farben sind meine Noten. Biographie. Propyläen Verlag, September 2013, 352 Seiten.  Amazon.de). Sie leistet einen substantiellen Beitrag zur neuen, umfassenden Belechtung von Leben und Werk des Künstlers und beschönigt insbesondere dessen nazifreundliche Haltung nicht.

Im Juni 1937 begann die Beschlagnahmung „entarteter Kunst“. Von den rund 21,000 betroffenen Werken stammten 1052 Arbeiten von Emil Nolde! In der berühmt-berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ hingen 29 seiner Bilder. Dabei war er ein bekennender Nationalsozialist mit guten Beziehungen zu Nazis. Zu seinen Berliner Bekanntschaften gehörte Ilse Göring, die Schwägerin und Nichte des Generalfeldmarschalls Hermann Göring, der 1933 gar ein Nolde-Bild in seinem Ministerium hängen gehabt haben soll. Stephan Koja schreibt im Belvedere-Ausstellungskatalog, dass Propagandaminister Josef Goebbels den Künstler schätzte und gar einige Nolde-Aquarelle in seiner Wohnung hängen hatte. Diese liess er erst entfernen, als Hitler bei einem Besuch sein Missfallen dazu äusserte. Erst nach den Olympischen Spielen 1936 änderte sich der Ton gegenüber den Expressionisten fundamental. Noch 1934 hatte Goebbels dafür gesorgt, dass im Völkischen Beobachter ein Aufruf von 34 Künstlern zur Unterstützung Hitlers publiziert wurde. Unter den Unterzeichnern findet man unter anderen die Namen von Emil Nolde, Ernst Barlach, Erich Heckel und Ludwig Mies van der Rohe.

Trotz des Nazi-Bannes ging es Emil Nolde finanziell gut. Kirsten Jüngling schreibt, dass der Künstler im Jahr 1936 auf 1937 sein Einkommen aus Bilderverkäufen auf 52,354 Reichsmark verdoppelte, und das im Jahr der Ausstellung Entarteter Kunst in München! 1938 verdiente er nur noch 15,337 Reichsmark, doch 1939 waren es schon wieder 32,048 Reichsmark, 1940 sogar 52,151 Reichsmark. 1941 fiel die Summe auf 29,694 Reichsmark und 1942 gar auf 5,643 Reichsmark, des Resultat des Ausschlusses aus der Kulturkammer der bildenden Künste. Nolde war auch gezwungen, viele Werke bei Freunden und Vertrauensleuten zu verstecken. Dennoch blieb er ein unbelehrbarer Nazi.

Im November 1933 schrieb Nolde seinem Schweizer Freund Hans Fehr von seiner Teilnahme an einem Abendessen zum zehnten Jahrestag des Hitler-Putsches von 1923. Nolde war Ehrengast von Heinrich Himmler und lobte in seinem Brief an Fehr den Führer als „gross und edel“ sowie als „genialen Tatenmensch“. Im Dezember 1938 schrieb Nolde in einem 6seitigen Typoskript von seinem Kampf „gegen die Überfremdung der deutschen Kunst… und gegen die übergrosse jüdische Vorherrschaft in allem Künstlerischen…“. Er glaubte noch immer an den „grossen deutschen Führer Adolf Hitler“.

Der seit September 2013 amtierende, neue Direktor der Nolde-Stiftung in Seebüll will die unrühmliche Seite der Geschichte Noldes lückenlos aufarbeiten. In der Vergangenheit hat die Nolde-Stiftung ja das Gegenteil gemacht und versucht, diese zu verschleiern, zu schönen, ja zu fälschen. Emil Nolde wurde nur noch als Opfer der Nazis dargestellt.

Trotz dem Faktum, dass Nolde ein früher Nazi und Antisemit war und unbelehrbar blieb, selbst nach der Ächtung seiner Kunst durch das nationalsozialistische Regime, bleibt seine Kunst ein Gewinn für die Nachwelt.

Emil Nolde – In Glut und Farbe. Hirmer Verlag, Oktober 2013, 312 Seiten. Den Katalog zur Ausstellung im Belvedere bestellen bei Amazon.de. Bücher zu Emil Nolde bei Amazon.de. Books about Emil Nolde from Amazon.com.