Erich Heckel: Werkverzeichnis der Druckgraphik

Aug 12, 2024 at 11:32 295

Der deutsche Expressionist Erich Heckel (1883-1970) war als Mitglied der Künstlervereinigung Die Brücke aus Dresden, die nur von 1905 bis 1913 existierte, beteiligt an einer Revolution der Kunst.

Neben dem 2017 erschienen Werkverzeichnis seiner Gemälde, Wandbilder und Skulpturen erschien zudem, ebenfalls im Hirmer Verlag, 2021 ein neues, dreibändiges Werkverzeichnis seiner Druckgraphik. Dieses ersetzt den zweibändigen, vergriffenen Katalog der Druckgraphik Erich Heckels von Annemarie und Wolf-Dieter Dube, der 1964 im Verlag von Ernest Rathenau New York erschienen und zehn Jahre später durch einen schmalen Nachtragsband ergänzt worden war. Die Pioniertat des ersten Catalogue raisonné ist veraltet, sowohl was den Inhalt, als auch die Abbildungen einzelner Werke betrifft, so der Herausgeber des Werkverzeichnisses aus dem Jahr 2021, Hans Geissler.

Der komplexen Thematik von Früh- und Spätdrucken bei der frühen Graphik Erich Heckels wurde in jedem Einzelfall nachgegangen, sofern die Möglichkeit bestand, die Originale oder zumindest originalgetreue Abbildungen in Augenschein zu nehmen. Weitere Prioritäten waren die Zuordnung der Motive zu biographischen Gegebenheiten, woraus sich ihre Chronologie innerhalb des jeweiligen Jahres ergab, ferner auf Querverbindungen zum malerischen Werk hinzuweisen und da, wo es sich anbot, das Verzeichnis durch ikonographische Erläuterungen und inhaltliche Kommentare anzureichern.

Ebenfalls im Vorwort des Herausgebers erfährt der Leser, dass das Museum Folkwang in Essen 1964 unter seinem Leiter Paul Vogt von der gesamten im Besitz des Künstlers verbliebenen Druckgraphik je einen Abzug erwarb. Die in den folgenden Jahren entstandenen Graphiken und die erhaltenen Druckstöcke sowie Radierplatten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg kamen später als Schenkung hinzu. Die Autoren des vorliegenden Werkverzeichnisses der Druckgraphik konnten die dortigen Bestände Stück für Stück durchsehen sowie die originalen Druckstöcke mit den darauf erhaltenen Notizen Heckels betrachten. Tobias Burg, der Leiter der graphischen Sammlung im Museum Folkwang liess aus Anlass des neuen Werkverzeichnisses den Erich Heckel Bestand neu fotografieren und stellte diese Bilddateien für den Druck zur Verfügung.

Herausgegeben von der Erich-Heckel-Stiftung, mit Beiträgen von Renate Ebner, Andreas Gabelmann, Hans Geissler: Erich Heckel: Verzeichnis der Druckgraphik. Band 1: 1903 bis 1913; Band 2: 1914 bis 1968; Band 3: Texte, Materialien, Bildindex. Hirmer Verlag, September 2021, 3 Bände mit insgesamt 980 Seiten mit 1322 Abbildungen in Farbe. 24 x 29,5 cm, gebunden. Die 3 Bände bestellen (Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei gleichem Preis) bei Amazon.de.

Im Vorwort des Herausgebers Hans Geissler zu Band I: Erich Heckel. Werkverzeichnis der Druckgraphik 1903-1913 ist zudem zu lesen, dass das dreibändige Werkverzeichnis unter anderem von Renate Ebner erarbeitet wurde. Die Kunsthistorikerin war bei Erscheinen des Werkverzeichnisses seit 16 Jahren an der Verwaltung des Nachlasses von Erich Heckel beteiligt und daher prädestiniert, die durch diese Arbeit gewonnene Kompetenz in die Erarbeitung eines neuen Catalogue raisonné des graphischen Werkes einzubringen. Zudem beteiligt war der Kunsthistoriker Andreas Gabelmann, ein Experte für den deutschen Expressionismus und insbesondere die Kunst der »Brücke«.

Das druckgraphische Schaffen der »Brücke«-Künstler ist ergiebig und zugleich unübersichtlich. Das programmatisch Unkonventionelle, Spontaneität und handwerkliche Neugier Vereinende ihrer Arbeitsweise während der äusserst produktiven Sturm-und-Drang-Phase ihres Frühwerks, mit der sie Kunstgeschichte geschrieben haben, aber auch die Wandlungen, die sich aus ihrer jeweiligen persönlichen Entwicklung wie auch ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ergaben, machen eine adäquate Bestandsaufnahme zu einem äusserst komplexen Unterfangen, so der Herausgeber.

Der Dube-Katalog folgte gesondert jeder der drei druckgraphischen Techniken (Radierungen, Lithographien, Holz- und Linolschnitte) durch die Jahre und trennte Verzeichnis und Abbildungsteil. Dieses neue, umfassendere Werkverzeichnis hingegen folgt der stilistischen wie motivischen Entwicklung, indem alle jeweils im selben Jahr entstandenen Werke mit Bild und Text im Zusammenhang erfasst werden.

Das neue, dreibändige Werkverzeichnis enthält die druckgraphischen Arbeiten von Erich Heckel, die im Schaffenszeitraum von 1903 bis 1968 entstanden sind. Unter den insgesamt 1086 Werken sind 484 Holzschnitte, 403 Lithographien und 199 Radierungen.

Band I umfasst die Werke von den Anfängen bis zum Ende der »Brücke«-Zeit (1903 bis 1913), Band II die Werke vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zum letzten Schaffensjahr (1914 bis 1968). Die Angaben von Dube wurden kritisch überprüft und konnten durch neue Forschungsergebnisse korrigiert, ergänzt und erweitert werden. So sind seit 1974 insgesamt 24 Werke hinzugekommen.

Band III enthält Essays von Andreas Gabelmann zum druckgraphischen Werk von 1903 bis 1933, von Renate Ebner und Andreas Gabelmann zu den Holzschnitt-Folgen, von Hans Geissler zum Spätwerk und zu den Jahresblättern, einen Bildindex, Informationen zur Konkordanz zum Werkverzeichnis von Dube, von Renate Ebner eine Biographie von Erich Heckel. Hinzu kommen Zitate von Erich Heckel zur Druckgraphik sowie ein Ausstellungsverzeichnis, eine Literaturliste und mehr.

Unter den Zitaten von Erich Heckel zur Druckgraphik finden sich zum Beispiel Aussagen zum Holzschnitt der Brücke-Zeit:

»Uns kam es überhaupt nicht darauf an, daß der Holzschnitt so aussehen sollte wie
eine Zeichnung oder wie ein Bild, sondern das Brett, das man vor sich hatte und das
man schwarz einfärbte, das war sozusagen unser Endziel. Das Bearbeiten des Brettes erscheint mir als so selbstverständlich, daß ich mich gar nicht darüber wundern
kann, daß wir so angefangen haben und den Holzschnitt in dieser Form weiterent-
wickelten. Das kam einfach aus dem Material, aus dem Holz und dem Messer und
was man sonst noch dazu verwendet hat. […] Ich schnitt oft quer zur Faser und hob
das Holz heraus, so daß sich nicht eine mechanische, gleichmäßige Aushöhlung des
Holzes ergab, sondern eine wirkliche, lebendige Auseinandersetzung mit der Holz
faser. Ebenso haben wir die verschiedensten Hölzer verwendet, da sie dem Messer unterschiedlichen Widerstand entgegensetzen. Man hat es auch mit einer ganz
anderen Maserung zu tun, wenn man beispielsweise in Eichenholz schneidet, das
furchtbar hart ist. Bei dieser Maserung gibt es die eigentümlichen kleinen Narben,
die dann als kleine helle Punkte mitdrucken. […] Diese Auseinandersetzung mit dem
Holz bildete meiner Ansicht nach den Ausgangspunkt für den expressionistischen
Holzschnitt.«

Zur Lithographie sagte Erich Heckel unter anderem: »Die Lithographie haben wir anderen erstmals 1907 erprobt, während Schmidt-Rottluff schon vorher eine Reihe von Lithos gemacht hat, die er aber in einer lithographischen Anstalt drucken ließ. Dadurch lernten wir überhaupt die Grundregeln des Druckens von lithographischen Steinen kennen. Bis 1907 haben wir Holzschnitte und Radierungen gemacht.«

»Wir besaßen anfänglich nur einen einzigen Lithostein, den wir von irgendeiner
Druckerei bekommen hatten. Auf diesem Stein haben Kirchner und ich abwechselnd
Versuche unternommen, bei denen – was mir ganz selbstverständlich erscheint –
Dinge herauskamen, die vom üblichen Verfahren abwichen. Wir haben die neuen
technischen Möglichkeiten nicht unbedingt gesucht, sondern sie ergaben sich aus
der Bearbeitung des Steins.«

In einem Satz: Dieses dreibändige Werkverzeichnis der Druckgraphik von Erich Heckel ist ein Muss für Forscher, Händler, Sammler und Kunstliebhaber.

Herausgegeben von der Erich-Heckel-Stiftung, mit Beiträgen von Renate Ebner, Andreas Gabelmann, Hans Geissler: Erich Heckel: Verzeichnis der Druckgraphik. Band 1: 1903 bis 1913; Band 2: 1914 bis 1968; Band 3: Texte, Materialien, Bildindex. Hirmer Verlag, September 2021, 3 Bände mit insgesamt 980 Seiten mit 1322 Abbildungen in Farbe. 24 x 29,5 cm, gebunden. Die 3 Bände bestellen (Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei gleichem Preis) bei Amazon.de.

Siehe auch den Artikel Erich Heckel: Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen.

Zitate und Teilzitate in dieser Buchkritik / Rezension der Ausstellung sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Rezension / Buchkritik hinzugefügt am 12. August 2024 um 11:32 deutscher Zeit.