Ewald Mataré. Das plastische Werk

Apr 01, 2025 at 10:01 89

Ewald Mataré (1887–1965) verstarb am 29. März vor 60 Jahren. Er gehört zu den bedeutendsten Bildhauern seiner Generation in Deutschland. Mit dem Ziel, Malerei zu studieren, besuchte er zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Kunsthochschule in Berlin, bevor er Anfang der 1920er-Jahre zur Plastik fand. Seine Arbeiten waren geprägt durch abstrakte Formen und eine Vorliebe für kostbare Holzarten. In den beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg fand sein Werk internationale Anerkennung. Zudem wurde er von der britischen Militärregierung bereits 1945 als Professor an die Staatliche Akademie Düsseldorf zurückberufen. Er wurde gar Direktor, doch seine Reformvorschläge stiessen auf Ablehnung. Nach wenigen Monaten trat er noch in jenem Jahr als Akademiedirektor zurück. Er blieb dort jedoch weiterhin Lehrer. Zu seinen Schülern gehörte ein gewisser Joseph Beuys, der danach künstlerisch allerdings einen anderen Weg ging.

Matarés Tierplastiken sind bis heute Publikumslieblinge in bedeutenden Museen. Zahlreiche öffentliche Aufträge wie beispielsweise die Türen für die Friedenskirche in Hiroshima oder die Bronzetüren für das Südportal des Kölner Doms festigten in der Nachkriegszeit seinen Ruhm.

Der Ewald Mataré-Catalogue raisonné des plastischen Werks erschien erstmals 1987 (zweite Auflage 1994) anlässlich des 100. Geburtstages des Künstlers im Zusammenhang mit einer umfassenden Ausstellung seines bildhauerischen Werks. In Zusammenarbeit mit Guido de Werd legte die Autorin des ursprünglichen Werkkatalogs, die Kunsthistorikerin Sabine Maja Schilling, im Dezember 2024 eine überarbeitete und ergänzte Neuauflage des Standardwerks vor, das mit zumeist neuen und grossformatigen Abbildungen und neu 645 statt der bisherigen 589 Positionen eine deutliche Verbesserung bringt. Die Texte stammen von Harald Kunde, Wilfried Röth, Sabine Maja Schilling und Guido de Werd. Neben den abgebildeten Kunstwerken dokumentieren viele weitere Fotos das Leben des Künstlers.

Herausgegeben im Auftrag des Freundeskreises des Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. von Sabine Maja Schilling und Guido de Werd: Ewald Mataré. Das plastische Werk. Wienand Verlag, Dezember 2024, gebundene Ausgabe, 24.4 x 10.2 x 30.4 cm, 864 Seiten. ISBN-10: ‎ 3868323783. ISBN-13: ‎ 978-3868323788. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Werkverzeichnis in zwei Bänden bestellen bei Amazon.de.

Guido de Werd präsentiert in einem Essay Ewald Mataré als einen aus einer gutbürgerlichen und wohlhabenden Familie stammenden Aussenseiter der Moderne, der nach vierzehn Jahren Studium der Malerei erst mit Anfang Dreissig seine Berufung als Bildhauer fand. Sabine Maja Schilling befasst sich in einem Beitrag mit der Nazi-Aktion „Entartete Kunst“ und ihren Auswirkungen auf das Werk von Ewald Mataré. Guido de Werd analysiert in einem weiteren Katalogessay die Arbeitsstätten des Künstlers in den Dünen und im Atelierhaus. Sabine Maja Schilling steuert zudem eine biografische Dokumentation zu Ewald Mataré im Werkverzeichnis bei.

Wilfried Röth, der Vorsitzende des Freundeskreises des Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. erläutert in seinem Geleitwort, dass der gebürtige Aachener Ewald Mataré von 1907 bis 1932 in Berlin lebte, studierte und arbeitete, unterbrochen in den Sommermonaten von langen Arbeitsaufenthalten an der Nord- und Ostsee. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und bis der „Machtergreifung“ – die Nazis kamen 1933 legal, als Teil einer Koalition, an die Macht, um danach, in kurzer Zeit, eine Diktatur zu errichten – schuf der Künstler ein reiches bildhauerisches Werk. Laut Wilfried Röth zeichnete sich dieses plastische Werk durch Ernsthaftigkeit, vornehme Stille, Reduzierung auf das Elementare und damit Vereinfachung der Form aus.

1932 wurde Ewald Mataré als Lehrer an die Düsseldorfer Kunstakademie berufen und kehrte deshalb ins Rheinland zurück. Er liess sich im linksrheinischen Büderich nieder, wo er bis zu seinem Tod 1965 wohnhaft blieb. Bereits im Juli 1933 wurde Ewald Mataré aus dem Staatsdienst entlassen und gehörte danach zu den im Dritten Reich verfemten Künstlern. Seine Werke wurden aus den deutschen Museen entfernt und Teile davon 1937 in München in der Ausstellung Entartete Kunst gezeigt.

Matarés bedeutendster Auftrag in den 1930er Jahren war jener für das Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs in Kleve, das 1934 eingeweiht wurde. Er stand damals noch nicht unter Arbeits- und Ausstellungsverbot. Wilfried Röth erinnert daran, dass dieses Werk, die Skulptur des „Toten Kriegers“, im gesamten Nazi-Reich Widerspruch hervorrief und schliesslich unter dem Einfluss der Aktion Entartete Kunst 1938 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion entfernt und zerstört wurde.

Nach dem Tod der Tochter des Künstlers, Sonja Mataré (1926-2020), gelangten als ihr Vermächtnis und als Schenkung ihres Erben Guido de Werd rund 1200 Arbeiten von Ewald Mataré in die Sammlung des Freundeskreises und des Museums, das sich im ehemaligen Kurhaus in Kleve befindet.

Zum bildnerischen Werk von Ewald Mataré gehören nicht nur Skulpturen, vor allem von Tieren, und die eingangs erwähnten Türen in Hiroshima und Köln, sondern zudem kunstgewerbliche und architekturbezogene Arbeiten bis hin zu Brunnen-, Fassaden-, Fenster- und Grabmalgestaltungen, wie der Direktor des Museums Kurhaus Kleve, Harald Kunde, in seinem Katalog-Vorwort erläutert.

In der biografischen Dokumentation schreibt Sabine Maja Schilling u.a., dass die Familie Mataré ursprünglich aus der katalanischen Hafenstadt Mataró bei Barcelona stammt. Ewalds Vater, Franz Mataré, war kaufmännischer Leiter und Direktor einer chemischen Fabrik bei Aachen. Ewalds Mutter, Elisabeth Mataré, geborene Dohlen, weckte mit ihren Collagen das Interesse von zweien ihrer drei Söhne an Kunst. Der sieben Jahre ältere Bruder Josef Mataré (1880-1966), der u.a. 1905 und 1906 bei Lovis Corinth studierte, wird durch Stillleben und altmeisterliche Portraits bekannt und dient Ewald als Vorbild.

Bereits während der letzten Jahre seiner Schulzeit nimmt Ewald ab 1905 Privatunterricht beim Maler Karl Krauss (1859-1906), der Professor an der Technischen Hochschule in Aachen Dozent für Modellieren und Bossieren und ein Vertreter des Historismus ist. Nach dem frühen Tod des Professors wechselte er zu Eugène Klinckenberg (1858-1942), dem Leiter der Mal- und Zeichenklasse der Städtischen Kunstgewerbeschule Aachen. Ewald macht der Bekanntschaft mit dem niederländischen und französischen Impressionismus.

1907 verlässt Ewald Mataré mit 20 Jahren das Elternhaus und zieht nach Berlin, wo er an der Königlich akademischen Hochschule für die bildenden Künste bis 1916 studiert, u.a. Hugo Herwardt in der Perspektivklasse und bei Julius Ehrentraut in der Zeichenklasse. Laut Sabine Maja Schilling lehrte Hugo Herwardt zuvor an der Königlichen Bau-Akademie, spezialisiert auf die Fachbereiche Darstellende Geometrie und Dekorative Architektur. Julius Ehrentraut wiederum unterrichtet an der von Mataré besuchten Königlich akademischen Hochschule für die bildenden Künste Antiken- und Figurenzeichnen und steht ganz in der Tradition der niederländischen Genremalerei. Von ihm lernt Mataré ein sicheres Zeichnen und die Fähigkeit, Charaktereigenschaften sicher wiederzugeben.

Laut Sabine Maja Schilling bildet Aktmalerei – neben Portraits und christlichen Themen – den Hauptschwerpunkt der Ausbildung. Ein weiterer Lehrer von Mataré an der Akademie ist 1915 und 1916 Raffael Schuster-Woldan. Er stammt aus Bayern und lehrt Komposition. Er ist spezialisiert auf antik-mythologische Szenen und Landschaftsmalerei. Zwei Jahrzehnte später werden Adolf Hitler und Hermann Göring bei ihm Gemälde erwerben bzw. in Auftrag geben. Ewald Mataré notiert 1923 in seinem Tagebuch, dass er sich von Schuster-Woldan „nicht angemessen betreut“ gefühlt hatte. Er schreibt: „Wieviel kann doch eine gute Hand helfen, wenn sie rechtzeitig eingreift, hätte ich 1915-16, wo ich eigentlich begann, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, einen Lehrer gehabt, der mich unterstützt hätte, der mich anstelle, wie es geschah durch Schuster-Woldan, nicht ständig zum Weichen hinzudrängen versuchte, mich zum Harten, wie ich es anstrebte, ermuntert, mir wäre viel erspart geblieben, ich fühlte mich seinerzeit einfach gegen den Strom schwimmend, in dem Gefühl, doch das Ufer zu erreichen.“

Farbtechnik erlent Ewald bei den Lehrkräften Albert Wirth und Ernst Täuber; Anatomiestudien sowie den Aufbau von Stillleben bei Maximilian Schiefer; Kunstgeschichte bei Georg Galland; Portrait bei Georg Ludwig Meyn. Obwohl es zahlreiche Angebote zu einer Fortsetzung seiner Bildhauerausbildung gibt, die er bei Karl Krauss in Aachen begonnen hatte, nimmt Mataré sie nicht wahr.

Um 1914 nimmt Ewald zusätzlich zum Hochschulstudium privaten Unterricht bei Lovis Corinth. Doch bereits nach einem halben Jahr löst sich der angehende Künstler von Corinth, da er laut Sabine Maja Schilling von Studium her ein konservatives Kunstverständnis gewohnt gewesen sei.

Da Ewald Mataré von 1915 an über 50 Jahr lang Tagebücher führte, sind wir über seine Gedanken zur Kunst, sein Ringen um jede Arbeit und seine zahlreichen Alltagsprobleme bestens informiert. Hinzu kommen in den 1920er Jahren seine Briefwechsel mit der Gesangsstudentin Hanna Hasenbäumer (1891-1983), seiner späteren Ehefrau.

Ab Oktober 1916 wird Ewald Mataré Meisterschüler des 1912 geadelten Arthur Kampf, der eine konservative Historienmalerei vertritt und 1944 von Adolf Hitler als nur einer von vier Malern in die „Gottbegnadeten“-Liste des Reichsministeriums für Propaganda aufgenommen wird.

Während des Ersten Weltkrieg wird Ewald Mataré mehrfach zum Militärdienst einberufen, doch 1916 als „unbrauchbar“ zurückgeschickt.

1918 wurde in Berlin die revolutionäre Künstlervereinigung Novembergruppe gegründet. Zu den rund 140 Mitgliedern gehörten zum Beispiel Max Pechstein, Otto Mueller und der Architekt Mies van der Rohe, mit dem Ewald Mataré eine Jugendfreundschaft aus Aachen verband. Von Ewald selbst ist belegt, dass er im Februar 1919 aktiv an einem Treffen der Künstlervereinigung mitdiskutierte. Seine offizielle Mitgliedschaft schätzt Sabine Maja Schilling auf die Jahre 1923 bis 1931.

Nach Depressionen und dem Tod seines Vaters gelingt Ewald Mataré laut Sabine Maja Schilling 1922 auf der Nordseeinsel Spiekeroog per Zufall über den Holzschnitt der Durchbruch zur Plastik, die ihn fortan beschäftigt.

Der Rest ist im Werkverzeichnis nachzulesen. Springen wir in sein Todesjahr: Ewald Mataré verstirbt am 29. März 1965 mit 78 Jahren an einer Lungenembolie. Unter den unzähligen Beileidskundgebungen an seine Witwe Hanna und seine Tochter Sonja ist eine des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke.

Dies sind nur einige wenige Angaben zu den frühen Jahren aus dem hochspannenden und reich illustrierten Verzeichnis des bildhauerischen Werks, das Pflichtlektüre für alle ist, die sich mit dem Leben und Werk von Ewald Mataré auseinandersetzen möchten. Ein Besuch im Museum Kurhaus Kleve kann ebenfalls jedem Kunstfreund ans Herz gelegt werden.

Herausgegeben im Auftrag des Freundeskreises des Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V. von Guido de Werd und Sabine Maja Schilling: Ewald Mataré. Das plastische Werk. Wienand Verlag, Dezember 2024, gebundene Ausgabe, 24.4 x 10.2 x 30.4 cm, 864 Seiten. ISBN-10: ‎ 3868323783. ISBN-13: ‎ 978-3868323788. Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis – und das Werkverzeichnis in zwei Bänden bestellen bei Amazon.de.

Zitate und Teilzitate in dieser Rezension/Buchkritik von Ewald Mataré. Das plastische Werk sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlusszeichen gesetzt.

Rezension/Buchkritik vom 1. April 2025 um 10:01 deutscher Zeit.