Der amtierende Bürgermeister von der SPD, der biedere Olaf Scholz (*1958), hat es wieder geschafft: Die rot-grüne Regierung in Hamburg kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.
Kompromisse bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen
Seit dem 19. Februar 2015 verhandeln SPD und Grüne über eine Koalitionsregierung in Hamburg. Heute wurde die weltbewegende Neuigkeit verkündet, die Krippen erhielten bereits 2016 zusätzlich 10 Millionen Euro und nicht erst wie unter der SPD ursprünglich geplant 2017, um die Betreuungsqualität um 10% zu verbessern. Zuvor hatte man sich über einen Datenschutzbeauftragten mit mehr Kompetenzen, die Überarbeitung des Frauen-Strafvollzugs und die Ausarbeitung eines Resozialisierungsgesetzes geeinigt. Eine von den Grünen gewünschte Strassenbahn wird nicht kommen, dafür soll der U-Bahn-Bau beschleunigt werden. Die Elbvertiefung wird wie von der SPD gewünscht und gegen den ursprünglichen Willen der Grünen kommen. Im Gegenzug sollen umfassende Massnahmen zur „Ökologisierung der Elbe“ vereinbart worden sein. Ein grosser Wurf scheint der Koalitionsvertrag nicht zu werden, doch immerhin haben sich beide Parteien bisher kompromissbereit gezeigt.
Die SPD weiterhin stärkste Partei, die CDU auf Rekordtief, die FDP wieder dabei und die AfD erstmals in einem Landtag in einem westlichen Bundesland
Die im entstehen begriffene rot-grüne Koalition ist das Resultat eines klaren Wählerwillens. Am 15. Februar 2015 hatten 56.5% der rund 1,3 Millionen Wahlberechtigten der Hansestadt Hamburg ihr Urteil abgegeben. Die SPD landete mit 45,6% der Stimmen und 58 Sitzen auf dem klaren ersten Platz, verlor aber knapp ihre 2011 mit 48,4% errungene absolute Mehrheit von 62 Mandaten im Parlament mit insgesamt 121 Bürgerschaftsabgeordneten. Die CDU verlor gegenüber der miserablen letzten Wahl nochmals leicht und kam abgeschlagen mit erbärmlichen 15,9% und 20 Sitzen auf den zweiten Platz. Dies war ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl seit 1959. Die Grünen gewannen 12,3% und 15 Sitze, die Linke 8,5% und 11 Mandate. Die FDP gab ein Lebenszeichen von sich und schaffte mit 7,4% und 9 Sitzen die Überraschung, nicht zuletzt vom wenig überzeugenden CDU-Wahlkampf profitierend. Die AfD schaffte es erstmals mit 6,1% und 8 Abgeordneten in ein Landesparlament in Westdeutschland. Auf sonstige Parteien entfielen immerhin noch 4,2% der Stimmen, doch für Mandate reichte es für diese Splitterparteien nicht.
Ein Neuanfang für die FDP?
Das wichtigste an Hamburgs Wahl 2015 ist nicht die zu erwarten gewesene Bildung einer rot-grünen Regierung unter dem bisherigen, blassen, aber immerhin pragmatischen Bürgermeister Olaf Scholz, sondern dass es der FDP gelang, ein erstes Lebenszeichen seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag zu geben. Sie schaffte den Einzug ins Hamburger Landesparlament trotz dem gleichzeitigen, erstmaligen Gewinn von Parlamentssitzen in einem westlichen Bundesland durch die AfD. Allerdings macht sich wohl kaum ein Beobachter Illusionen darüber, dass dies an Hamburger Sonderfaktoren lag. Allen voran wurde der Gewinn von 9 Mandaten durch die Schwäche der CDU und ihres Spitzenkandidaten, des inzwischen zurecht zurückgetretenen Marcus Weinberg, ermöglicht. Mit Katja Suding konnte die FDP zudem eine unverbrauchte und glaubwürdige Spitzenkandidatin im Stadtstaat präsentieren, trotz des zuvor ausgefochtenen „Zickenkrieges“ mit Sylvia Canel. Die letztere Dame war bis September Hamburger Landesvorsitzende der FDP gewesen, zog aus ihrer Niederlage Konsequenzen, verliess die FDP und gründete mit anderen die sozialliberale Partei der Neuen Liberalen, die es im Februar in Hamburg jedoch lediglich auf 0,5% der Wählerstimmen brachte. Fazit: Die FDP ist wieder im Gespräch und im Blickfeld des Wählers. Zumindest regional. In Bremen werden die Liberalen bei der Bürgerschaftswahl vom 10. Mai 2015 beweisen müssen, dass Hamburg kein Sonderfall war.
Wie geht es weiter mit Hamburg?
Die Hamburger werden mit ihrem bieder-pragmatischen Olaf Scholz, einem ehemaligen Bundesminister für Arbeit und Soziales von 2007 bis 2009, Leben können. Der einst Links stehende Politiker zählte in der Regierung Schröder zu den Reformern. Die Hansestadt Hamburg könnte davon auch eine gute Prise vertragen. Davon ist bis jetzt allerdings noch nichts zu sehen. Kann der Bürgermeister ohne Charisma und rhetorische Fähigkeiten in seiner zweiten Amtszeit noch etwas auf den Weg bringen?
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Artikel vom 26. März 2015 um 19:42 CET.
Hinzugefügt am 31. März 2015 um 23:50 CET: Die rot-grüne Regierung kommt so sicher wie das Amen in der Kirche. Hamburgs CDU hat heute auf ihrem Landesparteitag den ehemaligen Bürgerschaftsabgeordneten und Haushaltsexperten Roland Heintze zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Ihm obliegt es, die bei den Hamburger Wahlen 2015 auf erbärmliche 15,9% und 20 Sitze abgestürzte Partei für Wähler wieder attraktiv zu machen. Er tritt für eine „klare Kante in der Ordnungspolitik“ (Sicherheitspolitik) sowie den Ausbau und die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Hamburg ein.
Foto hinzugefügt am 23.2.2020. Es zeigt Olaf Scholz bei der SPD Regionalkonferenz zur Wahl des SPD-Vorsitzes am 10. September 2019 in Nieder-Olm. Photo: © Olaf Kosinsky.