Biografie, Klavierquartett und Klavierquintett
Der jung verstorbene Komponist Hermann Goetz (1840-1876) gehört zu den heute weitgehend Vergessenen der Klassik, obwohl insbesondere seine komische Oper Der Widerspenstigen Zähmung jahrzehntelang in hoher Gunst von Musikern und Publikum als gelungene Vertonung von Shakespeares Werk stand. Zu den Bewunderern gehörte Gustav Mahler, der die Oper – wie auch andere Kompositionen von Goetz – zur Aufführung brachte. Und Johannes Brahms verteidigte Goetzens nachgelassene Oper Francesca da Rimini, die auf einem Stoff von Dante beruht und von Ernst Frank 1877 vollendet wurde.
Hermann Goetz wurde am 7. Dezember 1840 als Sohn eines erfolgreichen Bierbrauers in Königsberg (Ostpreussen) geboren. In der kunstsinnigen Familie spielte der Junge mit einer Cousine, die seine erste Lehrerin war, Klavier, und begann mit bereits als Gymnasiast mit 14 Jahren Klavierstücke und Lieder zu komponieren. Leider begann er in jener Zeit auch an Tuberkulose zu leiden. Die Krankheit sollte ihn sein ganzes, kurzes Leben lang begleiten.
Mit 17 begann Hermann Goetz beim damals berühmten Pianisten Louis Köhler Klavierunterricht zu nehmen. Ab 1858 versuchte er sich kurzeitig an einem Studium der Mathematik an der Universität Königsberg. Mit der Musik war er erfolgreicher. Er trat häufiger auf, nicht nur als Pianist, sondern auch als Dirigent. Mit 20 hatte er sich nach eigener Aussage schon viele Opern bis ins kleinste Detail erarbeitet, insbesondere jene von Wolfgang Amadeus Mozart.
In jenem Jahr, 1860, reiste Hermann Goetz nach Berlin, wo er am privaten Stern’schen Konservatorium Musik studierte, insbesondere Klavier (Hans von Bülow), Dirigieren (Julius Stern), Instrumentation, klassische Harmonielehre und Kontrapunkt. (Hugo Ulrich).
Der Klavierlehrer am Stern’schen Konservatorium, Virtuose, Dirigent und Kapellmeister Hans von Bülow förderte den jungen Mann und schrieb ihm später: „Sie gehörten zu den wenigen, die ich froh und stolz bin, unterrichtet zu haben.“ Bei der Abschlussprüfung 1862 spielte Hermann Goetz sein selbstkomponiertes, an Franz Liszt angelehntes Klavierkonzert in Es-Dur; Hans von Bülow war damals übrigens mit Liszts Tochter Cosima verheiratet, die ab 1863 ein Verhältnis mit Richard Wagner einging und sich von Hans von Bülow trennte.
Nach der Prüfung begann Hermann Goetz selbst am Stern’schen Konservatorium zu unterrichteten und übernahm zudem die Leitung des gemischten Meichsnerschen Gesangvereins. Bereits 1863 reiste er durch Vermittlung des Komponisten, Dirigenten und Pianisten Carl Reinecke nach Winterthur in die Schweiz, wo er die Stelle des nach Zürich berufenen Organisten, Pianisten, Komponisten und Dirigenten Theodor Kirchner als Organist der evangelischen Stadtkirche antrat. Zudem etablierte er sich als Klavierlehrer und Dirigent.
Hermann Goetz hoffte in der Schweiz auf Heilung von der Tuberkulose durch die frische Luft der Alpen. Allerdings ist Winterthur eine im Tiefland gelegene Industriestadt, die bereits damals über ein reiches Kulturleben verfügte. In jedem Fall hatte die alpine Luft der Schweiz keinen Einfluss auf den Verlauf seiner Krankheit.
Hermann Goetz gründete in Winterthur den kurzlebigen Gesangverein Melodia, dem es chronisch an Männern mangelte. Er war gut in das hauptsächlich von enthusiastischen Liebhabervereinen getragene Musikleben integriert, das den Verhältnissen in Königsberg glich.
Neben dem Orgelspiel in der evangelischen Kirche, das er sich weitgehend als Autodidakt selbst beibrachte, und Klavierkonzerten am Winterthurer Musikkollegium besuchte Hermann Goetz die Sonntagskränzchen im Kasino Winterthur, wo er sein Gattin Laura Wirth fand, die er am 22. September 1868 heiratete. Getraut wurden sie vom gemeinsamen Freund, dem Dichter, Journalisten und Pfarrhelfer Joseph Victor Widmann, bei dessen Vortrag über Goethe und die Religion sie sich einst kennengelernt hatten.
Hermann Goetz war als Interpret, insbesondere von Werken Beethovens und Chopin, in Zürich und Basel gefragt. In Basel war es auch, wo er am 1. Dezember 1867 seine ersten bedeutenden Erfolge als Komponist mit seinem Klaviertrio op. 1 und seinem uraufgeführten 2. Klavierkonzert feiern konnte.
Neben dem Zweiten Klavierkonzert und dem Klaviertrio op. 1 (BP 563) schrieb Hermann Goetz in Winterthur ein Violinkonzert, die Sinfonie in e-Moll, ein Streichquartett (BP 367) sowie das Klavierquartett op. 6, das Johannes Brahms gewidmet ist, den er 1865 kennengelernt hatte und mit dem er bis zu seinem Tod freundschaftlich verbunden blieb.
Hermann Goetz blieb bis 1872 in Winterthur tätig, doch bereits 1870 zog er mit seiner Frau und seiner Tochter Margarethe nach Hottingen bei Zürich, wo er als Klavierlehrer, freischaffender Pianist und Musikjournalist arbeitete. Bereits in Winterthur begann er die Arbeit an seiner in Zürich beendeten Oper Der Widerspenstigen Zähmung (1868-1873 entstanden), die am 11. November 1874 am Nationaltheater Mannheim zur Uraufführung kam. Nebenbei bemerkt: Das Libretto zur Oper stammte von Joseph Victor Widmann.
In Zürich wurde Hermann Goetz vom Komponisten Friedrich Hegar gefördert, dem Chefdirigenten des Zürcher Tonhalleorchesters. Dieser engagierte ihn nicht nur als Solisten für Abonnementskonzerte, sondern brachte auch seine Werke zur Aufführung. Ein Höhepunkt der Zusammenarbeit war das Schweizerische Musikfest 1874, bei dem Hermann Goetz als Jurymitglied wirkte.
Als Musikkritiker arbeitete Hermann Goetz für die Allgemeine Musikalische Zeitung, das Musikalische Wochenblatt und die Neue Zürcher Zeitung.
Seine komische Oper Der Widerspenstigen Zähmung kam am 11. November 1874 in Mannheim unter Kapellmeister Ernst Frank zur Uraufführung, nachdem sie zuvor unter anderem von Dresden und München abgelehnt worden war. Sie wurde sogleich ein Hit.
Goetzens nachgelassene Oper in drei Akten, Francesca da Rimini, die auf einem Stoff von Dante beruht, wurde von Ernst Frank 1877 vollendet. Hermann Goetz hatte sich eigentlich die Fertigstellung durch Johannes Brahms erhofft, doch dieser gab diese Aufgabe an den erwähnten Ernst Frank weiter.
Die Stelle als Organist in Winterthur gab Hermann Goetz auf Grund seiner Lungenkrankheit bereits 1872 auf. Die Tuberkulose machte ihm in seinen letzten Lebensjahren immer mehr zu schaffen. Dennoch arbeitete er bis in seine letzten Tage an seiner Dante-Tragödie Francesca da Rimini, deren Libretto erneut von Joseph Victor Widmann stammte.
Hermann Goetz verstarb am 3. Dezember 1876 in Zürich-Hottingen, vier Tage vor seinem 36. Geburtstag. Er wurde auf dem Zürcher Friedhof Rehalp begraben. Seine Tochter Margarethe schenkte später seinen Nachlass der Zentralbibliothek Zürich.
Hermann Goetz war natürlich mit den neuesten Musikströmungen seiner Zeit, mit Franz Liszt und Richard Wagner, vertraut. Doch er orientierte sich lieber an der Wiener Klassik und der frühen Romantik. Er ist beeinflusst von Komponisten wie Mozart, Beethoven, Schumann, Mendelssohn Bartholdy und seinem Freund Brahms, und findet dennoch seinen eigenen Weg, der geprägt ist durch das Liedhafte. Melodien, Emotionen und innerliches Leuchten prägen seine Werke.
Hermann Goetz brach nicht zu neuen Ufern auf, gehörte nicht zur Avantgarde, und schuf dennoch herausragende Werke der Romantik, die eine Neuentdeckung lohnenswert machen.
Das Klavierquartett in E-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier op. 6 vom Herbst 1867 widmete Hermann Goetz seinem Freund Johannes Brahms. Es zeichnet sich durch seine melodische Unbekümmertheit, seine Intensität, dramatische Klavierakzente, ein melancholisches Moll im zweiten Satz, nachdenkliche, heitere, liedhafte und zum Schluss frische und lebendige Momente aus.
Das Klavierquintett in c-Moll für Geige Bratsche, Cello, Kontrabass und Klavier von 1874 von Hermann Goetz gehört zur herausragenden romantischen Klavierliteratur. Das tragische Quintett mit düsteren, aufwühlenden Tönen und Momenten der Auflehnung scheint stellenweise von der Krankheit des Künstlers geprägt und sein frühes Ende zu erahnen, so in etwa der Text zur CD. Doch das Quintett ist keinesfalls nur „Andante“, sondern enthält drei „Allegri“. Der sensible Künstler verfiel nicht in Selbstmitleid. Überschrieben hat der Komponist das Quintett dennoch mit dem Motto: „Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide.“ Gedruckt wurde es erst postum 1878 als op. 16.
Hermann Goetz (Komponist), Oliver Triendl (Klavier), Marina Chiche (Geige), Peijun Xu (Viola), Niklas Schmidt (Cello) und Matthias Beltinger (Kontrabass): Piano Quartet, Piano Quintet. TYXart, August 2015. Die CD bestellen bei Amazon.de, Amazon.com und Amazon.co.uk. Die MP3 – Version downloaden bei Amazon.de.
Hermann Goetz (Komponist), Oliver Triendl (Klavier), Marina Chiche (Geige), Peijun Xu (Viola), Niklas Schmidt (Cello) und Matthias Beltinger (Kontrabass): Piano Quartet, Piano Quintet. TYXart, August 2015. Die Überschriften von Hermann Goetz haben die Interpreten umgesetzt: Feurig, lebendig, frisch, lebendig, con fuoco, andante con moto oder allegro vivace erlebt der Hörer emotional mit. Warum diese Musik jahrzehntelang vergessen wurde, bleibt ein Rätsel.
Der 1970 im bayerischen Mallersdorf geborene Pianist Oliver Triendl ist bekannt als Interpret von Werken der Klassik und Romantik sowie für seinen Einsatz für die zeitgenössische Musik. Er hat schon mit Orchestern wie den Münchner Philharmonikern, den Bamberger Symphonikern, der NDR-Radio-Philharmonie, dem Orchestre de Chambre de Lausanne, der Sinfonia Varsovia und vielen anderen zusammen musiziert. Sabine und Wolfgang Meyer, Christian und Tanja Tetzlaff, Jan Vogler und viele andere gehören zu seinen Kammermusik-Partnern. 2006 gründete er das Kammermusikfestival Fürstensaal Classix in Kempten im Allgäu.
Die 1981 geborene französische Geigerin Marina Chiche zählt Pierre-Laurent Aimard, György Kurtág und andere zu seinen Lehrern. InVerbier und vielen anderen Festivals ist sie schon aufgetreten. Im Théâtre des Champs-Elysées und im Théâtre du Châtelet in Paris, im Gasteig in München und an vielen anderen Orten war sie schon zu hören. Seit dem Oktober 2013 unterrichtet sie als Professorin für Violine an der Hochschule für Musik Trossingen. Sie spielt eine Geige von G. Gagliano aus dem Jahr 1762.
Die 1985 in Shanghai geborene Bratschistin Peijun Xu hat schon in der Shanghai Concert Hall, in der Alten Oper in Frankfurt und an anderen berühmten Orten Auftritte gehabt. Sie spielte bereits mit dem Shanghai Philharmonic Orchestra, den Moscow Soloists, dem Osnabrücker Sinfonieorchester, dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn und vielen anderen. Ausgebildet wurde sie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, an der Kronberg Academy, an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Sie ist Dozentin für das Hauptfach Viola an der Hochschule für Musik und Dastellende Kunst Frankfurt am Main.
Der 1958 in Köln geborene Niklaus Schmidt studierte Cello in Hamburg und Köln und war regelmässiger Gast in der Menuhin-Akademie in Gstaad. Zusammen mit dem Geiger Michael Mücke und dem Pianisten Wolf Harden gründete er 1980 das Trio Fontenay. Für die Gesamteinspielung der Beethoven Trios erhielten die drei Musiker 1994 den Deutschen Schalplattenpreis sowie einen Diapason d’Or. Niklas Schmidt verliess das Trio Fontenay 1997. Seit 1987 unterrichtet er an der Hochschule für Musik in Hamburg Kammermusik und Violoncello. Seit 1999 leitet er die Hamburger Kammermusikreihe Fontenay Classics. Zudem ist er Direktor des International Mendessohn Summer School Festivals in Hamburg und des Internationalen Kammermusikwettbewerbs Hamburg ICMC. 2010 gründete er sein eigenes Musiklabel: Fontenay Classics International FCI. Niklas Schmidt spielt ein Rogeri-Cello aus dem Jahr 1700.
Der Kontrabassist Matthias Beltinger studierte in Essen und Berlin. 1984 kam er als Solo-Kontrabassist zur Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Er spielt regelmässig beim Freiburger Barockorchester der Akademie für Alte Musik Berlin, bei Concerto Köln und dem Chamber Orchestra of Europe. Zusammen mit einem Klangexperten hat er eine Firma zur Klangverbesserung von Konzertsälen, Kirchen und anderen Aufführungsorten gegründet.