Klimt und die Frauen

Nov 01, 2000 at 00:00 5806

Biografie sowie die Ausstellung in der Österreichischen Galerie Belvedere Wien bis am 7. Januar 2001

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Gustav Klimt (1862-1918) wurde in Wien als zweites Kind von Ernst und Anna Klimt geboren. Im Alter von fünfzehn Jahren trat er in die Wiener Kunstgewerbeschule ein (1876-83). Ursprünglich sollte er Zeichenlehrer werden, doch Professor Ferdinand Laufberger erkannte sein Talent. Klimt wurde in der Folge von Hans Makart und seinem Lehrer Julius Viktor Berger beeinflusst. In seinem Frühwerk der Jahre 1883 bis 1892 arbeitete Gustav Klimt mit seinem Bruder Ernst sowie Franz Matsch eng in einer Ateliergemeinschaft zusammen. Sie kreierten Bühnenvorhänge, dekorative Wände und Deckengemälde. Vor allem die Theaterarchitekten Fellner und Helmer erteilten ihnen Auftrage. Im Burgtheater und im Kunsthistorischen Museum in Wien konnten sie Arbeiten ausführen. 1893 begann Gustav Klimt, alleine zu arbeiten. Vier Jahre später wurde er zu einem Mitbegründer und zum ersten Präsidenten der „Vereinigung bildender Künstler Österreichs – Secession“, der er bis zu seinem Austritt 1905 vorstand. Nach vor der Jahrhundertwende entwickelte er seinen unnachahmlichen neo-impressionistischen Stil. 1899 begann er, seine Sommer in Attersee zu verbringen, wo er zumeist Landschaften malte. Um 1900 kreierte er mit seinen ornamentalen Frauenportraits einen neuen Bildtypus. Die Frauen besetzten nun das Zentrum seiner Kunst. Seine Portraits reichen von historistischen über allegorische und mythologische zu erotischen und klassischen Frauenbildnissen. Wie Judith I (siehe das Foto rechts) zeigt, erhob Klimt Frauen zu Ikonen. Im Jahr 1900 hatte der Maler einen Konflikt mit der Universität Wien bezüglich seiner Werke. Danach zog er sich weitgehend vom öffentlichen Leben zurück und suchte fortan vornehmlich private Kunden. Der Staat kaufte allerdings weiterhin Werke von ihm, so 1900 das Erziehungsministerium (Nach dem Regen). 1901 kaufte der Staat Am Attersee II, 1912 Bauernhaus und 1915 zwölf figurative Skizzen. Im Jahr 1907 betrat der junge Egon Schiele erstmals Klimts Atelier. Ein Jahr später hielt Klimt seine schützenden Hände über die Werke von Oskar Kokoschka und den Expressionisten, die erstmals ihre Werke in Wien zeigten. Klimts Spätwerk zeichnet sich durch abstrakte und expressionistische Elemente aus. Er verstarb am 6. Februar 1918, im Alter von lediglich 56 Jahren.

Der Ausstellung „Klimt und die Frauen“ in der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien ist mit bereits über 120,000 Besuchern ein riesiger Erfolg beschieden. Das Museum, das die weltweit grösste Sammlung an Klimt-Gemälden beherbergt, hat letztmals im Jahr 1962, zum 100. Geburtstag des Malers, eine Sonderausstellung seiner Gemälde veranstaltet. Zum letzten Mal war Mitte der 1980er Jahre in der Schau „Traum und Realität“ im Wiener Künstlerhaus Klimts Werk in einer speziellen Ausstellung den Wienern präsentiert worden. Die permanente Sammlung im Belvedere ist natürlich jederzeit zugänglich und das Museum hat seine Gemälde auch wiederholt an Ausstellungen in aller Welt ausgeliehen, so waren Gemälde 1992 in Zürich, 1996 in Tokyo und 1999 in Milan zu sehen. „Klimt und die Frauen“ bildet allerdings die erste komplette Übersicht über Klimts Frauenportraits.

Das Zentrum der Ausstellung bildet Klimts wohl bekannteste Werkgruppe, die Frauenportraits. Sie werden ergänzt durch allegorische Gemälde wie Judith I und IIDer Kuss und die Wasserschlange. Den Gemälden und Skizzen Klimts werden die Werke seiner europäischen und amerikanischen Wegbereiter und Zeitgenossen gegenüber gestellt. Dazu gehören Bilder von Ferdinand Hodler, Edouard Manet, Edvard Munch, James McNeill-Whistler und John Singer-Sargent. Nicht zu vergessen ist das Portrait der Infantin Maria Teresa von Diego Velazquez, das aus dem Kunsthistorischen Museum Wien stammt. Klimt benutzte es als Modell für sein Portrait von Fritza Riedler, der Frau eines Universitätsprofessors, der in Berlin lebte.

Die Österreichische Galerie Belvedere präsentiert Klimt in seinem kunsthistorischen und historischen Kontext. „Klimt und die Frauen“ geht über eine traditionelle Kunstausstellung hinaus und versucht, Antworten auf die Fragen nach dem Leben und dem sozialen Status der von Klimt portraitierten Frauen zu geben. Um die Jahrhundertwende trat die Moderne ihren Siegeszug an, der fundamentale soziale Wandel gab der Frau eine neue Position in Gesellschaft, Kultur und Ideologie. Die Ausstellung beleuchtet u.a. den Einfluss des Grossbürgertums, der sogenannten Ringenstrassengesellschaft, auf die Kunst. Diese Schicht betätigte sich nun aktiv auf der Kunstszene, als Mäzene und Käufer. Der Mythos und das Ideal des Gesamtkunstwerks sind ein anderer Aspekt, den die Ausstellung beleuchtet. Ein Symposium sowie eine Reihe von Vorträgen ergänzen „Klimt und die Frauen“. Eine Publikation zu Wiens Sammlern der Jahrhundertwende, schon lange ein Desiderat der Forschung, soll daraus entstehen und die kunsthistorische Kontribution der Ausstellung bilden.

Mit dem Portrait von Sonja Knips aus dem Jahr 1898 gelang es Gustav Klimt, der Portraitist des jüdischen Grossbürgertums in Wien, wo die Juden 1867 die rechtliche Gleichstellung erreicht hatten, zu werden. Juden waren zu einer blühenden Kraft in Handel, Finanz, Industrie und Kunst geworden, was auch Neid und antisemitische Gefühle gegenüber diesen „Emporkömmlingen“ hervorrief. Klimts Auftraggeber waren Financiers, Industrielle und andere Mitglieder der liberalen Gesellschaft. Ferdinand Bloch-Bauer (siehe Klimts Portrait seiner Frau unten) dominierte die österreichisch-tschechische Zuckerindustrie. Karl Wittgenstein wurde oft als „Österreichs Krupp“ bezeichnet. Er hatte das Stahlkartell ins Leben gerufen. August Lederer war die führende Figur in Zentraleuropas Alkoholproduktion und später, in den 1920er Jahren, wurde er als „Österreichs reichster Mann nach Rothschild“ betitelt.

Die 1897 ins Leben gerufene Secession wollte die österreichische Kunst näher an die internationale Kunstszene heranbringen. Klimt war in der Art Nouveau-Künstlervereinigung die führende Figur. Die Bürokratie der Habsburger bekämpfte die neuen Ideen nicht, sondern versuchte im Gegenteil, die Avantgarde zu umarmen. Sie gab den Künstlern Werke in Auftrag und bot ihnen Posten an. Dies gehörte zu den Reformanstrengungen unter den Habsburgern, die darauf abzielten, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in die Moderne zu führen. In diesen Kontext gehörte auch die Gründung der Modernen Galerie im Jahr 1903, die als Museum für österreichische Kunst seit 1850 gedacht war. Im Jahr 1912 erhielt sie ihren heutigen Namen: Österreichische Staatsgalerie. Mit dem Ende der Monarchie wurde die Probleme des Museum durch eine Erweiterung der Ausstellungsräume im Oberen und Unteren Belvedere gelöst.

Zur Zeit seiner Entstehung im Jahr 1901 wurde Klimts Bild Judith I, 1901 (siehe links) als Inkarnation der Femme fatale betrachtet. Im Alten Testament war Judith die devote Witwe, die mit ihrer Schönheit die Aufmerksamkeit des assyrischen Führers auf sich zog, der für ihr Volk eine tödliche Gefahr darstellte. An einem Mahl zu ihren Ehren trank er so viel Wein, dass er einschlief, bevor er sie berühren konnte. Im Schlaf tötete Judith ihn mit seinem eigenen Schwert und entkam mit Hilfe einer Magd. Damit half sie den Israeliten, die Assyrer zu besiegen, die ohne ihren Anführer verloren waren. In der christlichen Tradition war Judith die Allegorie für den Sieg der Keuschheit über das Laster, der Demut über den Grossmut. Mit dem Beginn der Reformation und später der Gegenreformation wurde Judith zum Symbol der Freiheit, der Gerechtigkeit und des rechten Glaubens. Im Jahr 1840 interpretierte der Friedrich Hebbel den Mythos neu: Judith war noch immer eine Witwe, aber nun eine Jungfrau, da ihr Mann impotent gewesen war. Sexuell frustriert, habe sie sich vom Assyrer Holofernes angezogen gefühlt und ihn in persönlicher Rache getötet. Sigmund Freuds Interpretation aus dem Jahr 1917 lag auf der Linie von Hebbel: Judith tötete den Assyrer, weil er ihr die Jungfräulichkeit genommen hatte. Ihm den Kopf abzuschlagen war gemäss Freud ein Symbol für die Kastration von Holofernes. Gemäss Daniela Hammer, aus deren Katalogbeitrag diese Informationen stammen, fällt Klimts Portrait in die gleiche Kategorie: Judith ist eine starke und unabhängige Frau, die sich der männlichen Dominanz entgegen stellt. Die Femme fatale symbolisiert eine „ewige Wahrheit“. Obwohl Klimt auf den Rahmen des Gemäldes „Judith und Holofernes“ schrieb, wurde 1905 bei seiner Ausstellung in Berlin das Portrait als Repräsentation von Salome angesehen. Die Fusion von so gegensätzlichen Frauenfiguren wie Judith und Salome hat eine lange Tradition in der Kunstgeschichte und reicht ins 16. Jahrhundert zurück. Salome war für die Ermordung des heiligen Johannes verantwortlich. Für die Künstler der Jahrhundertwende war Salome und nicht Judith die Inbegriff der Femme fatale. Gustave Moreaus Salomebilder inspirierten Oscar Wilde zu seiner dramatischen Ballade aus dem Jahr 1893. Die dazugehörigen Illustrationen Beardsleys inspirierten ihrerseits Klimt, bei dem sich die Bilder der ungleichen Schwestern vollkommen überlagern. Judiths „subversive Ambivalenz“ aus der Renaissance wird bei Klimt weitgehend durch eine sensuelle und erotische Optik abgelöst: Judith ist eine Ikone der Weiblichkeit. Doch unabhängig von der Interpretation, welcher der Betrachter den Vorzug gibt, bleibt eine Tatsache bestehen: Judith I aus dem Jahr 1901 ist nicht nur eines von Klimts besten Gemälden, sondern eines der herausragenden Frauenportraits der Kunstgeschichte.

Katalog von Tobias G. Natter und Gerbert Frodl, Hg.: Klimt und die Frauen. Hardcover, DuMont, Köln, 2000, 256 S. Österreichische Galerie Belvedere Wien bis am 7. Januar 2001. Catalogue, English edition: Klimt’s Women at Amazon.com. Die deutsche Ausgabe: Amazon.de. Die Essays von sechzehn Autoren beschäftigen sich u.a. mit Klimt als Maler zwischen den Zeiten, Wien um 1900, der Beziehung Klimts zum habsburgischen Staat, Alma Schindler, der Damenmode, Klimt und der Fotografie, mit Judith sowie den anderen Gemälden der Ausstellung. Katalog/Buch bestellen bei Amazon.de. Weitere Bücher zu Gustav Klimt.

Gustav Klimt: Portrait von Adele Bloch-Bauer I, 1907. Öl auf Leinwand mit Gold- und Silberauflage. 138 x 138 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere. Foto: Ausstellungskatalog. [18. Juli 2006: Das Bild wurde 2006 von Ronald Lauder für die Neue Galerie in New York für kolportierte $135 Millionen von der Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann, an die es zusammen mit weiteren Klimt-Bildern nach langem Rechstreit restitutiert worden war, angekauft]. Bücher zu Gustav Klimt. Susanna Partsch Gustav Klimt. Painter of Women. Prestel. Order the book from Amazon.com. The book cover shows Gustav Klimt: Portrait of Adele Bloch-Bauer I, 1907. Oil on canvas with gold and silver plating. 138 x 138 cm. Vienna, Österreichische Galerie Belvedere. [Added on July 18, 2006: The painting has been bought by Ronald Lauder from Maria Altmann for the Neue Galerie in New York for reported $135million after an arbitration court ruled in 2006 that Austria had to return several Klimt paintings to the heirs of the Bloch-Bauer family; Maria Altmann is a niece of Adele Bloch-Bauer].

Gustav Klimt: Judith I, 1901. Öl auf Leinwand mit Goldauflage. 84 x 42 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere (Foto Copyright).

Katalog von Tobias G. Natter und Gerbert Frodl, Hg.: Klimt und die Frauen. Hardcover, DuMont, Köln, 2000, 256 S. Österreichische Galerie Belvedere Wien bis am 7. Januar 2001. Catalogue, English edition: Klimt’s Women at Amazon.com. Die deutsche Ausgabe: Amazon.de. Die Essays von sechzehn Autoren beschäftigen sich u.a. mit Klimt als Maler zwischen den Zeiten, Wien um 1900, der Beziehung Klimts zum habsburgischen Staat, Alma Schindler, der Damenmode, Klimt und der Fotografie, mit Judith sowie den anderen Gemälden der Ausstellung. Katalog/Buch bestellen bei Amazon.de.