Biographie, CDs, Fotos und Konzertkritik
Biografie – Biographie
Leif Ove Andsnes wurde 1970 in Karmoy, Norwegen geboren. Er studierte Musikkonservatorium in Bergen beim tschechischen Professor Jiri Hlinka. 1987, also noch als Teenager, gewann der den Hindemith-Preis und gab sein Debüt in Oslo. Im Jahr darauf erhielt er in Bergen den Levin-Preis sowie den Preis der Norwegischen Musikkritik. 1989 spielte er in New York und in Washgington, DC. 1990 trat er mit dem Cleveland Orchestra unter der Leitung von Neeme Jarvi auf und gewann in Bergen den Grieg-Preis. 1991 gab er sein Debüt bei den Proms in London. Im Jahr 2000 erhielt er den Royal Philharmonic Society Award als bester Instrumentalist des Jahres.
Leif Ove Andsnes hat in den berühmten Konzertsälen und mit den herausragenden Orchestern dieser Welt musiziert, so dem Boston Symphony, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem New York Philharmonic, dem Philadelphia Orchestra, den Berliner Philharmoniker, dem London Philharmonic und dem Cleveland Orchestra. Zu seinen regelmässigen Partnern gehören der Geiger Christian Tetzlaff und der Viola-Spieler Lars Anders Tompter.
Leif Ove Andsnes Aufnahme aus dem Jahr 1991 mit den Werken für Piano solo von Janácek wurde mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Seit 1997 nimmt Andsnes exklusiv für EMI auf und seine erste CD für das Label mit Schumanns Klaviermusik (Sonate Nr.1 und Fantasie C-Dur) wurde ebenfalls mit dem prestigeträchtigen Preis der Deutschen Schallplattenkritik belohnt. 1998 folgte The Long Long Winter Night mit Musik für Piano solo von norwegischen Komponisten. Sein neuestes Album, aus dem Jahr 2001, enthält ein Rezital mit Liszts Klaviermusik. Ebenfalls herausragend sind Andsnes Grieg-Einspielungen.
Konzert in der Tonhalle Zürich, 4. März 2001, Leif Ove Andsnes, Klavierrecital: Konzertkritik
J.S. Bach: Toccata D-Dur BWV 912; F. Schubert: Sonate D-Dur D 850; R. Schumann: Faschingsschwank aus Wien op. 26.
Das von Leif Ove Andsnes in der Tonhalle präsentierte Programm war sorgfältig ausgewählt und erlaubte es dem Pianisten, gezielt seine lyrische Seite auszuspielen. BachsToccata D-Dur BWV 912 präsentierte er vor allem im Adagio quasi schwebend, mit religiös-metaphysischer Tiefe. Ärgerlich an der Akustik – zumindest im Parkett links – war der starke Nachhall, was allerdings dem Spiel einen kirchenähnlichen Klang gab und sich das spezifische Bach-Orgelgefühl einstellte.
Schuberts Sonate D-Moll D 850 von 1825 spielte Andsnes ebenfalls als vergeistigtes Stück, das in dieser Beziehung mit Bach verwandt ist. Der Flügel hallte noch immer nach, weshalb anzunehmen ist, dass es sich dabei nicht um ein bewusst eingesetztes akustisches Mittel handelte. So wurde leider einiges verdeckt oder entstellt. Doch das locker fliessende Allegro vivace mit perlenden Tonreihen des norwegischen Pianisten gefiel. In Con Moto überzeugte insbesondere das Timing. Das von Andsnes bewusst zurückhaltend angelegte Spiel mit dem zarten Anschlag betonte die poetische Seite des Stückes, dem dadurch allerdings etwas an emotionaler Tiefe abging. Dafür waren die Kontraste in den dramatischen Passagen umso beeindruckender. Das Scherzo präsentierte Andsnes in feierlicher Form. Im Allegro moderato zeigte er ein naives, kindlich-anrührendes Moment. Seine souveräne Technik war immer inspiriert.
Die nach der Pause dargebotenen Ländler von Schubert waren nicht volkstümlich, sondern erneut betonte Andsnes die vergeistigte Seite der Musik. SchumannsFaschingsschwank aus Wien op. 26 beginnt lebhaft. Wiederum zog der Pianist eine zurückhaltende Interpretation vor, die nicht auf Effekthascherei ausgerichtet ist. Er trug keine erdige Musik, keine gefühlsbetonte Romantik vor, sondern hob das Zarte hervor. Diesem Element am besten entgegen kam die Romanze, die Andsnes ganz zauberhaft geriet. Im Scherzino waren seine Wiederholungen lebhaft, aber nie „volkstümlich“. Im Intermezzo zeigte er Dramatik und emotionale Tiefe, im Finale seine Feinfühligkeit ebenso wie seine Virtuosität in den rasenden Tempi.
Dem begeisterten Publikum offerierte Leif Ove Andsnes zwei Zugaben. Zuerst einen Mephisto-Walzer, den er auf seiner herausragenden, neuen CD eingespielt hat (siehe die Kurzkritik auf der rechten Seite). Hier nun präsentierte sich der Pianist von einer anderen Seite. Er griff stärker in die Tasten, sein Anschlag passte sich der dramatischen Musik an. Im Mephisto-Walzer verstand er es, starke und dunkle Gefühle auszudrücken. Dies war der Andsnes, der mir am besten gefiel. Die zweite Zugabe war ein Lied von Chopin in der Transkription von Liszt, in dem der Norweger erneut seine zart-romantische Seite ausspielte und damit an das offizielle Programm anknüpfte. Es war ein Abend der sanften, introspektiven Töne, abgesehen vom Mephisto-Walzer ohne Abgründe, Dissonanzen und Zweifel vorgetragen. Andsnes‘ Programm war nicht das eines Verzweifelten oder Suchenden, der innere Konflikte offen legt, sondern das eines Wissenden, der seine ruhigen, zurückhaltenden Einsichten mit dem Publikum teilt, wodurch die dramatischen Momente umso eindrücklicher gerieten.
Leif Ove Andsnes: Grieg. Lyrische Stücke. EMI, 2002. Fotos/Photos Copyright EMI. CD bestelllen bei Amazon.de.
Kritik am 23. Juli 2006 hierherverschoben aus Cosmopolis Nr. 13 vom März 2000: Leif Ove Andsnes: Klavierkonzerte von Haydn. EMI, Februar 2000. CD bestellen bei Amazon.de.
Haydn war kein Klaviervirtuose. Obwohl er für Symphonie, Streichquartett, Klaviersonate und Klaviertrio langwährende Formregeln etablierte, wirken seine Klavierkonzerte auf uns heute im Vergleich mit denjenigen von Mozart stellenweise rigide und stereotypen Formen verhaftet. Leif Ove Andsnes Einspielung der Klavierkonzerte Nr. 3, 4 und 11 von Haydn, zusammen mit dem Norwegian Chamber Orchestra aufgenommen, zeugt von diesen Schwächen. Sie legt aber auch offen, dass Haydn es verstand, nicht mit Virtuosität, sondern mit Zurückhaltung und oft mit einfachsten Mitteln grosse Effekte zu erzielen, so im Largo cantabile des Klavierkonzerts Nr. 3 F-dur. Das einzige regelmässig aufgeführte Klavierkonzert Haydns ist Nr. 11 D-dur, dessen abschliessendes Rondo all’Ungarese den Witz Haydns hervorragend verkörpert und nur so von Ideen übersprudelt, weshalb es zurecht einen festen Platz in der Aufführungspraxis gefunden hat, wie die Einspielung mit Leif Ove Andsnes unterstreicht. CD bestellen bei Amazon.de.
Hinzugefügt am 14. Mai 2014: Neu erhältlich ist seit 2014 die CD mit den Beethoven Klavierkonzerten 2 & 4, die Leif Ove Andsnes mit dem Mahler Chamber Orchestra eingespielt hat. Bestellen bei Amazon.de, Amazon.com und Amazon.co.uk.
Zehetmair, Rattle, Andsnes, CBSO: Karol Szymanowski: Violinkonzerte und Sinfonie Nr. 4. EMI, 2004. CD bestellen bei Amazon.de, Amazon.co.uk, Amazon.com, Amazon.fr.
Leif Ove Andsnes, Ian Bostridge: Schubert: Winterreise. EMI, August 2004. CD bestellen bei Amazon.de oder Amazon.com.
Leif Ove Andsnes – A Portrait. EMI, 2001/2002 je nach Land. Die Doppel-CD bietet einen Querschnitt durch das Schaffen des Pianisten. Bestellen bei Amazon.de,Amazon.com, Amazon.fr, Amazon.co.uk.
Andsnes: Franz Liszt Piano Rezital. EMI, 2001. Bestellen bei Amazon.de, Amazon.com, Amazon.co.uk, Amazon.fr.
Diese CD steht in einigem Kontrast zu dem in der Tonhalle gespielten (offiziellen) Bach-, Schubert- und Schumann-Programm. Nicht der zarte Anschlag und die bewusste Zurücknahme, sondern dramatische und düstere Stücke von Liszt zu Dantes Hölle und zu Mephisto stehen im Mittelpunkt. In den Zugaben in der Tonhalle kam ich dann schliesslich mit einem Mephisto-Walzer doch noch auf meine Kosten. Die CD-Version ist allerdings noch beeindruckender. Andsnes spielt beunruhigend und bedrückend, gleichzeitig klar und mit Verständnis für die Werke; da sind kein Zweifeln und kein Probieren spürbar. Auch einfühlsame Passagen und subtil abgestufte Schattierungen sowie religiös-kontemplative Momente fehlen ebenfalls nicht. Hin und wieder fehlt ihm vielleicht ein Schuss Genialität und Wahnsinn, Erfindungskraft und Spontaneität, doch Andsnes setzt seine vorhandenen Qualitäten hervorragend ein und in der Musik um und macht so sein Liszt-Recital zu einem Ereignis. Mehr als nur empfehlenswert, seine bisher tiefgründigste Aufnahme.
Andsnes: Haydn Klaviersonaten, EMI, 1999. Bestellen bei Amazon.de, Amazon.com, Amazon.co.uk, Amazon.fr.
Andsnes: Schumann Klaviersonate Nr. 1, Fantasie in C-Dur. EMI, 1997. Bestellen bei Amazon.de, Amazon.com, Amazon.co.uk. Schumann kommt der lyrischen Ader von Andsnes entgegen, der bewusst zurückhaltend, mit feinem Anschlag spielt. Die erste Klaviersonate wird von Schumanns zwei Seiten geprägt, den „Davidsbündlern“ Florestan und Eusebius, wobei der erstere für die leidenschaftliche und stürmische Seite und der letztere für die schwärmerische steht. Andsnes versteht es, die Balance zwischen den gegensätzlichen Naturen zu halten, wobei mancher Hörer hier und dort vielleicht etwas mehr Feuer und Spontaneität erwarten würde.
Andsnes: Janacek Klaviersonaten, etc. Virgin/EMI, 1991. Die Platte wurde mit dem prestigeträchtigen Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Bestellen bei Amazon.de, Amazon.com, Amazon.co.uk.
CD-Kritik am 23. Juli 2006 hierherverschoben aus Cosmopolis Nr. 16 vom Juli 2000: Leif Ove Andnses: Werke von Grieg (Klavierkonzert, Klaviersonate, lyrische Stücke), April 2000, Virgin/EMI. CD bestellen bei Amazon.de.
Der 1843 in Bergen geborene und dort im Jahr 1907 verstorbene Komponist Edvard Grieg wurde von der norwegischen Volksmusik entscheidend beeinflusst. Er war ein Meister der kleinen Form und widmete sich insbesondere dem Klavier. Davon zeugt die vorliegende CD, von Leif Ove Andsnes und dem Bergen Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Dmitri Kitayenko eingespielt.
Griegs 1870 fertig gestelltes Klavierkonzert Op. 16 weist gewisse Ähnlichkeiten zu dem Konzert von Schumann auf (in derselben Tonlage und Orchestereinführung), das er einige Jahre zuvor in Deutschland gehört hatte, gespielt von Clara Wieck, Schumanns Gattin. Auf einen dramatischen Beginn folgt mit dem Adagio ein verhaltener, lyrisch-poetischer Mittelteil, auf das ein Finale in einem raschen Rhythmus folgt.
Die Klaviersonate Op. 7 ist ein Jugendwerk Griegs, 1865 entstanden und voller Romantik und Leidenschaft. Auch die drei poetischen Bilder Op. 3 (1863), die Albumblätter Op. 28 (1878) sowie die Lyrischen Stücke Op. 43 (1886), Op. 54 (1891) und Op. 65 (1896) sind poetisch, ruhig und verhalten. Unter den kurzen Stücken sind allerdings einige schwächere, belanglose.
Grieg war kein Mann lauter Töne. Sein Glockengeläut in Op. 54 ist kein lautes Gebimmel, sondern zurückhaltend und andächtig. Im selben Werk ist auch ein lustiger Marsch der Trolle zu finden. Diese auf nordischem Temperament und norwegischer Volksmusik beruhenden Werke werden logischerweise – wie auf dieser CD – am Besten von Musikern aus Griegs Heimat gespielt. Orchester und Pianist gehören nicht zu den Stars der Branche. Doch gute klassische Musik muss nicht teuer sein.