Max Liebermann 1847-1935

Feb 02, 2004 at 12:27 2517

Biografie und Werk

Max Liebermann (Quelle: Dietrich Gronau: Max Liebermann; Amazon.de) wurde am 20. Juli 1847 in Berlin als Sohn einer wohlhabenden Familie von Kattunfabrikanten geboren. 1856 kaufte die Firma Liebermann & Co. die Wilhelmshütte (Maschinen- und Brückenbau) im schlesischen Sprottau und bald darauf die Dorotheenhütte (Eisenbahnschienen) im schlesischen Sagan. 1859 kaufte der Vater das Haus am Pariser Platz Nr. 7 neben dem Brandenburger Tor.

Ersten Zeichenunterricht erhielt er als Gymnasiast 1863 beim Maler Carl Steffeck in Berlin. Dieser erkannte sein Talent und erlaubte ihm, vorerst bis zum Abitur an den schulfreien Tagen an seinen Kursen teilzunehmen. Daneben schwärmte er für Ferdinand Lasalle, den Gründer des 1863 gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, der im Jahr darauf verstarb.

1866 immatrikulierte sich Liebermann an der Philosophischen Fakultät der Berliner Universität, ohne jedoch Vorlesungen zu besuchen. Stattdessen entstanden sein ersten Selbstbildnis und Skizzenbuch. Gegen den Willen des Vaters schlug Max eine künstlerische Laufbahn ein. Ab 1868 studierte Max an der Weimarer Kunstschule. Er wohnte gegenüber dem Goethe-Haus. Goethe wurde dann auch seine Lieblingslektüre.

1870 nahm er kurz am Deutsch-Französischen Krieg als Sanitätsfreiwilliger teil. Die Bilder von verwundeten und sterbenden Soldaten sollten ihn den Rest seines Lebens verfolgen.

1871 besuchte er den ungarischen Maler Michael von Munkácsy in Düsseldorf und machte eine kurze Reise nach Holland. Später sollte er regelmässig im Nachbarland künstlerische Inspiration finden.

Bereits Liebermanns erstes grosses Bild, Gänserupferinnen, sorgte 1872 in Hamburg nicht nur wegen seiner handwerklichen Qualität für grosses Aufsehen, sondern brachte ihm auch wegen der Gewöhnlichkeit des Themas den verkaufshindernden Ruf ein „Maler des Hässlichen“ zu sein ein.

Nach einer Reise nach Paris folgte ein erster längerer Aufenthalt in Holland, wo das Bild Konservenmacherinnen entstand, das 1873 in Antwerpen gezeigt wurde.

1873 übersiedelte Liebermann von Weimar nach Paris, um den verehrten Malern der Schule von Barbizon nahe zu sein. Unter deren Einfluss hellte sich seine bis dahin dunkle Farbpalette auf.


Max Liebermann im Jahr 1904. Public Domain. Foto: Wikimedia Commons.

1874 erzielte er mit den Gänserupferinnen einen Achtungserfolg auf dem Pariser Salon. Den Sommer und Herbst verbrachte er in der Malerkolonie von Barbizon bei Fontainebleau, wo er im Jahr darauf verstorbenen Maler Jean-François Millet zu malen ländlicher Szenen wie Kartoffelsammlerin und Kartoffelernte angeregt wurde.

Ab 1875 schob Liebermann jährliche Aufenthalte in Holland ein, wo er die Intimität des einfachen Lebens schätzte, die er in seinen unprätentiösen Werken darstellen wollte. Beeinflusst wurde er, insbesondere in der Porträtkunst, von der unmittelbaren und lebendigen Malweise von Frans Hals (Jenns E. Howoldt).

1875 malte er neben Paris erneut in Barbizon. Im folgenden Jahr reiste er nach Holland, wo er in Haarlem Frans Hals kopierte. 1877 malte er in Holland das grossformatige Bild Schwimmbad, in dem er zum ersten Mal das Motiv „badende Knaben“ verarbeitete.

1878 ging Liebermann für zwei Monate wegen Krankheit nach Venedig. Von dort zog nicht mehr nach Paris, sondern nach München, wo er bis 1884 lebte. 1879 sorgte Liebermanns Bild Der zwölfjährige Jesus im Tempel für einen Skandal auf der Internationalen Kunstausstellung in München, weil es von der Kritik als Angriff auf den christlichen Glauben gedeutet wurde. Antisemitische Reaktionen waren die Folge. Liebermann hatte in dem Werk Studien in den Synagogen von Amsterdam und Venedig verarbeitet, das biblische Ereignis in die Gegenwart verlegt und als realistische, alltägliche Gesprächssituation in jüdischer Umgebung dargestellt. Liebermann übermalte später als Folge der Kritik Partien des jüdischen Jungen und passte ihn so dem konservativen Jesusbild an.

Von Künstlerkollegen war das Werk verteidigt worden. In Zeit des Skandals fällt denn auch der Beginn von Liebermanns Freundschaft mit Wilhelm Leibl. Daneben lernte Liebermann in seinen Münchner Jahren auch den Maler Fritz von Uhde kennen, der unter seinem Einfluss zur Freilichtmalerei fand.

Im August 1884 heiratete Liebermann die resolute, zehn Jahre jüngere Martha Marckwald aus der Familie Haller, von der ein Zweig in Hamburg lebte. Die Schwester seiner Frau war bereits mit seinem Bruder Georg verheiratet. Im Dezember zogen Max und Martha nach Berlin. Die Hochzeitreise führte das Ehepaar nach Holland (siehe dazu unten „Liebermann in Hamburg“). Im folgenden Jahr wurde die Tochter Käthe geboren.

Die Weltausstellung von 1889 in Paris anlässlich des 100. Jahrestages der Französischen Revolution wurde von der Deutschen Reichsregierung boykottiert. Liebermann gelang es dennoch, eine Pavillon mit Werken deutscher Gegenwartskünstler zu eröffnen. Die ihm verliehene Auszeichnung eines „Ritters der Ehrenlegion“ durfte er auf Anordnung Berlins nicht annehmen.

Liebermann reiste oft im Sommer nach Holland – ohne seine Frau. Dort fand er die Inspiration, die ihm in Paris, München und Berlin fehlte. In den späten 1880er Jahren wandte sich Liebermann der Technik des Pastells zu. Gleichzeitig entwickelte sich seine Malerei von naturalistischen „Arbeitsbildern“ weg und hin zu spontanen und skizzenhaften Momentaufnahmen im Stile impressionistischer Freilichtmalerei. (Siehe dazu auch den zweiten Teil der Biografie im Artikel Max Liebermann in Hamburg).

1892 gründete Liebermann die oppositionelle Künstlervereinigung der Elf, die eine erste Ausstellung organisiert. Da ihm zum wiederholten Mal die Grosse Goldene Medaille bei Ausstellungen der Akademie verweigert wurde, stellte er in den folgenden Jahren nur noch in Privatgalerien aus. Nach dem Tod der Mutter 1892 zog er ins Haus des Vaters am Pariser Platz.

Der Vater verstarb 1894, wodurch Max wie seine Geschwister Miterbe eines Millionvermögens wurde. Die (Alte) Nationalgalerie in Berlin erhielt aus dem Nachlass des Vaters das Bild Gänserupferinnen. 1895 erhielt Liebermann bei der Internationalen Ausstellung in Venedig den 1. Preis für sein Pastellporträt von Gerhart Hauptmann.

1896 begann Liebermanns Freundschaft mit dem neuen Direktor der Berliner Nationalgalerie, Hugo von Tschudi. Mit dem Streiter für den Impressionismus reiste er nach Paris. Dort besuchten sie den Kunsthändler Durand-Ruel, der Monet und Renoir förderte, sowie den Maler Edgar Degas in dessen Atelier. Liebermann wurde in Paris definitiv in die Ehrenlegion aufgenommen. In London besuchte er James McNeill Whistler, als zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an seinen geliebten jüngeren Bruder Felix nach Oxford reiste.

Zu seinem 50. Geburtstag erhielt Max Liebermann 1897 die langersehnte Grosse Goldene Medaille und wurde zum Professor der Berliner Akademie ernannt, an der er allerdings kein Lehramt übernahm.

1898 war er Gründungsmitglied der Künstlervereinigung Berliner Secession, zu deren Vorsitzendem er im Jahr darauf gewählt wurde. Die Secession wandte sich gegen die Bürokratisierung und Willkür von Wilhelm II. und Anton von Werner bei den offiziellen Kunstausstellungen. Anton von Werner war der bevorzugte Maler des Kaisers, weil er die jüngste Geschichte wie Schlachten, die Kaiserproklamation in Versailles und Hoffestlichkeiten realistisch und effektvoll ins Szene setzte. Als Präsident der Secession (bis 1911) setzte sich Liebermann vehement für die von Anton von Werner abgelehnte Moderne ein.

1905 wehrte sich Liebermann gegen antisemitische Angriffe durch den Kunsthistoriker Henry Thode. 1906 folgte eine bedeutende Sonderausstellung zu seinem 60. Geburtstag. 1909 kaufte er sich ein Grundstück am Wannsee, auf dem im Sommer 1910 sein „Wannseeschlösschen“ fertiggestellt wird.

Wegen der Zurückweisung von der Secessionsausstellung vom Frühjahr 1910 brach ein Konflikt zwischen 27 Expressionisten und anderen vorwiegend jungen Künstlern der Moderne auf der einen sowie Naturalisten und Impressionisten auf der anderen Seite aus. Die wie Emil Nolde und Max Pechstein „Zurückgewiesenen“ gründeten die „Neue Secession“. Nolde schrieb im Dezember einen Protestbrief an den Herausgeber der Zeitschrift Kunst und Künstler, Karl Scheffler. An Liebermann, den er als Präsidenten der Secession als Urheber der Behinderung der jungen Modernen betrachtete, schickte er eine Kopie. Liebermann erklärte auf der Generalversammlung der Secession vom 19. Januar 1911 seinen Rücktritt und legte noch im selben Jahr den Vorsitz nieder.

1912 wurde Liebermann zum 65. Geburtstag der Orden von Oranje-Nassau durch die niederländische Königin verliehen. Zudem wurde er in den Senat der Berliner Akademie der Künste gewählt.

1913 spaltete sich die Sezession, als von der Frühjahrsausstellung Zurückgewiesene dem Vorsitzenden, dem Kunsthändlers Paul Cassirer, vorwarfen, zu sehr seine Händlerinteressen wahrzunehmen. Sie gründeten im März 1914 die Freie Secession. Liebermann wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt.

Von 1920 bis 1933 war Liebermann Präsident der Preussischen Akademie der Künste. 1933 trat er aus der Akademie als Mitglied der Künstlergenossenschaft und des Senats aus und legte die Ehrenpräsidentschaft wegen antisemitischer und politischer Säuberungen durch die Nationalsozialisten nieder, noch bevor sie ihn rauswerfen konnten. Er machte sich keine Illusionen über die Diktatur. Laut Biograf Dietrich Gronau wurde Liebermann allerdings nicht mit einem Mal- und Ausstellungsverbot belegt.

Liebermann liess sich noch zum Ehrenpräsidenten des Mitte 1933 gegründeten Kulturbundes Deutscher Juden wählen. Dem hebräischen Dichter Chaim Nachman Bialik schrieb er am 28. Juni 1933, dass er früher in ihren Gesprächen zu erklären suchte, warum er dem Zionismus fern gestanden sei. Heute denke er anders: „So schwer es mir auch wurde, ich bin aus dem Traum, den ich mein langes Leben geträumt habe, erwacht.“

Max Liebermann verstarb am 8. Februar 1935 mit 88 Jahren in Berlin und wurde auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee beigesetzt. Wenige Stunden nach seinem Tod bat seine Witwe den Bildhauer Arno Breker, dem Verstorbenen die Totenmaske abzunehmen. Die grausige Ironie wollte es, dass Breker danach zum führenden Bildhauer der Nazis aufstieg und sich der besonderen Gunst von Hitler und Goebbels erfreute.


Rezension von/Die Quelle für diesen Artikel: Dietrich Gronau: Max Liebermann. Eine Biographie. Fischer Taschenbuch Verlag, 2. Auflage Oktober 2002 (Originalausgabe Dez. 2001), 414 S. Bestellen bei Amazon.de.

In der permanenten Ausstellung der Hamburger Kunsthalle befinden sich die Netzflickerinnen (1887-89) von Liebermann. Auf seiner Hochzeitsreise 1884 in Holland begegnete der Künstler erstmals der Arbeit der Netzflickerinnen. In Scheveningen fertigten er und der ihn begleitende Maler Jozef Israels Skizzen zu diesem Motiv an. Nachdem Israels 1886 ein grosses Ölgemälde zum dem Thema geschaffen hatte, nahm es auch Liebermann in zahlreichen Zeichnungen und Ölstudien wieder auf. 1887 schliesslich begann er die Komposition seines Gemäldes, das er auf Grund schwerer Gichtanfälle aber erst im Winter 1888/89 vollenden konnte.

Das Werk wurde 1889 nicht etwa von einem berühmten Mäzen gekauft, sondern der Direktor der Berliner Museen, Wilhelm Bode, sah es an der Weltausstellung in Paris, wo es eine Ehrenmedaille gewann. Bode empfahl Lichtwark die Netzflickerinnen, und der Direktor der Hamburger Kunsthalle kaufte es unbesehen zum geringen Kaufpreis von 1000 Mark, der von den Hörerinnen von Lichtwarks Vorlesungen gespendet wurde.

Die Netzflickerinnen waren das erste Gemälde des Künstlers, das die Kunsthalle ankaufte. Es war der Auftakt zur Bildung einer der bedeutendsten Liebermann-Sammlungen. Zwei Jahre später erfolgte der zweite Ankauf. Lichtwark beauftragte Liebermann, ein Porträt des Hamburger Bürgermeisters Carl Friedrich Petersen zu malen. Das Ergebnis hätte den Direktor beinahe sein Amt gekostet, denn insbesondere die Familie des Porträtierten war mit dem zügig gemalten und ungeschönten Werk unzufrieden. Doch glücklicherweise blieb der Direktor im Amt und die Beziehung zum Künstler konnte weiter gepflegt werden. Wie fruchtbar diese war, dokumentierte 2003 eine Ausstellung.

Von Mai bis August 2003 zeigte die Hamburger Kunsthalle erstmals eine Auswahl von 100 Meisterzeichen des 19. Jahrhunderts aus den Beständen des Kupferstichkabinetts unter dem Titel von Von Runge bis Menzel. Die Werke von Max Liebermann nahmen dabei einen wichtigen Platz ein.

Max Liebermanns Pastell Das Zimmer des Künstlers bei Jacob in Nienstedten stammt aus dem Sommer 1902. Das Hotel existiert heute noch als Louis C. Jacob. Der Schreibende hat dort im „Liebermann-Zimmer“ übernachtet, in dem einige kleinere Werke des Künstlers hängen. Das Zimmer ist wärmstens weiter zu empfehlen. Liebermann wohnte vom 3. Juli bis 5. August 1902 auf Einladung des Kunsthalledirektors Lichtwark im Louis C. Jacob, um für die „Sammlung von Bildern aus Hamburg“ Ansichten der Umgebung zu malen. Das Gartencafé auf der Lindenterrasse war seit dem 18. Jahrhundert berühmt und entsprechend gut besucht. Von hier hat man einen vorzüglichen Ausblick auf die Elbchaussee (heute befindet sich der Airbus-Komplex auf der gegenüberliegenden Seite der Elbe).

In der permanenten Ausstellung der Hamburger Kunsthalle befindet sich übrigens das ebenfalls 1902 entstandene Ölgemälde Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe (70 cm x 100 cm), eines von Liebermanns berühmtesten Werke überhaupt. Es ist von einer lichten, sommerlichen Stimmung getragen. Allerdings beschrieb der Künstler noch Monate nach dem Aufenthalt in einem Brief an Lichtwark den Sommer 1902 als für Hamburg typisch verregnet.

In der Ausstellung Von Runge bis Menzel war auch Liebermanns Pastell Das Godeffroy’sche Landhaus im Hirschpark von Nienstedten an der Elbe (1902) zu bewundern, das ebenfalls zum Zyklus „Sammlung von Bildern aus Hamburg“ gehört. Es handelt sich um das vom dänischen Architekten Christian Frederik Hansen (1756-1845) für Johann César Godeffroy zwischen 1789 und 1792 errichtete Anwesen, das Liebermann bereits 1890 erstmals auf seinen Spaziergängen durch die Hamburger Parkanlagen gesehen hatte und das ihn so beeindruckte, dass er die Mittelfront des klassizistischen Landhauses als Vorbild für seine Villa am Wannsee (1909/10) nahm.

Ebenfalls Teil der Ausstellung Von Runge bis Menzel war Liebermanns Kreidezeichnung Blick auf Nordwijk (um 1906). Sie entstand im holländischen Küstenort, in dem er ab 1905 die Sommermonate verbrachte, um vor der Natur zu zeichnen. Die Hamburger Zeichnung gehört zu einer Gruppe von Skizzen, die Liebermann als Vorlage für sein Bild von 1906 Dünen von Nordwijk verwendete (Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie). Der freie, fast impressionistische Duktus der Nordwijk-Studien begeisterte Liebermanns Zeitgenossen.

Max Liebermann: Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe, 1902. Öl auf Leinwand, 70cm x 100cm. Foto © Elke Walford/ Hamburger Kunsthalle.

Rezension von/Die Quelle für diesen Artikel: Dietrich Gronau: Max Liebermann. Eine Biographie. Fischer Taschenbuch Verlag, 2. Auflage Oktober 2002 (Originalausgabe Dez. 2001), 414 S. Bestellen bei Amazon.de. Das nicht tief schürfende Buch ist die Quelle für den diesen Artikel, zusammen mit Informationen der Hamburger Kunsthalle.