Michael Kraske und Dirk Laabs: Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD

Feb 05, 2025 at 11:40 103

Die AfD wird von einigen verharmlost. Dabei zeigt ein „Detail“, wie sehr die Partei in den letzten Jahren nach rechts gerückt ist. Nach der Skandal-Rede 2017 in Dresden strebte der AfD-Bundesvorstand, dem eine gewisse Alice Weidel angehörte, den Parteiausschluss von Björn Höcke an, dem die Parteiführung (zurecht) eine übergrosse Nähe zum Nationalsozialismus vorwarf. Doch das Landesschiedsgericht der AfD in Thüringen schmetterte den Versuch im Mai 2018 ab. Heute zeigt sich Alice Weidel an der Seite von Björn Höcke.

Der Journalist und Buchautor Michael Kraske und der Autor und Filmemacher Dirk Laabs recherchieren seit Jahren im extremistischen Milieu. In ihrem Buch Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD (C. H. Beck, 2024, 350 Seiten. Cookies akzeptieren – wir erhalten ein Kommission bei identischem Preis – und bestellen bei Amazon.de) kommen sie zum Schluss, dass die AfD systematisch daran arbeite, Deutschland in einen autoritären, völkischen Albtraum zu verwandeln. Kontakte ins rechtsterroristische Milieu seien kein Zufall.

Auf der Strasse marschiert die AfD Seite an Seite mit Neonazis, Pegida und Reichsbürgern. Höcke und Co. hetzen in Reden und Schriften gegen Minderheiten und die parlamentarische Demokratie. In vielen AfD-Büros arbeiten radikalste Kader aus der ultrarechten Szene unterhalb des medialen Radars.

Michael Kraske und Dirk Laabs schreiben, dass Björn Höcke, ehemaliger Gymnasiallehrer in Hessen, kein isolierter Sonderling in der AfD ist. 2019 bezeichnete ihn der heutige AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland als „Mitte der Partei“.

Nach der Veröffentlichung des „Geheimplan gegen Deutschland“ durch die Rechercheplattform Correctiv verlor der Referent von Alice Weidel, Roland Hartwig, ehemaliger Spitzenjurist der Bayer AG, seinen Job bei der der Co-Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion und der Co-Bundessprecherin der Partei.

Michael Kraske und Dirk Laabs erläutern im Zusammenhang mit dem „Geheimtreffen in Potsdam“, dass das Grundgesetz keine Plicht zur Assimilierung kennt. Es garantiert vielmehr die individuelle Freiheit, um innerhalb der rechtlichen Grenzen eigene kulturelle oder religiöse Vorstellungen ausleben zu können. Die AfD hingegen fordert „Assimiliationsdruck auf nichtintegrierte Ausländer“, „Deutschland muss wieder deutscher werden.“ Darin spiegelt sich laut den Autoren jenes völkische Denken, das die AfD nach aussen hin so gern bestreitet.

Der Angriff auf die Demoratie erfolgt laut Michael Kraske und Dirk Laabs unterhalb des Radars. Der „AfD-Chefideologe“ Börn Höcke habe 2018 in Eisleben vor Anhängern in einem Saal Einblicke in seine radikale Gedankenwelt gewährt. Vom italienischen Philosophen und Kommunisten Antonio Gramsci habe die AfD das Konzept der kulturellen Hegemonie übernommen. Zunächst muss die Meinungsführerschaft in der Gemeinschaft übernommen werden, ehe reale politische Macht erlangt werden kann. Diesen strategischen Kulturkampf in Vorbereitung der Machtübernahme nenne die Neue Rechte „Metapolitik“.

Björn Höcke sprach in diesem Zusammenhang in Eisleben vom „Kampf um die Begriffe“: „Wer die Begriffe prägt, der prägt die Sprache. Wer die Sprache prägt, der prägt das Denken. Wer das Denken prägt, der prägt den politischen Diskurs. Und wer den politischen Diskurs prägt, der beherrscht die Politik, egal ob er in der Opposition ist oder in der Regierung.“

Laut Michael Kraske und Dirk Laabs steckt hinter der Verunglimpfung der demokratischen Parteien als „Altparteien-Kartell“ der systematische Versuch, die parlamentarische Demokratie und ihre Repräsentanten zu diskreditieren und die Demokratie nach AfD-Lesart neu zu definieren.

Björn Höcke behauptete 2022 in Erfurt, in Deutschland gebe es aktuell gar keine Demokratie. Die Umdeutung funktioniert wie folgt: Aus der parlamentarischen Demokratie wird eine Parteienherrschaft, die das eigene Volk unterdrückt und daher beseitigt werden muss.

Die Grenzen des Sagbaren werden kontinuierlich weiter nach rechts verschoben. Gleichzeitig soll die bürgerliche Mitte nicht verschreckt werden. Daher hat der neurechte Verleger und Einflüsterer Götz Kubitschek in seinem Magazin Sezession eine Strategie mit drei rhetorischen Methoden entwickelt. Er empfiehlt, mit gezielten „Brückenköpfen“ in Grenzbereiche „des gerade noch Sagbaren und Machbaren“ vorzustossen. Durch „Verzahnung“ soll zudem die „Auflösung klarer Fronten“ bewirkt werden, indem Begriffe des politischen Gegners verwendet werden. Kalkulierte „Selbstverharmlosung“ dient schliesslich dazu, jegliche Kritik zu entkräften, die eigenen radikalen Ziele zu verschleiern.

Michael Kraske und Dirk Laabs unterstreichen, dass deshalb AfD-Politiker vor den eigenen Leuten völlig anders als in TV-Talks sprechen, wo es Alexander Gauland, Tino Chrupalla und anderen vor allem darum geht, die eigene Harmlosigkeit zur Schau zu stellen. Viele Redaktionen hätten dies bis heute nicht verstanden (ich würde hier im bürgerlichen Lager unter anderem die NZZ nennen). Das strategische Repertoire der AfD im öffentlichen Diskurs reicht neben Selbstverharmlosung von Lügen und Desinformation bis zu Verschwörungstheorien, je nachdem, wer gerade der Adressat ist.

Bei einer Wutrede Ende 2022 spielte Björn Höcke in Erfurt ukrainische Flüchtlinge gegen deutsche Rentner aus. Er vermischte Rente und Sozialleistungen. Kriegsflüchtlinge wurden als dreiste Profiteure des Sozialstaates gebrandmarkt und so Hass geschürt. Im „Kampf um die Köpfe“ versucht die AfD, das unsichtbare Gift des Hasses in Familien, Wohnhäuser und Schulen zu bringen.

Michael Kraske und Dirk Laabs analysieren die ultrarechten Kader der AfD, zu denen laut ihnen Terrorverdächtige und extremistische Netzwerke gehören. Sie benennen gewalttätige AfD-Mitglieder und AfD-Politiker. Sie beschreiben, wie die AfD an der Seite von Reichsbürgern, Neonazis und anderen Demoratiefeinden agiert. Wie die AfD den digitalen Raum beherrscht, so auf TikTok, und wie sie mit Fake News arbeitet. Richter, Polizisten und Soldaten wirken in der AfD mit.

Sie gehen auf Stichworte wie Remigration und Bevölkerungsaustauch (The Great Replacement, Le Grand Remplacement) ein, wie man sie z.B. von der extremen Rechten aus Frankreich (auf die nicht eingegangen wird) sowie von den Extremisten und Massenmördern Anders Breivik und Brenton Tarrant aus Norwegen und Australien kennt.

Die Autoren sprechen sich für einen Antrag zum Verbot der AfD aus. Die AfD greife unsere demokratische Gesellschaftsordnung an und stelle eine akute Gefahr für die Demokratie und ein gleichberechtigtes, respektvolles Zusammenleben dar. Die Beweislage sei erdrückend. Ein Antrag auf ein Verbot der AfD sei kein Allheilmittel, aber er sei folgerichtig, notwendig und längst überfällig. Je eher das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsfeindlichkeit der Partei überprüft und zu einem rechtsstaatlichen Urteil komme, desto besser. Sie gehen dabei auch auf Argumente der Gegner – darunter Albrecht von Lucke – eines Verbotes ein.

Ich würde dazu sagen, dass die AfD nur ein Symptom der Krise ist. An ihre Stelle würden andere politische Kräfte treten. Deutschland braucht Reformen und Wachstum. Zu viele Menschen sind Schönwetterdemokraten. Kann die Demokratie den Wohlstand nicht sichern, verliert sie rapide an Zustimmung. Ein Gift heisst Inflation, dass zur Zeit allerdings wieder unter Kontrolle zu sein scheint.

Hier nur einige weitere Stichworte zu Kapiteln aus dem Buch von Michael Kraske und Dirk Laabs. Die Autoren sind der Meinung, das der AfD nirgendwo Macht gewährt werden darf. Die Konservativen müssten standhaft bleiben. Ruhe bewahren und Nerven behalten, geben sie als Devise aus. Polizei, Justiz und Verfassungsgericht müssten geschützt werden. Die gesamte Zivilgesellschaft sei im Kampf gegen die AfD gefragt. Politische Bildung sei nötig. Die Medien müssten mit ihrem „Appeasement“ gegenüber dieser Partei aufhören. Solidarität mit Betroffenen, mehr Selbstbewusstsein und Mut sowie mehr Ehrlichkeit in der Politik seien nötig.

Dies und noch viel mehr findet sich im Buch von Michael Kraske und Dirk Laabs: Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD, C. H. Beck, 2024, 350 Seiten. Cookies akzeptieren – wir erhalten ein Kommission bei identischem Preis – und bestellen bei Amazon.de.

Zitate und Teilzitate in dieser Rezension von Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Rezension von Angriff auf Deutschland. Die schleichende Machtergreifung der AfD vom 5. Februar 2025. Hinzugefügt um 11:40 deutscher Zeit.