Bei der Bundestagwahl am 23. Februar 2025 geht es in Deutschland um eine Richtungswahl. Allerdings steht mit Friedrich Merz jemand an der Spitze der Union, dem die Exekutiverfahrung fehlt. Die SPD wiederum tritt mit Olaf Scholz an, der einst Bürgermeister von Hamburg, deutscher Finanzminister und gar Kanzler war und noch ist, doch dabei zuletzt gezeigt hat, dass er trotz aller Exekutiverfahrung als Bundeskanzler überfordert ist.
Heute ist es so, dass jemand, der an der Grenze einen Asylgesuch stellt, einreisen und selbst im Falle einer Ablehnung faktisch jahrelang in Deutschland leben kann. Der Oppositionsführer Friedrich Merz will dies ändern. Bundeskanzler Olaf Scholz verwies im Duell am 9. Februar 2025 zurecht darauf, dass der von Merz vor einigen Tagen im Bundestag eingebrachte (und mit Stimmen der AfD durchgebrachte) Entschliessungsantrag nichts bewirkt hätte, und danach ohnehin im Bundesrat, wo SPD und Grüne eine Mehrheit verhindern können, gescheitert wäre.
Ich würde dazu festhalten, dass ein Entschliessungsantrag nur eine Empfehlung an die Bundesregierung ohne bindende Wirkung ist. Von den 733 Bundestagsmitgliedern stimmten bezüglich der Drucksache 20/14698 immerhin 348 mit Ja, 344 mit Nein, 10 enthielten sich und 31 stimmen nicht ab. 75 der 76 AfD-Parlamentariern stimmten mit der Union dafür, eine Person der AfD-Fraktion nahm an der Abstimmung nicht teil.
SPD und Grüne wollten natürlich nicht rund vier Wochen vor der Bundestagswahl über das Stöckchen von Oppositionsführer Merz springen und dem Fünf-Punkte-Plan für angeblich sichere Grenzen und für das angebliche Ende der illegalen Migration am 29. Januar 2025 zustimmen. Die AfD machte freudig mit, denn sie tritt seit Jahren für solche Massnahmen ein, und die «Brandmauer» wurde so geschwächt. Diesbezüglich sind Grüne und SPD verlogen, denn gegenüber der extremen Linken haben sie keine Brandmauer. Ein Gregor Gysi, der die SED vor dem Untergang in die Demokratie «hinüberrettete», ist ein dubioser Zeitgenosse. Selbst ein Harald Schmidt oder eine Simone Solga zeigen keine Berührungsängste mit ihm. Natürlich darf jeder mit Gregor Gysi diskutieren, doch dabei sollte nie vergessen werden, dass dieser zwar einer der wenigen freien Rechtsanwälte in der DDR war und dabei Systemkritiker und Ausreisewillige verteidigte, für die Zulassung des oppositionellen Neuen Forums eintrat, doch dabei Teil der DDR-Nomenklatura war. Gysi war seit 1976 Mitglied der SED und noch im September 1989 in der Botschaft der Bundesrepublik in Prag, um die dort versammelten DDR-Flüchtlinge zur Rückkehr in die DDR aufzufordern. Er trat gegen die „Diskriminierung“ und „Verfolgung“ von Stasi-Mitarbeitern und ihrer Familien ein. Er rettete die SED rüber ins demokratische Deutschland und meinte: „Unsere Partei wird sich stets auch für die Interessen der Staatsbürger in Uniform einsetzen.“ Auf dem Sonderparteitag am 9. Dezember 1989 wählten ihn 95,3% der Delegierten zum Vorsitzenden der SED. Hubertus Knabe (Honeckers Erben. Die Wahrheit über DIE LINKE, Propyläen, 2009) lesen!
Zurück zum Duell vom 9. Februar 2025, in dem Friedrich Merz festhielt, dass die Union und die AfD in Sachfragen Welten bezüglich Europa, NATO, Euro, Russland und Amerika trennten. Es habe keine Zusammenarbeit letzte Woche mit der AfD gegeben. Olaf Scholz sagte, er glaube Merz nicht. Er verwies auf Altkanzlein Merkel bezüglich Wort- und Tabubruch. Da nahm Friedrich Merz ein Interview von 2023 von Olaf Scholz mit der Thüringer Allgemeine Zeitung hervor. Darin wurde der Kanzler gefragt: Aber wenn die Stimmen der AfD für die Mehrheit benötigt werden… Scholz dazu: Das ist doch keine Zusammenarbeit.
Friedrich Merz im Duell: „Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt. Klarer kann man es nicht sagen.“
Kanzler Scholz warf ein, dass es in Thüringen zwischen der SPD und der AfD um den Kita-Ausbau auf kommunaler Ebene ging.
Ich würde sagen, dass Merz nicht mit der AfD zusammenarbeitet, dass SPD und Grüne hier etwas künstlich hochkochen, weil sie damit ihre Wähler mobilisieren können. Maybrit Illner meinte im Duell, das Land sei in Aufruhr: 250,000 Menschen gingen in München auf Strasse.
Zu meinem Erstaunen hat die Taktik von Friedrich Merz bisher in Umfragen keinen Umschwung für SPD und Grüne gebracht. Wer rechte Rhetorik übernimmt, hilft in der Regel dem Original, also der AfD.
Der Unionskandidat bedauerte die Mehrheit mit Hilfe der AfD beim Entschliessungsantrag zwar, schob die Verantwortung allerdings SPD und Grünen zu. Diese hätten mit der Union stimmen können, dann hätte es die AfD-Stimmen nicht gebraucht. Robert Habeck von den Grünen sprach in diesem Zusammenhang (nicht ganz zu Unrecht) von „Erpressung“.
Der Wortbruch und Tabubuch, den Scholz Merz vorwirft, ist zwar verlogen, doch war er abzusehen. Wollte Merz bewusst zuspitzen, um zu zeigen, dass SPD und Grüne keine Veränderung in der Asylpolitik wollen? Hochrisiko kurz vor der Wahl, bei der die Union in Umfragen so stark wie SPD und Grüne zusammen ist. Was zählt, ist die Wahlbeteiligung. Wer kann seine Wähler nun mehr mobilisieren?
Im Duell meinte Olaf Scholz, die irreguläre Zuwanderung sei unter ihm um 100,000, um über ein Drittel gesunken, und Abschiebungen hätten um über 70% gesteigert werden können, seit er Kanzler sei.
Friedrich Merz entgegnete, in vier Tagen kämen nach wie vor so viele Zuwanderer, wie in einem Monat abgeschoben würden. In der Amtszeit von Scholz seien über 2 Millionen irreguläre Migranten nach Deutschland gekomen. Das sei zuviel.
Kanzler Scholz sagte, es habe nie härtere Einwanderungsregeln gegeben, als er es durchgesetzt habe.
Bezüglich der Gesetzeskonformität der Massnahmen, die er vorschlägt, sagte Friedrich Merz im Duell, Finnland, Schweden Dänemark, Frankreich und Spanien machten Zurückweisungen an der Grenze nach Europarecht. Er verwies auf den sozialdemokratischen Historiker Heinrich August Winkler, wonach es schon vor der 1993 erfolgten Änderung des Grundgesetzes möglich gewesen wäre, an der Grenze Asylanträger zurückzuweisen.
Merz meinte bezüglich der Wirtschaft im Duell, 300,000 Arbeitsplätze seien in der Industrie verloren, das sei Deindustrialisierung, die Scholz bestreite. Es gebe Kapitalabfluss aus Deutschland, wie wir es noch nie gesehen hätten.
Der Kanzler entgegnete, Deutschland habe 46 Millionen Erwerbstätige, und die zweitniedrigste Arbeitslosenquote aller G7-Staaten. Er zitierte das Wirtschaftsblatt Financial Times. Bezüglich Steuern meinte er: «Wer drei Millionen Euro verdient, kann ein bisschen mehr Steuern zahlen.»
Der Kanzler brachte den peinlichen Satz: „Ich habe die Ukraine nicht überfallen.“ Ich: Er tat zuvor – wie Joe Biden und andere – allerdings nicht genug, um Putin davon abzuhalten. Danach tat er definitiv nicht genug, um es der Ukraine zu erlauben, Russland aus dem Land zu werfen. Trotz weitgehend richtiger „Zeitenwende“-Rede mauerte er danach bei der Hilfe, wo er konnte. Von Führung konnte keine Rede sein.
Oppositionsführer Merz monierte, dass andere Länder anders als Deutschland bereits wieder eine wachsende Wirtschaft hätten. Olaf Scholz erwiederte, Deutschland sei im Export erfolgreicher, und andere Länder hätte „irre“ Schulden gemacht, um das Wachstum anzukurbeln.
Friedrich Merz fragte rhetorisch, warum schalten wir drei AKWs in Energiekrise ab? Ideologie.
Olaf Scholz meinte, Steuersenkungen und die Soli-Abschaffung seien völlig verfehlt. Es fehle Geld. Ab 2028 brauche es €28 Milliarden jährlich zusätzlich für Verteidigung, doch die Gegenfinanzierung fehle.
Der Kanzler unterstrich, dass dank dem Mindestlohn heute der Niedriglohnsektor so gering sei wie noch nie. Er betonte, er wolle einen Mindestlohn von €15 pro Stunde.
Frierich Merz meinte, man hätte den Frieden früher erreichen können (er ist noch nicht da), wenn man der Ukraine früher, beherzter und weniger zögerlich geholfen hätte. Doch das sei vergossene Milch. Ohne die USA werde es nicht gehen. Es wäre gut wenn Europa eine einige Meinung hätte, am besten zusammen mit den USA.
Olaf Scholz betonte, Europa und die USA müssten weiter gemeinsam Unterstützung für die Ukraine signalisieren, sonst werde Putin nicht einlenken. Es sei nach wie vor ein gefährlicher Krieg, bei dem „wir“ jeden Tag dafür kämpfen müssten, dass er nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der NATO eskaliere [einmal mehr spielte der Kanzler mit der Angst der Deutschen vor der Involvierung in den Krieg und vor einem Atomkrieg]. Er meinte, „wir“, also die Deutschen, müssten der Ukraine helfen, dass sie eine starke Armee habe. Die USA lehnen eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ab. Dies werde nicht verbaut, aber e s stehe nicht an.
Oppositionsführer Merz meinte, bei Taurus sei er immer klar gewesen. Die Moderatorin Maybrit Illner verneinte dies. Kanzler Scholz wiederum war klar gegen Taurus: «Ich halte es nicht für richtig, wenn wir Waffen liefern, die mit grosser Zerstörungskraft weit im im russischen Hinterland wirken können. Das ist, glaube ich, genau der Schritt, den man, wenn man Verantwortung für Deutschland hat, nicht gehen soll.»
Ich: Der Kanzler ist bezüglich Taurus unglaubwürdig. Weil eine Waffe besondere Durchschlagskraft hat, soll sie nicht geliefert werden? Was ist das für eine Logik? Wieder geht es um Verhinderung einer Eskalation, wo doch nur Putin immer eskaliert.
Friedrich Merz meinte, die Ukraine könnte z.Z. nicht in die NATO aufgenommen werden, als Land im Krieg (NATO-Statuen). Doch die Ukraine habe Kandidatenstatus bezüglich der EU, sie sollte mittefristig in die EU aufgenommen werden, und die EU habe auch Beistandsklauseln (was der Ukraine Schutz biete).
Friedrich Merz betonte, die EU mit 450 Millionen Einwohnern, plus das UK, sei viel grösser als die USA und Kanada. Er meinte: „Wir sollten uns nicht kleiner machen, als wird sind.“ Mit den USA solle auf Augenhöhe und mit einer klaren Sprache zu Zöllen gesprochen werden.
Merz wies darauf hin, dass die AfD beim Amtsantritt von Scholz bei 10,3%, jetzt jedoch bei 20% liege. Dies sei eine Bedrohung für unsere Demokratie. Scholz wollte linke Politik, dafür gebe es schon lange keine Mehrheit mehr.
Ich: Merz vergass zu erwähnen, dass er selbst bei seinem Antritt als CDU-Parteichef die AfD halbieren wollte. Er hatte im September 2023 behauptet, dass abgelehnte Asylbewerber Zahnsanierungen erhielten und Deutsche deshalb keine Behandlungstermine bekämen. Diese erfundene, populistische Geschichte war Wasser auf die Mühlen der AfD.
Fazit: Im Duell vom 9. Februar 2025, gut moderiert von Sandra Maischberger (ARD) und Maybrit Illner (ZDF), zeigten sich die beiden Kandidaten weitgehend sachlich, wobei der Oppositionsführer nach Punkten siegte. Gilt leider allerdings noch immer: Jemand sollte Friedrich Merz sagen, dass er an seiner Mimik arbeiten sollte. Gilt aber auch: Deutschlands Wirtschaft schrumpft seit 2 Jahren. Scholz hätte einen klaren Sieg gebraucht.
Der Unterschied der deutschen Debatte zu den USA fiel ins Auge, wo der Populismus mit Trump dominierte. Viele Themen wurden allerdings nicht angesprochen: Klima und Abfallproblem, Infrastruktur, Digitalisierung, Steuerreform, zu hohe Staatsquote, etc.
Am Donnerstag, dem 13. Februar 2025, werden Kanzler Scholz und Oppositionsführer Merz im ZDF gemeinsam mit dem grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck und der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel debattieren. Die AfD liegt ja mit um die 20% in den Umfragen an zweiter Stelle hinter der CDU mit um die 30%. Die SPD kommt nur auf rund 15%, die Grünen auf etwa 14%. Linke, BSW und FDP liegen knapp über bzw. knapp unter der 5%-Hürde, die zum Einzug in den Bundestag berechtigt (ausser eine Partei gewinnt mindestens drei Direktmandate).
Empfohlene Lektüre (Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei unverändertem Preis):
Volker Resing: Friedrich Merz: Sein Weg zur Macht. Herder, Januar 2025, 224 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de.
Friedrich Merz: Neue Zeit. Neue Verantwortung: Demokratie und Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert. Econ Verlag, November 2020, 240 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de.
Daniel Brösler: Ein deutscher Kanzler: Olaf Scholz, der Krieg und die Angst. Propyläen Verlag, 336 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de.
Artikel vom 10. Februar 2025 um 15:12 deutscher Zeit. Zuletzt ergänzt um 15:33.