Vom Salon zum Impressionismus

Jul 25, 2024 at 11:15 608

Nur noch bis am 28. Juli 2024 dauert die Ausstellung Paris 1863 · 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln.

Der gleichnamige Katalog: Paris 1863 · 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus herausgegeben von Barbara Schaefer, mit Beiträgen von Barbara Schaefer, Frances Borzello, Fae Brauer, Laurent Cazes, Esther da Costa Meyer, Peter Kropmanns, Dominique Lobstein, John Milner, Daniel Zamani. Wienand Verlag, Wallraf das Museum, März 2024, 288 Seiten mit 195 farbigen Abbildungen, 27,5 cm x 24,5 cm, Hardcover. Das Buch bestellen bei (Cookies akzeptieren; wir erhalten eine Kommission bei identischen Preis) Amazon.de.

Vor 150 Jahren – vom 15. April bis am 15. Mai 1874 – fand die erste Ausstellung der Impressionisten im ehemaligen Pariser Studio des Fotografen Nadar statt. Die Schau wurde von der Société Anonyme des artistes peintres, sculpteurs, graveurs, etc. getragen, einer Kooperative, zu der sich Künstler Ende 1873 zusammengefunden hatten.

Laut der Kuratorin der bereits abgelaufenen Ausstellung (26.3-14.7.2024) im Musée d’Orsay, Paris 1874: Inventing Impressionism, Anne Robbins, stellten damals 31 Künstler (laut dem hier besprochenen Katalog waren es 30) 165 Werke aus, von denen wir heute nur 7 Maler mit dem Impressionismus in Verbindung bringen: Edgar Degas, Paul Cezanne, Claude Monet, Berthe Morisot, Camille Pissarro, Auguste Renoir und Alfred Sisley. Daneben wurden 1874 zum Beispiel Gravuren nach Holbein von Félix Bracquemond oder die akademische Marmorskulptur Junge Frau eine Vase haltend von Auguste Ottin gezeigt.

Im Katalog Paris 1863 · 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus ist nachzulesen, dass der Begriff «Impressionismus» auf den Theaterschriftsteller, Kunstkritiker, Maler und Journalisten Louis Leroy (1812–1885) zurückgeht, der ihn am 25. April 1874 in der Satire-Zeitschrift Le Charivari abschätzig verwendete. Der seriöse Kunstkritiker und Journalist Jules-Antoine Castagnary (1830–1888) benutzte ihn ebenfalls in seinem wohlwollenden Aufsatz »Ausstellung am Boulevard des Capucines. Die Impressionisten«, der in der Zeitschrift Le Siècle erschien. Castagnary urteilte über die 165 ausgestellten Werke und ihre Maler: »Wenn man sie mit einem Wort charakterisieren will, das sie erklärt, muss man den neuen Begriff ›Impressionisten‹ prägen. Sie sind Impressionisten in dem Sinne, dass sie nicht die Landschaft wiedergeben, sondern das Gefühl, das die Landschaft hervorruft. Das Wort selbst ist in ihre Sprache übergegangen: Nicht Landschaft, sondern Eindruck heisst Monets ›Sonnenaufgang‹ im Katalog. Auf diese Weise verlassen sie die Realität und betreten den Idealismus.«

Louis Leroy hatte sich in seinem ironischen Artikel unter anderem über den scheinbar unfertigen Charakter von Monets skizzenhaft bearbeiteter Hafenlandschaft Impression, Sonnenaufgang (Impression, soleil levant) lustig gemacht und Spitz geurteilt: »Eine Tapete im Embryonalstadium ist weiter ausgereift als dieses Seestück.«

Nach dem Erfolg der Ausstellung von 1874 folgten sieben weitere gemeinschaftliche Projekte, die zwischen 1876 und 1886 an verschiedenen Ausstellungsorten in Paris und mit unterschiedlichen Künstlern stattfanden. Der Sammelbegriff »Impressionisten« wurde bald von zahlreichen Künstlern akzeptiert und fand bereits bei der dritten Gruppenausstellung von 1877 offiziell Verwendung. Die laut Wallraf-Katalog unscharfe Bezeichnung ist in der kunsthistorischen Forschung allerdings immer wieder hinterfragt worden.

Ein herausragender Name im Zusammenhang mit dem Impressionismus ist der Unternehmer, Mäzen und Kunstkritiker Ernest Hoschedé, der wohl bedeutendste frühe Sammler und Unterstützer der Impressionisten, der leider in finanzielle Schwierigkeiten und 1877 Pleite ging. Er kommt im Katalog leider nur in einer Fussnote vor. Nach dem Tod des Mäzens und seiner eigenen Frau heiratete ein gewisser Claude Monet die Witwe Hoschedé.

Die Impressionisten-Ausstellung von 1874 markiert die Wasserscheide zwischen Tradition und Moderne. Die Künstler malen in der freien Natur. Das Künstlerindividuum und seine persönlichen Eindrücke werden massgeblich. Es geht nicht mehr um die getreue Wiedergabe der Natur, der realen Welt. Das Momenthafte gewinnt an Bedeutung. Van Gogh, Cezanne und Gauguin knüpfen daran an und bereiten ihrerseits der Kunst nach 1900 den Weg. Doch der Ausstellungsdirektor Marcus Dekiert notiert zurecht, dass die Vorstellung eines radikalen und einem konkreten Datum zuzuschreibenden Neubeginns in der bildenden Kunst vereinfachend und zuletzt unzutreffend ist. Ausstellung und Katalog des Wallraf-Museums widmen sich daher der Vorgeschichte. Sie beginnt 1863 mit dem Salon des refusés, der Schau der (vom offiziellen Salon) zurückgewiesenen Künstler.

Die Herausgeberin des Katalogs, Barbara Schaefer, schreibt in ihrem Essay, dass die Akademie seit 1667 jährlich respektive zweijährlich den Salon officiel organisiert, der im Laufe der Zeit zum Mittelpunkt des französischen Kunstbetriebs wurde. Dabei wurden überwiegend traditionelle Werke in klassisch-realistischem Stil präsentiert. Seit 1791 waren die Ausstellungen nicht mehr der – nunmehr aufgelösten – Königlichen Akademie unterstellt, sondern staatlicher Verwaltung. Sie standen nicht mehr nur Akademiemitgliedern offen, sondern allen Künstlern – beziehungsweise denjenigen, die sich dafür hielten. Dies wiederum machte eine Kontrollinstanz erforderlich, die sogenannte Salonjury, die erstmals 1798 tätig wurde. »Opfer« der Jury waren im allgemeinen Anfänger, Amateure, Lokal- oder Regionalmaler sowie Kunsthandwerker. Professionelle Künstler konnten sich laut Barbara Schaefer in der Regel durchsetzen. Allerdings kam es vor, dass politisch nicht opportune Gemälde abgewiesen wurden. Konsequente Ablehnungen wie bei den Werken von Paul Cezanne waren laut der Kunsthistorikern hingegen nicht die Regel.

Die 31 Künstler, die 1874 an der ersten Impressionisten-Ausstellung teilnahmen, waren der Urteile der Salonjury überdrüssig. Doch gleichzeitig wollten sie nicht mit dem Salon des Refusés in Verbindung gebracht werden. Der hatte zwar zu Beginn für viel Aufsehen gesorgt, doch bis 1874 war sein Niveau nicht mehr berauschend. Daher eröffneten die 31 Künstler der Kooperative ihre Schau zwei Wochen vor dem offiziellen Salon.

Der Katalog Paris 1863 · 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus enthält neun Essays. Neben dem Beitrag von Barbara Schaefer, die den Weg vom offiziellen Salon zum Impressionismus nachzeichnet, widmet sich Dominique Lobstein der Akademie der Schönen Künste in den jahre 1863 bis 1874, Laurent Cazes dem Beitrag ausländischer Künstler, Esther da Costa schreibt zum Thema Umbruch und Kontinuität im Paris des Zweiten Kaiserreiches (1852-1870), Fae Brauer untersucht „Die Unterdrückung des Impressionismus: Haussmannisierung, Kunst im Zweiten Kaiserreich und die Salons des refusés“, Frances Borzello widmet sich den Künstlerinnen des Impressionismus, John Milner untersucht den Weg vom Kaiserreich zur Republik, den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 und die Pariser Kommune, Daniel Zamani untersucht die Entstehung der Gruppe der Impressionisten, ihre Protagonisten und Ziele, Peter Kropmanns widmet sich den zeitgenössischen Reaktionen auf den Impressionismus, der Kunstkritik und dem Kunsthandel in Paris um 1870. Beschreibungen und Abbildungen der Werke der Ausstellung im Wallraf-Museum runden den spannenden Band ab.

Der Katalog: Paris 1863 · 1874: Revolution in der Kunst. Vom Salon zum Impressionismus herausgegeben von Barbara Schaefer, mit Beiträgen von Barbara Schaefer, Frances Borzello, Fae Brauer, Laurent Cazes, Esther da Costa Meyer, Peter Kropmanns, Dominique Lobstein, John Milner, Daniel Zamani. Wienand Verlag, Wallraf das Museum, März 2024, 288 Seiten mit 195 farbigen Abbildungen, 27,5 cm x 24,5 cm, Hardcover. Das Buch bestellen bei (Cookies akzeptieren; wir erhalten eine Kommission bei identischen Preis) Amazon.de.

Zitate und Teilzitate in dieser Ausstellungskritik / Rezension der Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Ausstellungskritik / Rezension vom 25. Juli 2024 um 11:15 deutscher Zeit.