Weite Teile der SPD bewegen sich aussen-, verteidigungs- und sicherheitspolitisch nicht erst seit dem im Juni 2025 veröffentlichten „Manifest“ der „SPD-Friedenskreise“, unterzeichnet von über 100 Sozialdemokraten, auf Abwegen.
2024 führte die SPD einen verlogenen Europawahlkampf für „Frieden“. Peinlich in Erinnerung geblieben ist zudem, wie Kanzler Scholz sich bei der Ukraine-Hilfe immer mal wieder bockig zeigte: bei Haubitzen und Hubschraubern, beim Schützenpanzer Marder, danach beim Raketenwerfer Mars, beim Kampfpanzer Leopard, bei Kampflugzeugen sowie bis zuletzt bei der Lieferung von Taurus.
Der neue Kanzler Merz von der CDU sowie der alte und neue Verteidigungsminister Pistorius von der SPD sind nun immerhin bereit, teilweise Waffensysteme mit grosser Reichweite zu bezahlen und zusammen mit der Ukraine in der Ukraine zu produzieren. Doch hat Boris Pistorius in Kiew klar gemacht, dass die Deutschen den Ukrainern weiterhin nicht die dort dringend benötigten Taurus liefern werden. Deutschland soll davon 600 haben. Davon 150 in die Ukraine zu senden würde dem Land im Kampf gegen den russischen Aggressor sehr helfen.
Mit der Verweigerung der Taurus-Lieferung bestärkt Berlin den skrupellosen Diktator Putin nur in seiner Ansicht, die Europäer seien schwach, langfristig werde er seine Kriegsziele – oder zumindest viele davon – erreichen. Der Kreml ist bereit, Hunderttausende seiner Soldaten im Krieg zu verheizen. Putin hat teilweise auf Kriegswirtschaft umgestellt. Er hat weiterhin expansive Absichten.
Zurück zur SPD. Am 12. Mai 2025 lobte der Sozialdemokrat Ralf Stegner seinen 2015 verstorbenen Parteikollegen Egon Bahr, der unter Willi Brandt eine Schlüsselrolle in der Ostpolitik eingenommen hatte. Roderich Kiesewetter stellte (zurecht) klar:
«… Herr Stegner hat gerade Herrn Bahr gebracht. Und nur um das Denken deutlich zu machen. Herr Bahr hat noch zu Ende seiner Lebenszeit 2014 gesagt: Die Ukraine kann nie ganz Westen, nie ganz Osten sein, sie ist immer dazwischen, eine Pufferzone. Und 1981 war der Generalsekretär Bahr derjenige, der nicht nur Sozialdemokraten, sondern auch den deutschen Gewerkschaften geraten hat, nicht mit der [polnischen Gewerkschaft] Solidarnosc zu sprechen, weil es die Harmonie und Stabilität in Polen breche. Ich glaube, wenn wir solche Referenzpersonen haben, weiss ich auch um das Mindset. Und es geht hier nicht um Waffen an die Ukraine. Es geht darum, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, politisch, zivil und auch im hybriden Feld zu bestehen. Und die Ukraine braucht da unsere Unterstützung, und nicht unsere Belehrung. Und wenn man dann auf der Gegenseite mit Russland spricht, ohne das sinnvoll zu erklären und einzuordnen, besteht dort der Eindruck, dass Schattendiplomatie geführt wird, wo dann letztlich die Ukraine einlenken muss, und letztlich Gebiete abtreten muss, und wir dann sagen: Hauptsache Waffenstillstand, wenn wir den Frieden nicht schaffen. Und ich sage immer: Frieden ist Frieden in Freiheit. Nun, ist es ihnen gelungen, Herr Stegner, ist es ihnen gelungen, den Russen klarzumachen, dass Frieden Frieden in Freiheit und Selbstbestimmung ist? Dass dazu die freie Bündniswahl der Ukraine gehört? Dass dazu die Souveränität der Grenzen gehört? Und ein letzter Gedanke: Ist es ihnen gelungen, Russland zu überzeugen – da wären sie preisverdächtig -, Russland davon zu überzeugen zu sagen: Russland, bist du willens, das Existenzrecht all deiner Nachbarstaaten anzuerkennen, so wie es Deutschland seit 1945 macht? Ist ihnen das gelungen?»
Noch ein Wort zum „Manifest“ der „SPD-Friedenskreise“ vom Juni 2025, unterzeichnet von über 100 Sozialdemokraten, darunter der oben erwähnte Ralf Stegner sowie der frühere Fraktionschef unter Kanzler Scholz, Rolf Mützenich, um nur zwei zu erwähnen. Darin stehen Sätze wie: „… In Deutschland und in den meisten europäischen Staaten haben sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen.“
Es wird auf die Politik zur Zeit von Willy Brandt verwiesen: „An die Stelle von Konfrontation und Hochrüstung traten Gespräche und Verhandlungen über Sicherheit durch Kooperation, Vertrauensbildung, Rüstungskontrolle und Abrüstung. Die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 war ein Höhepunkt dieses Zusammendenkens von Verteidigungs- und Abrüstungspolitik, das in Europa jahrzehntelang Frieden gesichert hat und schließlich auch die deutsche Einheit ermöglichte.“
Nicht erkannt wird, dass Russland unter Diktator Putin nicht mit der Sowjetunion unter Breschnew oder Gorbatschow verglichen werden kann. Putin hat Stalin und seine Diktatur rehabilitiert und bewundert den ersten Tscheka-Leiter Dzierzynski.
Die Unterzeichner des Manifests bezeichnen das 3,5- oder 5-Prozent-Ausgabenziel der NATO als „irrational“, für das es „keine sicherheitspolitische Begründung“ gebe. An die NATO-Nachrüstungsdebatte unter Kanzler Schmidt und danach Kanzler Kohl erinnert die Manifest-Aussage: „Keine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland. Die Stationierung von weitreichenden, hyperschnellen US-Raketen-Systemen in Deutschland würde unser Land zum Angriffsziel der ersten Stunde machen.“
Die Verfasser haben nichts aus der Geschichte gelernt. Ihr Manifest ist übelste Geschichtsklitterung.
Bei der Union gibt es ebenfalls dubiose „Putin-Versteher“. In Sachsen gehört Ministerpräsident Kretschmer dazu, der gerne wieder russisches Gas hätte. Andere wiederum haben im letzten Wahlkampf die Falschen bekämpft. Bayerns Ministerpräsident Söder agitierte gegen die Grünen, die sich zwar in der Ampel wirtschaftspolitische Blössen leisteten, doch aussen-, verteidigungs- und sicherheitspolitsch potenzielle Partner der Union waren und sind. Das Resultat bei der Bundestagswahl 2025: CSU 37,2%. Immerhin ein Plus von 5,5 Prozentpunkten, aber immer noch das zweitschwächste Resultat der CSU in der Nachkriegsgeschichte nach 2021, als ein gewisser Markus Söder bereits nicht gut ausgesehen hatte. Die Grünen landeten 2025 in Bayern bei 12% (-2,1), doch die rechtsextreme AfD kam auf 19%, Plus 10 Prozentpunkte, als mehr als eine Verdoppelung. Die Freien Wähler unter dem Populisten Hubert Aiwanger, Söders Koalitionspartner, landeten bei 4,3% (-3,2 Prozentpunkte). Statt den rechten Sumpf trocken zu legen hat Söder ihn stärker gemacht und die sicherheitspolitisch vernünftigen Grünen leicht zurückgestutzt.
Es bleibt abzuwarten, ob Union und SPD im Bund unter den führenden Figuren Merz und Söder (wenn auch nicht im Kabinett), Klingbeil und Pistorius wirklich Deutschland, Europa und die Ukraine militärisch so stärken werden, dass Putin abgeschreckt und in die Schranken gewiesen werden kann.
Was ist die NATO-Beistandsklausel unter Präsident Trump wert? Die Hoffnung bleibt, dass Donald Trump und seine MAGA-Vertreter bei den Midterms 2026 abgestraft und seine Bewegung nach den Wahlen 2028 endgültig abtreten müssen. Doch das ist keinesfalls sicher.
P.S. Am 15.6.2025 um 16:36 hinzugefügt: Ralf Stegner war im April 2025 zusammen mit Matthias Platzeck, Ronald Pofalla, Stephan Holthoff-Pförtner, Martin Hoffmann und Thomas Greminger nach Baku gereist, wo er mit Vertretern der russischen Staatsführung, unter ihnen Wiktor Subkow und Waleri Fadejew, die auf EU-Sanktionslisten stehen, zu einem geheimen Treffen gereist, das natürlich den Kreml darin bestärkt, dass Deutschland nicht geeint gegen Russlands Angriffskrieg steht.
Um 18:25 hinzugefügt: Verteidigungsminister Pistorius sagte gerade im Interview im Bericht aus Berlin der ARD zum auch von mir zitierten Satz aus dem Manifest – „In Deutschland und in den meisten europäischen Staaten haben sich Kräfte durchgesetzt, die die Zukunft vor allem in einer militärischen Konfrontationsstrategie und hunderten von Milliarden Euro für Aufrüstung suchen“ -, dass dies eine Verdrehung von „Ursache und Wirkung“ sei. Richtig. Pistorius sagt auch sonst viel Richtiges. Doch warum keine Taurus?
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Foto von Roderich Kiesewetter. © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Hart aber fair 2025-03-17-7119, CC BY-SA 4.0.
Artikel vom 15. Juni 2025 um 16:04 deutscher Zeit.