2016: Erstes Interview mit Erdogan nach dem Putsch

Jul 18, 2016 at 22:39 195

[Aus unserem Archiv: Artikel vom 18. Juli 2016 um 22:39 dt. Zeit; Todesstrafe Details korrigiert und ergänzt am 19. Juli 2016]

Becky Anderson fragte in einem soeben auf CNN in Europa ausgestrahlten Interview den türkischen Präsidenten Erdogan, wo er am Abend des Putsches gewesen sei. Erdogan sagte, er sei am 15. Juli mit seiner Familie in Marmaris in den Ferien gewesen. Zwei seiner Bodyguards seien getötet worden. Wäre er noch 15 Minuten länger in Marmaris geblieben, hätten die Putschisten ihn vielleicht getötet oder gefangen.

Becky Anderson wies ihn auf die Ironie hin, dass er, Erdogan, sich über freie, private Medien an die Bevölkerung wandte, zuerst über CNN Türk. Erdogan sagte, nicht sehr glaubwürdig, er sei für freie Privatmedien, aber er werde gegen jene Vorgehen, die mit den Putschisten waren.

Präsident Erdogan sagte, die Türkei werde die USA offiziell um die Auslieferung des Klerikers Fetullah Gülen anfragen. Dieser ist laut dem türkischen Präsidenten ein Terrorist und steht hinter dem Putsch.

Erdogan sagte, beim Putsch handle sich um ein klares Verbrechen des Verrates, weshalb er die Todesstrafe für die Putschisten nicht ausschliessen wollte, insbesondere, weil das Volk auf der Strasse diese Strafe verlange. Allerdings wies er darauf hin, dass das Parlament darüber entscheiden müsse.

Dafür braucht es eine Verfassungsänderung, und dafür bräuchte Erdogan eine 2/3-Mehrheit, das heisst, die Zustimmung eines Teils der Opposition.

Erdogan war klar, sollte sich das Parlament für die Todesstrafe aussprechen, könnte die Türkei nicht ein EU-Mitglied werden, da die EU die Todesstrafe ablehnt. Seine Regierung habe früher die Todesstrafe abgeschafft, könne sie aber auch wieder einführen.

Die türkische Parlament stimmte 2001 mit 368 gegen 65 Stimmen für eine Beschränkung der Todesstrafe auf Kriegszeiten und bei Terrorakten. Unter dem Druck der EU, die nur Staaten ohne Todesstrafe aufnimmt, stimmte das türkische Parlament 2002 der Abschaffung der Todes in Friedenszeiten zu und kündigte an, Todesurteile für terroristische Straftaten zukünftig in lebenslange Haftstrafen umzuwandeln, wovon zwei Monate später der PKK-Führer Abdullah Öcalan sowie weitere 180 zum Tode Verurteilte profitierten. Ende 2003 schaffte die Türkei die Todesstrafe zusätzlich im Militärgesetz ab, was im Januar 2004 vom türkischen Parlament bestätigt wurde (Quelle: todesstrafe.de).

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Das Foto oben zeigt Präsident Erdogan. Quelle: Wikipedia/Wikimedia/public domain.