Alberto Giacometti: Meisterwerke aus der Fondation Maeght

Jan 07, 2016 at 17:40 357

Der Katalog zur Ausstellung im Picasso Museum Münster Alberto Giacometti: Meisterwerke aus der Fondation Maeght (Amazon.de) präsentiert rund 100 Werke des herausragenden Schweizer Künstlers.

Skulpturen, Gemälde, Zeichnungen und Grafiken aus fast allen Schaffensperioden werden im Band wie in der Ausstellung (noch bis am 24. Januar 2016) präsentiert. Die Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence besitzt nach der Schweizer Giacometti-Stiftung (Kunsthaus Zürich) die weltweit grösste Sammlung von Werken des Künstlers. Eine Reise in das südfranzösische Städtchen lohnt sich, nicht nur wegen dem herausragenden zeitgenössischen Museum, sondern auch wegen des Hotels und Restaurants La Colombe d’Or.

Die Ausstellung wird ergänzt durch einen Dokumentarfilm und Aufnahmen des Schweizer Fotografen Ernst Scheidegger, der den Künstler ab 1943 regelmässig im Atelier fotografierte.

Im Katalog sind neben allen ausgestellten Werken von Alberto Giacometti zudem viele Fotos von Ernst Scheidegger und anderen Fotografen wie Henri Cartier-Bresson – so im Grossformat das berühmte Foto von 1961, das Giacometti im Regen beim überqueren einer Strasse in Paris zeigt – abgebildet.

Das Buch zur Ausstellung im Picasso Museum Münster bietet eine ausführliche Biografie von Ann-Katrin Hahn, die auf dem von Reinhold Hohl 1998 herausgegebenem Band Giacometti. Eine Bildbiografie (Hatje Cantz; bestellen bei Amazon.de) basiert.

Interessant ist die Karte von Alexander Gaude, welche das Quartier Montparnasse zeigt. Darin verzeichnet sind die drei Ateliers von Alberto Giacometti, Cafés, Bars, Restaurants, das Bordell Le Sphinx sowie zahlreiche andere Künstler, die ebenfalls im Quartier Montparnasse wohnten, mit den jeweiligen Jahreszahlen in Klammern.

Markus Müller schreibt in seinem Essay „Alberto Giacometti – grandiose Erfolge mit dem Misserfolg“, der Künstler habe „zur überaus seltenen Spezies geselliger Eremiten“ gehört. Fotografen wie Cartier-Bresson, Robert Doisneau und Ernst Scheidegger hätten „das Bild eines spartanisch in eremitenhafter Zurückgezogenheit lebenden Künstlers [gezeichnet], der ebenso ausgezehrt und ausgemergelt war wie seine künstlerischen Schöpfungen.“ Er zitiert dazu den Biografen Reinhold Hohl, der diesbezüglich von einer „Giacometti-Legende“ geschrieben hat. Der moderne Malerfürst Picasso sei mit Giacometti verglichen worden, der nach eigener Aussage in einem „Loch“ hauste und arbeitete, so Markus Müller.

Ich würde entgegnen, das dies keinesfalls nur Inszenierung war. Das war im Gegenteil jahrzehntelang gelebte Wirklichkeit. Zudem hat James Lord (siehe hier) in seiner Biografie durchaus bereits von Bordellbesuchen und Geselligkeit geschrieben. „Mythen“ zu zerstören ist bei Giacometti nicht wirklich vonnöten. Wie dem auch sei, ein gewagter Vergleich sei hier angefügt – und sei es auch nur, um auf einen ganz anderen, herausragenden Künstler hinzuweisen: Tom Waits habe ich auch im Adlon getroffen. Wobei ein Giacometti natürlich nie im 5-Sterne-Luxus schwelgte.

In weiteren Beiträgen setzt sich Markus Müller unter anderem mit „dem schöpferischen Zweifel“ bei Giacometti und mit dem Einfluss der altägyptischen Kunst auf die Werke von Giacometti auseinander, der „wie auch Pablo Picasso … ein im Grunde genommen akademisch räsonierender Revolutionär [gewesen sei], der der Abstraktion skeptisch bis ablehnend gegenüberstand.“

Leider fehlt im reich illustrierten Buch zur Ausstellung Alberto Giacometti: Meisterwerke aus der Fondation Maeght ein eigenes Kapitel zur Sammlung des Kunsthändlers und Museumsgründers Aimé Maeght. Der Direktor der Fondation Marguerite und Aimé Maeght, Olivier Kaeppelin, steuert lediglich einen Essay mit dem Namen „Eine Theorie des Raums?“ zum Katalog bei. Logischerweise ist darin nichts zum Erwerb der vielen Werke von Giacometti durch Aimé und Marguerite Maeght zu finden. Schade. Dafür entschädigen die vielen Abbildungen sowie die Textbeiträge zu anderen Themen, wobei der Kunsthändler Aimé Maeght natürlich im biografischen Teil zu Beginn des Buches erwähnt wird.

Alberto Giacometti: Meisterwerke aus der Fondation Maeght. Hirmer, 2015, 192 Seiten mit 184 Abbildungen in Farbe und S/W, 22 x 30 cm, gebunden. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

Alberto Giacometti: Meisterwerke aus der Fondation Maeght. Rezension / Buchkritik des Katalogs zur Ausstellung im Picasso Museum Münster, die noch bis am 24. Januar 2016 dauert. Rezension vom 7. Januar 2016 um 17:40 CET. Zu unseren Seiten im neuen Design hinzugefügt am 18. November 2020.