Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet

Feb 04, 2022 at 09:48 797

Die Historikerin Annika Brockschmidt hat mit Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet, ein detailreiches Buch zur explosiven politischen Lage in den USA geschrieben (Rowohlt Verlag, Januar 2022, 3. Auflage, 418 Seiten. Bestellen bei Amazon.de). Hier nur einige Auszüge aus und Anmerkungen zu einem substanziellen Werk.

Annika Brockschmidt erklärt, dass der Christliche Nationalismus, den man am 6. Januar 2021 beim Sturm aufs Kapitol beobachten konnte, nicht erst mit Donald Trump auf der politischen Bühne der Vereinigten Staaten auftaucht. Der Rassismus stellt das verbindende Element zwischen der Religiösen Rechten und White Supremacists dar.

Schon bei den Anfängen der organisierten modernen Religiösen Rechten in den 1960er Jahren war Rassismus die treibende Kraft. Amerikas Gotteskrieger. Wie die religiöse Rechte die Demokratie gefährdet nimmt den Einfluss der modernen Religiösen Rechten in den USA von ihrer Entstehung
bis heute systematisch in den Blick und erzählt die Entwicklung einer komplexen, heterogenen Bewegung, die bereits seit Jahrzehnten Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft und Politik nimmt und die maßgeblich für die tiefe Spaltung des Landes verantwortlich ist.

Unter dem Begriff der straff organisierten Religiösen Rechten versammelt sich laut Annika Brockschmidt eine Vielzahl von unterschiedlichen Gruppierungen, die die Trennung von Kirche und Staat nicht anerkenne, sondern träumen davon, Amerika für Gott «zurückzugewinnen». Für sie sind die christliche und amerikanische Identität untrennbar miteinander verbunden. Sie wollen ein Amerika, in dem konservative Christen alle säkularen Institutionen des Landes besetzen und im Sinne Gottes leiten. Sie wollen Politik, Kulturbetrieb, Justiz, Bildungssystem und Medien durchdringen.

Um das Ziel einer christlichen Nation zu erreichen, baute die Religiöse Rechte in den letzten Jahrzehnten ein hocheffizientes Netzwerk aus Medienimperien, Kirchen, Organisationen und Lobbygruppen auf. Sie hat es durch geschickte politische Themensetzung in den Kulturkämpfen geschafft, frühere Konflikte zwischen Denominationen (Konfessionen) zu überwinden und ihre Basis zu einem effektiven Wählerblock zu formieren.

Dabei entstanden Allianzen, die teils rein wirtschaftlichen Interessen folgen: Neben den Sozial-Konservativen der Republikanischen Partei, die sich mit dem Christlichen Nationalismus identifizieren, ging die Religiöse Rechte auch ein Bündnis mit Neoliberalen ein. Die Verbindungen von Superreichen und radikalen Hardlinern erlaubte es, ein verzweigtes Netzwerk der Religiösen Rechten aufzubauen und dadurch massiven Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Viele religiöse Think Tanks und Verbände tarnen sich als unparteiische Wohltätigkeitsorganisationen und erfreuen sich dadurch steuerlicher und gesetzlicher Vorteile. Laut Annika Brockschmidt hat der Oberste Gerichtshof dank der Religiösen Rechten mit einer erzkonservativen 6:3-Mehrheit, im Sommer 2021 seine Hand schützend über die Flüsse von ebenjenem Dark Money gehalten, den nicht nachverfolgbaren Grossspenden.

In Amerikas Gotteskrieger (Amazon.de) zeichnet Annika Brockschmidt nach, wie die Religiöse Rechte Gewalt sakralisiert, als Werkzeug zur Verteidigung einer christlichen Gesellschaftsordnung überhöht und moralisch rechtfertigt. Sie schreibt von einer neuen Dolchstosslegende. Die verlorene Wahl wird nicht als selbstverschuldet anerkannt. Die Demokraten sollen die Wahlen «gestohlen» haben. Solche Legenden gehörten zum Kern faschistischer Bewegungen, so die Autorin.

Vor allem waren es die christlichen Wähler, die 2016 Trump wählten. Zwischen 79% und 81% der Weissen Evangelikalen stimmten für ihn. Die Koalition aus der Religiösen Rechten und der sogenannten Alt-Right, der extremen Politischen Rechten unter Führung von Steve Bannon, hielt, weil Trump die nativistischen Anwandlungen beider Bewegungen bespielte.

Weisse Evangelikale hielten Trump auch 2020 nach vier Jahren skandalträchtiger Regierungszeit die Treue: mit 84% stimmten noch mehr für ihn als 2016. Verluste musste er laut Annika Brockschmidt vor allem unter nicht-religiösen Amerikanern verbuchen. Doch nicht nur Evangelikale, sondern auch 60% der Weissen Katholiken und 58% der Protestanten und anderer christlicher Glaubensrichtungen sowie 61% der Mormonen wählten mit Donald Trump 2016 den Kandidaten des Christlichen Nationalismus.

Diese Wähler wollen einen stark auftretenden, rassistische Ressentiments bedienenden Anführer, der es «den Linken» mal so richtig zeigt, die angeblich christliche Identität des Landes bewahrt, indem er klare Grenzen zwischen «wahren» und «falschen» Amerikanern zieht. Heute wohl noch stärker denn je, so Annika Brockschmidt.

Die Wahlen 2022 und 2024 sind für diese religiöse Bewegung nur kleine Zwischenstationen auf dem Weg zu einem christlich-nationalistischen Amerika. Sie denken sehr langfristig. Dies und noch viel mehr gibt es in diesem lesenswerten Buch zu den USA zu entdecken, das versucht, die Denkmechanismen der Religiösen Rechten, das Knäuel aus Kulturkampf, Ideologie, Apokalypse-Sehnsucht, Verschwörungsdenken und Macht zu entwirren.

Annika Brockschmidt: Amerikas Gotteskrieger. Wie die religiöse Recht die Demokratie gefährdet, Rowohlt Verlag, Januar 2022, 3. Auflage, 418 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

Zitate und Teilzitate in dieser Buchkritik / Rezension sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Buchkritik / Rezension vom 4. Februar 2022 um 09:48 deutscher Zeit.