Das Schwarz-Grüne Kabinett in Hessen

Jan 14, 2014 at 21:33 215

Hinzugefügt am 19. Januar 2014: Wie erwartet wurde am 19. Januar 2014 Volker Bouffier erneut zum Ministerpräsidenten Hessens gewählt. Auf Grund eines peinlichen Verfahrensfehlers mit „Max Mustermann“-Probekarten kam die Wahl erst im zweiten Wahlgang zustande. Im zweiten Anlauf klappte es dann jedoch perfekt. Im Landtag mit 110 Sitzen erhielt Volker Bouffier 62 Stimmen. Da Schwarz-Grün nur über 61 Abgeordnete verfügt und wohl geschlossen stimmte, muss ihm mindestens ein Oppositionspolitiker die Stimme gegeben haben. 46 Landtagsabgeordnete stimmten mit Nein, einer enthielt sich der Stimme. Es waren nur 109 Mandatare anwesend.

Artikel vom 14. Januar 2014 um 21:33: Die neue Regierung in Hessen

Wie im Dezember vom alten und neuen Ministerpräsidenten Bouffier angekündigt, hat dieser heute, am 14. Januar 2014, sein neues Kabinett präsentiert. Bereits im Dezember 2013 hatten die Grünen die Namen ihrer zwei Minister bekanntgegeben. Anders als zuvor die FDP, die drei Ministerien beanspruchen konnte, mussten sich die Grünen mit zwei Landesressorts begnügen. Das Kultusressort sowie die Ministerien für Justiz und Wirtschaft lagen bisher in der Hand der FDP.

Finanzminister in Hessen bleibt der CDU-Mann Thomas Schäfer, der öfters als Kronprinz von Ministerpräsident Volker Bouffier gehandelt wird. Der CDU-Sozialminister Stefan Grüttner behält ebenso sein Amt wie der CDU-Chef der Staatskanzlei, Axel Wintermeyer. Der Wiesbadener Rechtswissenschaftler und CDU-Politiker Ralph Alexander Lorz wird neuer Kultusminister in Hessen, wo er von 2007 bis 2009 unter Ministerpräsident Koch Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft und Kunst gewesen war. Seit Juni 2012 amtete in der Regierung Bouffier als Staatssekretär im hessischen Kultusministerium. Die bisherige CDU-Ministerin für Wissenschaft und Kunst, Eva Kühne-Hörmann, wird das bisher von der FDP verwaltete Justizministerium leiten. Der bisherige CDU-Innenminister Boris Rhein übernimmt neu das Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Neuer Innenminister wir der bisherige CDU-Generalsekretär Peter Beuth. Seinen Job als Generalsekretär übernimmt neu der CDU-Abgeordnete Manfred Pentz aus Darmstadt. Neue Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten wird die bisherige CDU-Umweltministerin Lucia Puttrich, die ihr bisheriges Amt an die Grüne Bundestagsabgeordnete Priska Hinz abgeben muss.

Grünen-Chef Tarek Al-Wazir wird neuer Wirtschaftsminister im Kabinett Bouffier. Noch 2008 wollte Al-Wazir eine Rot-Grüne Minderheitsregierung in Hessen unter Duldung der Linken. Die SPD-Chefin Ypsilanti war damals umgefallen und hatte ihr Versprechen, in keinem Fall mit den Linken zusammenzuarbeiten gebrochen. Dies missfiel 3 SPD-Landtagsabgeordneten, die Rot-Grün die Stimme verweigerten, was zu Neuwahlen in Hessen führte, die Schwarz-Gelb an die Macht brachten, obwohl die Grünen tüchtig zulegten. Al-Wazir hat also einen langen Weg hinter sich. Der neue Wirtschaftsminister hat übrigens im Dezember 2013 den Vorsitz der hessischen Grünen abgegeben. Die beiden neuen Vorsitzenden heissen Daniela Wagner und Kai Klose.

Schwarz-Grün in Hessen, ausgerechnet in Hessen, sagten im Dezember viele. Das Bundesland galt bisher als Hort von CDU-Hardlinern: Die Ahnenreihe reicht von Dregger über Kanther und Koch bis jetzt zu Bouffier. Vielen noch gut in Erinnerung ist, wie Koch und Ypsilanti mit harten Bandagen um die Macht kämpften. Bei der Landtagswahl 2009 reichte es für Schwarz-Gelb, doch bei der Landtagswahl 2013 erhielten die zwei Parteien keine Mehrheit mehr. Die CDU, inzwischen unter Bouffier, blieb zwar klar stärkste Kraft, doch die FDP verlor 11,2%! Mit 5,0% erhielten die Liberalen zwar noch 6 Sitze im Landtag, doch zusammen mit den 47 Sitzen von der CDU, die auf 38,3% der Stimmen (ein Plus von 1,1%) kam, reichte es nicht mehr im zu einer Mehrheit im Landesparlament mit insgesamt 110 Sitzen. Die SPD hatte zwar um 7% zugelegt und kam auf 30,7% und 37 Sitze, doch zusammen mit den Grünen mit ihren 11,1% (-2,6%) und 14 Sitzen reichte es doch nicht zu Rot-Grün. Rot und Grün waren zudem nicht bereit, mit den Linken (5,2%, ein Minus von 0,2% und 6 Sitze) zu koalieren. Da der blasse SPD-Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel und seine Partei nicht über ihren Schatten springen konnten, blieb als letzte Möglichkeit Scharz-Grün übrig.

Der Vorsitzende der Grünen, Tarek Al-Wazir, erwies sich als flexibel und pragmatisch. CDU-Chef Volker Bouffier tat auch (fast) alles, um den Grünen den Schritt zu erleichtern. Das Schwarz-Grüne Kabinett in Hessen ist zwar nicht die erste solche Regierung in Deutschland, doch die erste in einem Flächenstaat. Sowohl für die CDU wie auch für die Grünen ist dies ein wichtiges Zeichen, eine Alternative zur Grossen Koalition auf Bundesebene. Die Partner haben nun in Wiesbaden vier Jahre Zeit zu beweisen, dass sie zusammen erfolgreich regieren können. In Hamburg 2010 und im Saarland 2012 (in einem Dreierpakt mit der FDP) gingen Schwarz-Grüne Landesregierungen frühzeitig und unrühmlich zu Ende.

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Der Schwarz-Grüne Koalitionsvertrag

Der Schwarz-Grüne Koalitionsvertrag in Hessen vom Dezember 2013 umfasst 107 Seiten. Die Grünen nahmen ihn am 22. Dezember 2013 in geheimer Abstimmung mit 74,24% an. 784 Delegierte votierten dafür, 250 dagegen, 22 enthielten sich. Insgesamt wurden 1056 gültige Stimmen abgegeben. Die 100 Delegierten der CDU hatten bereits zuvor an einem kleinen Parteitag den Koalitionsvertrag per Handzeichen einstimmig gebilligt.

Zu den grossen Aufgaben des Schwarz-Grünen Kabinetts in Hessen gehört die Reduzierung des strukturellen Defizits von 1,5 Milliarden Euro jährlich. Bis 2017 soll der Haushalt ausgeglichen sein, also ohne neue Kredite auskommen. Die Grunderwerbssteuer wird in Hessen 2015 von 5% aus 6% angehoben, was rund 130 Millionen Euro an Mehreinnahmen jährlich generieren soll. Bis 2019 sollen im öffentlichen Dienst jährlich 350 Stellen abgebaut werden. Bereits Schwarz-Gelb hat die Streichung von 1900 Landesstellen eingeplant, wovon 1100 bereits realisiert wurden, 800 Stelleneinsparungen aber noch 2014 anstehen. Die Beamtengehälter dürfen laut Schwarz-Grün ab 2016 jährlich nur noch 1% wachsen. Als Kompensation soll die Arbeitszeit von 42 auf 41 Stunden pro Woche sinken. Durch diese Massnahmen sollen 440 Millionen Euro eingespart werden. Weitere 500 Millionen Euro müssen noch sonstwie zusätzlich eingespart oder eingenommen werden.

Bezüglich dem Frankfurter Flughafen ein Kompromiss erzielt. Ein Knackpunkt könnte sein Ausbau werden, der allerdings nur nach einem Evaluationsverfahren kommen kann. Das Land und die Stadt Frankfurt sind die Hauptanteilseigner an der Flughafen AG Fraport. Ohne die Politik geht dort nichts. Die Bedeutung des Flughafens Frankfurt als Standortfaktor und Arbeitgeber wird im Koalitionsvertrag betont. Gleichzeitig wird unterstrichen, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens nicht alleiniger Massstab der Politik sein könne. Die Belastungen für Mensch und Umwelt müssten in einem höchstmöglichen Mass rasch wirksam verringert werden. Die Grünen haben sich mit dem Umweltministerium die ministerielle Aufsicht über den Flughafen gesichert. Die neue Grüne Umweltministerium Priska Hinz war 1998-99 kurz Hessische Staatsministerin im Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit gewesen. Nicht zu vergessen ist, dass natürlich Ministerpräsident Bouffier das letzte Wort in der Koalitionsregierung hat.

Das Schwarz-Grüne Kabinett in Hessen soll am 18. Januar 2014, nach der Wahl von Volker Bouffier zum Ministerpräsidenten, vereidigt werden. CDU und Grüne können beiden Abstimmungen ruhig entgegensehen, da die zwei Parteien zusammen 61 von insgesamt 110 Mandaten im Landtag kontrollieren.

Siegfried Quandt: Volker Bouffier. Lebensgeschichte und Politik. Herder, Juli 2013, 128 Seiten. Bestellen bei Amazon.de.

Pitt von Bebenburg, Matthias Thieme: Ausgekocht: Hinter den Kulissen hessischer Machtpolitik. Eichborn Verlag, September 2010, 218 Seiten. Buch bestellen bei Amazon.de.

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Artikel vom 14. Januar 2014 um 21:33. Ergänzt am 19. Januar 2014 um die Wahl von Volker Bouffier zum Ministerpräsidenten.