Die polnische Regierungskrise

Aug 09, 2007 at 00:00 1240

Lepper und Kaczmarek entlassen

Hinzugefügt am 9. August 2007 um 21.35 Berliner Zeit: Der polnische Staatschef Lech Kaczynski und der Oppositionsführer Donald Tusk der liberalen Bürgerplattform (PO) haben sich in einem vierstündigen Gespräch auf vorgezogene Neuwahlen geeinigt. Das Parlament soll Anfang September aufgelöst werden.

Artikel vom 9. August 2007: Nachdem sie bereits am 9. Juli 2007 den stellvertretenden Ministerpräsidenten und Landwirtschaftsminister, den Bauernführer Andrzej Lepper von der rechtspopulistischen Partei Selbstverteidigung (Samoobrona), wegen unbewiesener Korruptionsvorwürfe entlassen haben, haben die Brüder Kaczynski am 8. August 2007 auch ihren PiS-Parteikollegen und Innenminister Janusz Kaczmarek in die Wüste geschickt. Zudem wurde laut Pressemeldungen der polnische Polizeichef Konrad Kornatowski zum Rücktritt gedrängt.

Als Grund für die Entlassung von Innenminister Kaczmarek führte Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski an, Janusz Kaczmarek habe sein Vertrauen massiv enttäuscht. Kaczynski gehöre zum Kreis der Verdächtigen, die Informationen über Ermittlungen der Antikorruptionsbehörde CBA im Landwirtschaftsministerium an die Öffentlichkeit hätten durchsichern lassen, weshalb diese scheiterten. Kaczmarek verneinte gegenüber Polens PAP Presseagentur, das Leck zu sein.

Als Nachfolger des erst seit Februar 2007 amtierenden Janusz Kaczmarek ernannte der polnische Präsident Lech Kaczynski noch am 8. August 2007 den Chef des nationalen Sicherheitsbüros, Wladyslaw Stasiak, als neuen Innenminister. Stasiak ist ein Vertrauensmann und langjähriger Mitarbeiter der Kaczynskis.

Bereits am 5. August hatte der seit einem Monat entlassene Populist Andrzej Lepper angekündigt, die Regierungskoalition existiere nicht mehr. Sie sei von der Partei von Jaroslaw Kaczynski zerbrochen worden. Lepper folgerte: „Wir ziehen unsere Minister [aus der Regierung] zurück.“ Zum Schluss liess er die Tür doch noch einen Spalt offen mit der Bemerkung, die zwei Minister seiner Partei Selbstverteidigung, die Arbeitsministerin Anna Kalata und der Bauminister Andrzej Aumiller stünden dem Ministerpräsidenten zur Disposition.

Am 6. August jedoch erklärte Lepper gegenüber dem polnischen Radio TOK FM knallhart, er schliesse eine Weiterführung der Koalition seiner populistischen Partei Selbstverteidigung mit der rechtsextrem-nationalistischen Liga der polnischen Familien und der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit der Brüder Kaczynski nicht aus, doch dürfe die Regierung nicht mehr unter der Führung von Jaroslaw Kaczynski stehen.

Am 9. Juli 2007 hatte der Premierminister wie erwähnt Lepper wegen bis heute nicht bewiesener Korruptionsvorwürfen gefeuert. Mitarbeiter von Lepper hätten sich gerühmt, für Geld alles durchsetzen zu können. Daraufhin versuchte die Korruptionsbehörde, Lepper zu überführen. Dieser sei im letzten Moment gewarnt worden und fiel so nicht in die Falle.

Lepper, dessen Partei in Wahlumfragen nicht mehr über die 5%-Hürde kommt, verkündete nach seiner Entlassung zusammen mit dem LPR-Vorsitzenden und Vizepremier Roman Giertych, dessen Liga der Polnischen Familien das gleiche Schicksal droht, sich zusammen schliessen zu wollen. Als neuen Namen dachten sie sich „Liga und Selbstverteidigung“, kurz LiS aus, was auf polnisch sinnigerweise Fuchs bedeutet.

Die LiS soll natürlich eine Doppelspitze bekommen, logischerweise die zwei Füchse Lepper und Giertych. Die zwei egomanen Spitzenleute einigten sich damals vorerst auf eine Weiterführung der Regierungskoalition. Doch diese Option scheint nun endgültig vom Tisch. Tatsächlich ist es selbst für gewiefte Taktiker schwer vorstellbar, dass die Kaczynskis, Lepper und Giertych weiter zusammenarbeiten können, nachdem verdeckte Ermittler des Zentralen Antikorruptionsbüros versuchten, ein Regierungsmitglied (Lepper) mit einem fingierten Schiergeldangebot aufs Glatteis zu führen.

Dass die Regierung bis heute gehalten hat, ist schon ein Wunder. Am 5. Mai 2006 hatten die Brüder Kaczynski den Populisten Lepper von der Partei Selbstverteidigung in die Regierung geholt. Doch die Flitterwochen mit der Samoobrona waren von kurzer Dauer. Bereits am 21. September 2006 entliess Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski erstmals Landwirtschaftsminister Lepper wegen finanzieller Unregelmässigkeiten im Landwirtschaftsministerium. Doch da dadurch der Fortbestand der Regierungskoalition gefährdet war, sahen sich die Kaczynskis bereits am 16. Oktober 2006 gezwungen, Lepper zurück auf seinen alten Posten in der Regierung zu holen.

Vorgezogene Neuwahlen rücken immer näher. Das Parlament wurde bis 2009 gewählt, doch angesichts der andauernden polnischen Regierungskrisen fordert nicht nur die Opposition die vorzeitige Selbstauflösung des Parlaments. Nach der Entlassung von Kaczmarek hat sich selbst Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski ausdrücklich für vorgezogene Wahlen ausgesprochen.

Bei den Unterhauswahlen von September 2005 hatte die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) der Brüder Kaczynski 155 Sitze gewonnen, Samoobrona (Selbstverteidigung) 56 Sitze und die Liga der polnischen Familien 34 Sitze. Laut der Sejm-Webseite vom 6. August 2007 bekennen sich zur Zeit noch 150 Abgeordnete im Unterhaus zu Recht und Gerechtigkeit, 44 zu Selbstverteidigung und 29 zur Liga polnischer Familien. Die zwei kleinen Koalitionsparteien kämen laut Wählerumfragen zur Zeit zusammen knapp über die 5%-Hürde.

Siehe auch die Rezension zu Polens Weg.

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