Die vereinte Opposition gewinnt Budapest

Okt 14, 2019 at 15:42 1093

Seit 2010 herrschte die Fidesz-Partei  des zunehmend illiberalen Premierministers Orban in Ungarns Hauptstadt Budapest, deren Bedeutung vergleichbar mit Paris für Frankreich oder London für das (noch) Vereinigte Königreich ist.

Der abgewählte Bürgermeister István Tarlós war ein Mann des Fidesz, der sich nicht zuletzt durch eine Kulturpolitik mit nationalistischer Schlagseite und eine Schwäche für eine antisemitische Schriftsstellerin auszeichnete. Bereits bei der Kommunalwahl 2006 trat István Tarlós als gemeinsamer Kandidat von Fidesz und KDNP für das Oberbürgermeisteramt von Budapest an, unterlag damals allerdings dem langjährigen Amtsinhaber Gábor Demszky. Im Gemeinderat der Hauptstadt war er daraufhin zwischen 2006 und 2010 Vorsitzender der Fidesz-Fraktion. Bei der Budapester Oberbürgermeisterwahl 2010 setzte er sich gegen den Kandidaten der MSZP, Csaba Horváth, durch. 2014 wurde István Tarlós mit 49% der Stimmen als Bürgermeister wiedergewählt, wobei die Amtszeit auf fünf Jahre verlängert wurde. In seiner ersten Amtszeit hatte er die Schulden der Stadt ab- und den öffentlichen Verkehr ausgebaut. Es gab also doch einige Gründe, in wieder zu wählen. Was allerdings auch der zersplitterten Opposition zu verdanken war.

Der am 13. Oktober 2019 gewählte neue Bürgermeister Gergely Karácsony (*1975) wuchs in der Provinz auf, studierte in Budapest Soziologie, war danach für ein Markt- und Meinungsforschungsinstitut sowie als Assistenzprofessor für Politikwissenschaften in Budapest tätig. Für die sozialistischen Regierungen war er von 2002 bis 2008 als Berater der Staatskanzlei tätig, ehe er 2009 in die neugegründete, grüne Antikorruptionspartei LMP eintrat, für die er den Wahlkampf 2010 organisierte. Als sich die Partei Dialog für Ungarn (PM) 2013 von der LMP abspaltete, trat Gergely Karácsony der neuen Formation bei. Im Oktober 2014 gewann er als Kandidat eines kleinen Mitte-Links-Bündnisses die Wahl zum Bezirksbürgermeister des Budapester Stadtbezirks Zugló, wo er sich mit 42,3 % der Stimmen gegen den Fidesz-Kandidaten durchsetzte.

Da die sozialdemokratische Partei MSZP, die einst aus der kommunistischen Einheitspartei der Sozialistischen Einheitspartei Ungarns hervoring, zurecht ein schlechtes Image hat, wurde Gergely Karácsony im Dezember 2017 als der damals beliebteste Oppositionspolitiker Ungarns als Spitzenkandidat des Wahlbündnisses von MSZP und Párbeszéd (PM) für die Parlamentswahl 2018 nominiert. Doch das Wahlbündnis erlitt mit lediglich 11,9 % der Stimmen Schiffbruch. Gergely Karácsony verzichtete auf sein Parlamentsmandat und konzentrierte sich stattdessen auf seine Arbeit als Bezirksbürgermeister.

Diese Fokussierung auf ein Amt zahlte sich nun bei der Budapester Oberbürgermeisterwahl 2019 aus, weil die notorisch zerstrittenes Opposition für einmal geschlossen antrat. Es waren frühe Weihnachten (der Name Karácsony bedeute auf deutsch Weihnachten) für die Anti-Orban-Allianz bestehend aus linken, grünen, linksliberalen, wirtschaftsliberalen und bürgerlichen Parteien und Wählern, wobei sich die einst rechtsextreme, seit einiger Zeit mehr zur rechten Mitte tendierende Jobbik-Partei dem Wahlbündnis indirekt zuarbeitete, indem sie keinen eigenen Oberbürgermeister-Kandidaten aufstellte.

Wie die Wahl in Istanbul gezeigt hat, kann eine vereinte Opposition Mandatsträger schlagen, welche die Massenmedien unter ihre Kontrolle gebracht haben. Auf nationaler Ebene steht allerdings noch ein weiter Weg bevor. In Budapest gewann die Opposition zwar das Oberbürgermeisteramt, die Mehrheit der Bezirksbürgermeisterämter und die Mehrheit im Stadt, doch bei den Kommunalwahlen im ganzen Land siegte insgesamt immer noch die Fidesz-Partei von Premierminister Orban.

Der Sieg in Budapest wurde nicht zuletzt deshalb möglich, weil in Ungarn analog zum österreichischen Ibiza-Video der Fidesz-Bürgermeister von Györ, Zsolt Borkai, in einem rechtzeitig zur Wahl veröffentlichten Sex-Video vorgeführt wurde. Darin ist er beim Sex mit einer Prostituierten auf einer Luxusjacht (angeblich in der Adria) zu sehen. Zudem soll er wie HC Strache korrupte Praktiken besprochen haben. Allerdings rettete sich Zsolt Borkai in Györ mit hauchdünnem Vorsprung ins Ziel. Das Video könnte ihm allerdings trotzdem noch das Amt kosten, ja ihm gar zu verdienten Exklusivferien in einer Zelle verhelfen.

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Gergely Karácsony am 28. März 2016 in Kertem, Budapest. Foto von Elekes Andor / Wikipedia.

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Artikel vom 14. Oktober 2019 um 15:42 deutscher Zeit.