Erich Heckel: Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder, Skulpturen

Aug 06, 2024 at 15:50 548

Erich Heckel (Döbeln in Sachsen 1883-1970 Radolfzell am Bodensee) war ein Mitglied der expressionistischen Künstlervereinigung Die Brücke aus Dresden, die zwar nur von 1905 bis 1913 existierte, jedoch entscheidend mithalf, die Kunst in Deutschland und der Welt zu revolutionieren.

Ihr gehörten zudem die Künstler Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Otto Mueller, Emil Nolde, Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff an. Ebenfalls kurzzeitig Mitglied Der Brücke waren Cuno Amiet, Kees van Dongen, Akseli Kallen-Gallela, Bohumil Kubišta und Franz Nölken.

Zur Auseinandersetzung mit dem Leben und Werk von Erich Heckel unabdingbar ist das von Andreas Hünecke erarbeitete und 2017 veröffentlichte Werkverzeichnis der der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen des Künstlers.

Herausgegeben von der Erich-Heckel-Stiftung, Beiträge von Andreas Hüneke: Erich Heckel: Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen. Band 1: 1904 bis 1918. Band 2: 1919 bis 1964. Beiträge von Renate Ebner und Caroline von Saint-George. Band 1: 414 Seiten mit 466 Abbildungen in Farbe und 158 S/W Abbildungen. Band 2: 552 Seiten mit 387 Abbildungen in Farbe und 158 S/W Abbildungen. Format beider Bände: 26 x 31 cm, gebunden, Schmuckschuber. Hirmer Verlag, November 2017. Die 2 Bände bestellen (Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei gleichem Preis) bei Amazon.de.

Die Aufteilung der zwei Bände

Andreas Hünecke teilte die Arbeiten auf zwei Bände auf, wobei sich laut seiner Aussage das Ende des Ersten Weltkrieges als Zäsur anbot, da sich zu dieser Zeit sowohl eine Änderung bei Ernst Heckels Arbeitsrhythmen als auch in stilistischer Hinsicht vollzog.

Im ersten Band hat Andreas Hüneke die Gemälde chronologisch geordnet, weil es im Werk von Erich Heckel in wenigen Jahren zu rasanten Entwicklungen kam. Ab Beginn der 1920er Jahre verlegte sich das malerische Schaffen des Künstlers immer mehr auf den Winter im Atelier, während er bei den Reisen zwischen Frühjahr und Herbst meist nur Skizzen und Aquarelle schuf. Zudem sind laut Andreas Hüneke keine relevanten stilistischen Entwicklungen innerhalb eines Jahres mehr feststellbar. Das verunmögliche eine verlässliche Chronologie der Entstehung, weshalb der Autor des Werkverzeichnisses im Band II der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen von 1919 bis 1964 auf die Ordnung nach Motiven zurückgriff.

Auf eine detaillierte Provenienzforschung zu einzelnen Gemälden hat Andreas Hüneke verzichtet. Die Wandbilder und Skulpturen werden nicht wie im Vorgängerwerk von Paul Vogt dem Werkverzeichnis im Detail hinzugefügt, da laut Andreas Hüneke die Unsicherheiten hinsichtlich Datierung und Motivik zu gross sind, um sinnvolle Angaben zu machen. Wandbilder und Skulpturen werden hingegen in Essays in einem laut dem Autor bisher unerreichten Umfang vorgestellt. Die erhaltenen Skulpturen werden im Anschluss an den entsprechenen Essay in gleicher Form wie die Gemälde im Werkverzeichnis (nur mit einer Listennummer) erfasst.

Die Holzskulpturen von Ernst Heckel

Im Essay „Scheu in sich selbst eingehüllt“. Die Skulpturen aus Holz schreibt Andreas Hüneke, dass die Skulpturen der Brücke-Künstler lange weitgehend unbekannt blieben. Die Galerie Arnold stellte 1910 zwar einige Kleinplastiken von Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel auf einem Kaminsims aus, doch erst 1912 waren grössere Holzskulpturen in der Berliner Galerie von Fritz Gurlitt zu sehen. Selbst noch 1930 beklagte der Kunsthistoriker und Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg Max Sauerlandt, der viele Werke von Expressionisten ankaufte, dass der Grossteil der Skulpturen „ungesehen in den Ateliers“ bleibe.

Laut Andreas Hüneke gilt als gesichert, dass Erich Heckel der Erste der Brücke-Künstler war, der sich mit plastischen Werken auseinandersetzte. Der Kunsthistoriker Paul Vogt (1926-2017) listete erste Skulpturen Heckels aus den Jahren 1904 und 1905 auf, während dem plastische Werke von Ernst Ludwig Kirchner erst ab 1909, von Karl Schmidt-Rottluff ab 1911 bekannt sind.

Andreas Hüneke unterstreicht in seinem Essay, dass die Frage der Datierung der Skulpturen bei Erich Heckel besonders schwierig sei. Die geringe Überlieferung aus der Frühzeit des plastischen Schaffens der Brücke-Künstler sei ein Problem.

Im Gegensatz zu Ernst Ludwig Kirchner hat Erich Heckel seine Arbeit an Holzskulpturen in den 1920er Jahren beendet und erst ein Jahrzehnt später wieder begonnen, gelegentlich kleine Steinskulpturen zu schaffen.

Beide Künstler machten erste plastische Versuche mit leicht formbarem Ton. Die ersten Holzskulpturen schuf Erich Heckel nach eigener Aussage Ende 1906. Anfang 1907 sandte der Künstler ein Foto an Ada Nolde. Laut Andreas Hüneke wären diese Holzskulpturen, wenn sie wie vom Künstler notiert die ersten wären, damit auf 1907 und nicht wie von Paul Vogt auf 1905 und 1906 anzusetzen. Es könnte allerdings auch sein, dass zwei Holzskulpturen früher entstanden, vom Künstler jedoch nicht als vollwertig angesehen wurden.

Wie auch immer, Andreas Hüneke bezeichnet Erich Heckels um 1906/07 entstandene Skulpturen als die Geburtsstunde des eigentlichen Brücke-Expressionismus. Während die Malerei noch bis in das Jahr 1908 hinein von einem expressiv interpretierten Impressionismus und Ernst Ludwig Kirchners Holzschnitte fast ebenso lange von den fliessenden Linien des Jugendstils betimmt worden seien, habe Erich Heckel in der Skulptur bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ein neues Formverständnis entwickelt, das er im Laufe des Jahres 1907 auch auf den Holzschnitt zu übertragen begonnen habe. Kennzeichnend dafür sei ein Zusammenfassen und Vergröbern der Formen, die fast brüsk gegeneinandergesetzt worden seien. Die Auseinandersetzung der Brücke-Künstler mit der „primitiven“ Kunst Afrikas und Ozeaniens sei erst für das Frühjahr 1910 nachweisbar.

1930 teilte Erich Heckel dem Kunsthistoriker Max Sauerlandt mit, er habe in den 1920er Jahren in Osterholz noch einige Holzskulpturen geschaffen. Von diesen hat sich nur die „Stehende“ (1920) erhalten. Laut Andreas Hüneke hat der Künstler das Prinzip des Heraushauens, Herauslösens der Figur aus dem Stamm beibehalten, doch bemerkt der Autor eine Zurücknahme der Stilisierung in Körper und Gesicht. Die einzelnen Körperteile und die Gliedmassen werden nicht mehr als selbständige plastische Massen verstanden und durch tiefe Einkerbungen voneinander abgesetzt, wie es für die früheren Skulpturen charakteristisch ist. Die Figur ist zudem auf mehreren Aquarellen zu sehen. Laut dem Kunsthistoriker und Landesmuseumsdirektor von Schleswig-Holstein Gerhard Wietek (1923-2012) wurde diese Holzskulptur in angewandelter Form von Erich Heckel auch auf anderen Gemälden und Aquarellen wiedergegeben.

Laut Andreas Hüneke weisen charakteristische Unterschiede darauf hin, dass es noch ein zweite, ähnliche Figur gab, deren rechter Arm das Kinn stützt, der linke hängt locker herab. Das Gesicht ist noch scharfkantiger stilisiert, der Kopf endet mit dem flachen Schnitt des Stammes. Daher datiert Andreas Hüneke die Skulptur auf vor 1914, obwohl sie erst in Gemälden und Aquarellen der 1920er Jahre dargestellt wird.

Weitere plastische Werke, die aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammen, glaubt Andreas Hünecke in weiteren Aquarellen der Jahre 1922, 1923 und 1932 erkennen zu können. Auf die frühe Entstehungszeit deute die Bemalung der Skulpturen hin.

Andreas Hüneke folgert am Ende dieses Essays, dass Erich Heckel noch viele weitere Skulpturen schuf, die verloren gingen. Erich Heckel selbst habe in späteren Jahren zwar Ernst Ludwig Kirchner als den Bildhauer der Künstlervereinigung Die Brücke gewürdigt , und dieser habe sein plastisches Schaffen gewiss kontinuierlicher und stringenter vorangetrieben, doch die ersten Anregungen seien von Erich Heckel gekommen, was Ernst Ludwig Kirchner in der Brücke-Chronik 1913 gewürdigt hat.

Andreas Hüneke sieht in der Malerei und der Skulptur den Unterschied der zwei Künstler wie folgt: dynamisch-extrovertierter Charakter der Werke Kirchners, das im Grunde stets Statisch-Introvertierte der Kunst Heckels.

Die Umschlag Vorderseite von Band II (1919-1964) des Werkverzeichnisses zeigt das Ölgemälde auf Leinwand Tübingen aus dem Jahr 1920 (80 x 70 cm) aus dem Besitz von Siddi Heckel (Heckels Ehefrau seit 1915, geborene Milda Frieda Georgi; Künstlername als Tänzerin: Sidi Riha), das sie 1971 dem Brücke-Museum in Berlin schenkte. Dargestellt ist die Neckarfront der Stadt Tübingen mit dem Hölderlin-Turm in der Bildmitte. Das Bild wurde am 20. April 2002 aus dem Brücke-Museum geraubt und am 19. Mai 2002 von der Polizei wieder aufgefunden.

Die Wandmalereien und Raumgestaltungen von Erich Heckel

In einem weiteren Essay widmet sich Andreas Hüneke den Wandmalereien und Raumgestaltungen von Erich Heckel, wobei er Hubertus Froning zitiert, der bezüglich Ernst Ludwig Kirchners Wandbildentwürfe für den Festsaal des Museums Folkwang in Essen schrieb, dass „Kirchners theoretische Überlegungen […] zu rationaler Durchdringung und formaler Ausgewogenheit führten. Seine neue Einstellung zur Kunst bedeutete den Wandel von der inneren Erregung zur Logik einer eigengesetzlichen Bildgestaltung, zu strukturierten Formen, denen auch die Farbwerte zugeordnet sind.“

Auch in Erich Heckels Wandbildern sei die bewusste Beschäftigung mit diesen Fragen allgegenwärtig. Andreas Hüneke betont dabei den Experimentalcharakter dieser Wandbildern. Der Autor beschreibt zudem die Atelier- und Wohnräume des Künstlers in Berlin, die Wandbehänge, expressionistische Austellungsräume sowie die Krankensammelstelle in Ostende, bei deren Ausgestaltung Erich Heckel verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung erprobte und das Ganze nicht als einheitliches Kunstwerk verstanden haben wollte.

Die Maltechniken Erich Heckels

Im Anhang des ersten Bandes des Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen (1904-1918) bietet Caroline von Saint-George in einem Essay Einblick in die Maltechniken Erich Heckels. Dies sein ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis des Werkes des Expressionisten. Sie betont zudem die Bedeutung der Maltechniken bei der Beurteilung von Erhaltungszuständen seiner Werke, der Feststellung restauratorischer Behandlungen sowie der Identifizierung künstlereigener Hinzufügungen und der Entlarfung von Fälschungen. Maltechnische Informationen sind zugleich für die Datierung oder Zuweisung ungesicherter Werke hilfreich.

Caroline von Saint-George unterstreicht, dass sich die Kombination aus stilkritischer Betrachtung, Provenzienzforschung und kunsttechnologischer Untersuchung von Werkgruppen durchgesetzt und vielfältige neue Erkenntnisse hervorgebracht hat. Bei Erich Heckel stehe eine solche umfassende kunsttechnologische Erforschung seines malerischen Werkes nach am Anfang.

Ihr Essay befasst sich mit neuen Wegen in der Materialtechnik, dem Malen im Freien und im Atelier, Malweisen und Bindemitteln, Heckels Farbpalette, künstlereigenen Überarbeitungen und Restaurierungen und doppelseitig bemalten Leinwänden.

Band II der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen

Der zweite Band des Werkverzeichnisses der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen von Erich Heckel enthält einführende Essays von Andreas Hüneke zu Heckels Steinskulpturen, zu seinen nach dem Ersten Weltkrieg einstandenen Wandmalereien und Raumgestaltungen, zu seinem Werk in der Zeit des Nationalsozialismus, eine Biografie von Erich Heckel, zusammengestellt von Renate Ebner, sowie ein Register, ein Verzeichnis der Gemälde in Museen, ein Ausstellungsverzeichnis, eine Bibliographie und mehr. Vor allem zeigen natürlich beide Bände alle bekannten Werke von Erich Heckel.

Hier nur ein Detail aus Band II: Bei archäologischen Grabungen vor Baubeginn einer U-Bahn-Station am Roten Rathaus in Berlin wurden im Keller eines im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauses, in dem sich ein Lager des nationalsozialistischen Propagandaministeriums befunden hatte, Reste von Skulpturen und Plastiken aus der Aktion „Entartete Kunst“ gefunden. Laut Andreas Hüneke liegt die Vermutung nahe, dass dort neben Gemälden auch Holzskulpturen von Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel, die für den Nazi-Propagandafilm „Venus vor Gericht“ benutzt worden waren, verbrannten.

Herausgegeben von der Erich-Heckel-Stiftung, Beiträge von Andreas Hüneke: Erich Heckel: Werkverzeichnis der Gemälde, Wandbilder und Skulpturen. Band 1: 1904 bis 1918. Band 2: 1919 bis 1964. Beiträge von Renate Ebner und Caroline von Saint-George. Band 1: 414 Seiten mit 466 Abbildungen in Farbe und 158 S/W Abbildungen. Band 2: 552 Seiten mit 387 Abbildungen in Farbe und 158 S/W Abbildungen. Format beider Bände: 26 x 31 cm, gebunden, Schmuckschuber. Hirmer Verlag, November 2017. Die 2 Bände bestellen (Cookies akzeptieren – wir erhalten eine Kommission bei gleichem Preis) bei Amazon.de.

Das Buchcover von Band 1 zeigt das Gemälde Segelschiffe im Hafen (1910-11), Öl auf Leinwand, 66,5 x 75 cm. Auf der Rückseite dieses Werkes findet sich die Darstellung Drei liegende Akte (1909-58), die überstrichen wurde. Das Gemälde Segelschiffe im Hafen befindet sich seit 1979 im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster. Dargestellt ist der Hafen von Stralsund mit Blick auf Rügen und Altefähr.

Zitate und Teilzitate in dieser Buchkritik / Rezension der Ausstellung sind der besseren Lesbarkeit wegen nicht zwischen Anführungs- und Schlussszeichen gesetzt.

Rezension / Buchkritik hinzugefügt am 6. August 2024 um 15:50 deutscher Zeit.