Fünf-Sterne-Präsident Di Maio will ein Impeachment des italienischen Präsidenten

Mai 28, 2018 at 18:23 713

Der Fünf-Sterne-Präsident Luigi Di Maio will ein Impeachment des italienischen Präsidenten Sergio Mattarella. Dieser habe die Verfassung verletzt (attentato alla Costituzione). Mattarella ist ein ehemaliger Verfassungsrichter und sollte daher die Verfassung kennen.

Wie auch immer, am 27. Mai gab der designierte Premierminister Conte, ein Anwalt und Rechtsprofessor ohne jede politische Erfahrung, sein Mandat zur Bildung einer Regierung zurück. Der Parteilose war vom Fünf-Sterne-Führer Luigi di Maio und vom Lega-Führer Matteo Salvini als ihr Mann an der Spitze der Regierung vorgesehen gewesen, da keiner dem anderen den Vortritt lassen wollte und konnte.

Zuvor hatte Präsident Mattarella nach eigener Aussage alle Minister auf der Liste von Conte mit Ausnahme des Ministers für Wirtschaft und Finanzen, Paolo Savona, akzeptiert. Savona war der Favorit von Lega-Führer Salvini und „nicht verhandelbar“. Savona brachte eigentlich beste Voraussetzngen für das Amt mit. Der Ökonom hatte als Uniprofessor, bei der italienischen Zentralbank, als Präsident des Wirtschaftsverbandes Confindustria sowie als Chef verschiedener Unternehmen wie dem Credito Industriale Sardo und der Banca Nazionale del Lavoro gearbeitet. Zudem war er von 1993 bis 1994 Industrie- und Handelsminister unter Ministerpräsident Carlo Azeglio Ciampi gewesen. Ciampi war übrigens ein Befürworter von Italiens Beitritt zur Eurozone. In den letzten Jahren hat sich Paolo Savona jedoch völlig von diesem Erbe distanziert. Nun tritt er für den Austritt Italiens aus der Eurozone ein, und den Vertrag von Maastricht von 1992 bezeichnet er als grossen Fehler.

Den Austritt aus dem Euro, das war auch jahrelang das grosse Dada des Gründers der Fünf-Sterne-Bewegung Bebbe Grillo gewesen. Die Forderung wurde erst vor den letzten Wahlen von Di Maio ad-acta gelegt. Seine Bewegung sollte so mehr Italiener ansprechen, seriöser wirken und Wirtschafts- und Finanzkreise überzeugen.

In der Tat würde Italien ein Ende des Euro kaum überstehen. Die neue Währung würde über Nacht stark an Wert verlieren. Die schon heute bei über 130% des BIP stehenden Staatsschulden wären immer noch in Euro und würden deshalb explodieren. Zudem ist der grosse Vorteil des Euro, dass die Zinsen wegen der EZB-Politik lächerlich tief sind und das dahinter liegende Risiko nicht wiederspiegeln. Die Zinsen würden in der neuen Währung explodieren. Niemand würde Italien mehr Geld geben oder nur zu prohibitiv hohen Zinsen. Italien wäre über Nacht bankrott. Dass Paolo Savona das nicht sieht, erstaunt doch sehr.

Savona ist nicht nur ein Kritiker der EU und der Eurozone, wofür es gute Gründe gibt, da der Euro für Länder im Norden wie Deutschland zu weich ist, weshalb sie wie die Weltmeister exportieren können, während dem er für den „Club Med“, darunter, Italien, zu hart ist. Doch Savona geht noch viel weiter und sieht in Deutschland den grossen Übeltäter. Wie zu Nazizeiten versuche das Land Europa zu dominieren. Heute nicht mehr mit Gewalt, sondern über die EU, die Wirtschaft und die Finanzen.

Di Maio, Salvini, Savona (und übrigens auch Berlusconi) sind Fans des russischen Autokraten Putin und seiner Pseudo-Demokratie. Di Maio und Salvini haben in ihren Koalitionsvertrag ein Ende der Sanktionen gegenüber Russland mehr oder weniger deutlich reingeschrieben. Das kommt nicht von ungefähr, denn sowohl die Fünf-Sterne-Bewegung wie auch die Lega haben im Wahlkampf Geld von Putin erhalten. Salvini ging in seiner Begeisterung für den ehemaligen KGB-Spion und FSB-Chef so weit, mit einem Putin-T-Shirt zu posieren, die Annexion der Krim gutzuheissen und öffentlich bekanntzugeben, er wäre sofort bereit, den EU-Präsidenten Juncker druch Putin zu ersetzen.

Matteo Salvini hat auf den Widerstand von Präsident Mattarella gegen die Personalie Savona Verschwörungstheorien in Umlauf gebracht. Schon mehrfach sah er Deutschland, Frankreich, die EU, die Finanzmärke und Ratingagenturen im Hintergrund am Werk, um eine populistische Regierung in Italien zu verhindern.

Di Maio und seine Fünf-Sterne-Bewegung sowie Salvini und seine Lega sind Anti-Establishment-Parteien, die beide Euro- und EU-skeptisch sind. Sie sind Populisten, die sich im Kampf gegen die etablierte Klasse in Italien, der EU und der Welt sehen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass Italiens Wirtschafts- und Finanzprobleme fast vollständig hausgemacht sind. Mit der EU oder dem Euro haben sie nichts zu tun.

Es ist wahr, dass Italien seine Probleme vor der Einführung des Euro durch Abwertungen „gelöst“ hat. Doch das waren nur Scheinlösungen. Die Kompetivität Italien lässt schon lange zu wünschen übrig. Strukturreformen wurden verschlampt oder gar nie angegangen.

Das Problem, bei dem die EU versagt hat, ist die Flüchtlingsfrage. Jahrelang liessen Merkel und andere Italien und Griechenland im Regen stehen. Sie sollten sich alleine um die politischen und die Wirtschafts-Flüchtlinge kümmern, die in ihrem Land ankamen. Das hatte man ja so als Scheinlösung in der EU vereinbart.

Di Maio und Salvini denken, dass das italienische Establishment wegen ihrem Griff zur Macht zitterten. Doch der drohende Machtverlust ist nur ein Antrieb für ihre Gegenwehr. Es gibt viele gute Gründe, weshalb man den Populisten auf die Finger schauen muss. Ihre Koalitionsvertrag sieht wie von der Lega gefordert die Einführung einer Flat Tax vor. Gleichzeitig konnte die Fünf-Sterne-Bewegung ein Ende der Pensionsreform und die Einführung eines Mindesteinkommen durchdrücken. Doch man kann nicht gleichzeitig eine massive Steuersenkung durchsetzen, die sicher nicht ganz falsch ist, und gleichzeitig den Wohlfahrtsstaat ausbauen. Weniger Steuern bei Mehrausgaben, das führt zu einem höheren Budgetdefizit und zu höheren Staaatsschulden. Dass da vernünftige Italiener, befreundete Regierungen, die Finanzmärkte und Ratingagenturen nicht einfach vor Begeisterung zustimmen, ist verständlich.

Auf der anderen Seite bleibt das Problem, dass die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega die Wahlen gewonnen haben. Bei frühzeitigen Neuwahlen können sie laut Umfragen darauf hoffen, noch mehr Stimmen zu gewinnen. Präsident Mattarella wird dem Willen der Wähler nicht lange widerstehen können. Werden die zwei Populisten Di Maio und Salvini and Savona festhalten? Wird das Impeachment des Präsidenten durchgezogen? Italiens Zukunft ist ungewiss. Das Land ist zu gross, um fallengelassen zu werden. Zudem ist es zu gross, um gerettet zu werden. Daher ist Italiens Zukunft von globalem Interesse. Machen die Populisten eine unvernünftige Politik und geht Italien pleite, dann droht eine Weltwirtschaftskrise, die Lehman Brothers und Griechenland bei weitem in den Schatten stellen würde.

Photo of Luigi di Maio (center). M5S at Quirinal Palace on April 12, 2018. Photo: public domain, Presidenza della Repubblica.

Artikel vom 28. Mai 2018 um 18:23 italienische Zeit. Druckfehler korrigiert am 23. August 2021 um 17:38: „überstehen“ statt „übersehen“ (fehlendes „t“ eingefügt) und „Nacht“ statt „nicht“ eingefügt.