Gauland

Jan 31, 2019 at 14:14 1648

Gauland. Die Rache des alten Mannes. Rezension des Buches von Olaf Sundermeyer

Alexander Gauland ist einer von zwei Bundessprechern und einer von zwei Parteivorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD). Vielen in der Bundesrepublik – und darüber hinaus – gilt er als rotes Tuch. Da kommt das Buch von Olaf Sundermeyer: Gauland. Die Rache des alten Mannes (C.H. Beck, 2018, 176 Seiten; Amazon.de) gerade recht, um Licht ins Dunkel des konservativen Gentlemans und Rechtspopulisten zu bringen.

Olaf Sundermeyer, der ARD-Reporter im Investigativteam des RBB und Spezialist für Extremismus, innere Sicherheit und die rechte Szene, hat für sein Buch unter anderem Weggefährten von Alexander Gauland befragt. Jemand, der ihn seit über 40 Jahren kennt, kommt zum Schluss, Gauland sei ein anderer geworden. Olaf Sundermeyer geht deshalb der Frage nach, „wie es dazu kam, dass sich ein lange Zeit unscheinbarer CDU-Politiker aus der zweiten Reihe zum Demagogen entwickelte, zu einem Hetzer…“.

Der Autor schreibt von einer selbstgewählten Radikalisierung Gaulands. Er sei zwar kein Rechtsextremist, habe jedoch dafür gesorgt, dass sie hoffähig wurden, und lieferte ihen Argumente in bürgerlicher Diktion.


Olaf Sundermeyer: Gauland. Die Rache des alten Mannes. C.H. Beck, 2018, 176 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de. Diese Biografie bzw. Analyse ist die Quelle für diesen Artikel. Zwecks leichterer Lesbarkeit wurden Zitate und Teilzitate nicht zwischen Gänsefüsschen gesetzt.

Der Autor geht zuerst auf die Spuren der Wurzeln von Alexander Gauland, der 1941 in Chemnitz als Sohn eines 1936 in den Ruhestand versetzten Oberstleutnants der Schutzpolizeit geboren wurde. Der Vater sei kein Nazi, sondern ein Nationalkonservativer gewesen, so Alexander Gauland. Er, der Sohn ohne Zukunft in der neuen Diktatur, flüchtete nach dem Abitur 1959 aus der DDR, da ihm dort der Zugang zur Universität verwehrt wurde. Ab 1960 studierte er in Marburg und Giessen Politik und Recht und legte später die erste und zweite juristische Staatsprüfunge in Hessen ab.

Nach seiner Promotion arbeitete Alexander Gauland von 1970 bis 1972 für das Presse-und Informationsamt der sozial-liberalen Koalition. 1974 und 1975 war er Presseattaché am Generalkonsulat in Edinburg (Schottland). Doch politisch schlug sein Herz anders. Von 1973 bis 2013 war er Mitglied der CDU.

Olaf Sundermeyer bezeichnet denn auch Alexander Gauland als Fleisch vom Fleische der CDU. Niemand empöre sich mehr über ihn als seine langjährigen Parteifreunde aus der Union, und dies nicht ohne Grund.

Heute steht der Rechtspopulist zwar an forderster Front der AfD, doch zum Volkstribunen fehle ihm das Kumpelhafte. Er halte stets Distanz zu den Menschen und sei weder weinfest- noch bierzeltfähig.

Alexander Gauland war ein Mann aus der zweiten Reihe. Sein Mentor Walter Wallmann, stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender und danach Parlamentarischer Geschäftsführer, machte ihn zu einem persönlichen Referenten. Wallmann und Gauland war Helmut Kohls Aufgabe persönlicher Distanz zuwider. Wallmann lehnte deshalb zuerst ein Angebot Kohls ab, in die Bundesregierung einzutreten. Erst zwei Jahre später nahm er ein weiteres Angebot an, das er laut Sundermeyer nicht mehr habe ablehnen können. Er betont, Gauland habe Kohl von der ersten Begegnung im Frankfurter Römer an nicht gemocht. Seinem Chef Wallmann, von 1977 bis 1986 Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, 1986-7 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie von 1987 bis 1991 Ministerpräsident Hessens, habe Gauland empfohlen, sich von Kohl zu trennen. Dem damaligen CDU-Parteivorsitzenden Kohl wiederum sei Gauland zu parteifern, zu intellektuell gewesen.

Nach der Wahlniederlage Wallmanns 1991 musste sich Alexander Gauland umorientieren und wurde Herausgeber der Märkischen Allgemeine in Potsdam. Sogleich schrieb er ein kritisches Buch über den damals gefeierten Kanzler der Einheit. Dass Kohl nichts Faszinierendes besitze, steht dort bereits in der Einleitung. Er verkörpere Mittelmass. Gauland führte den FAZ-Journalisten Konrad Adam mit der polemischen Zuspitzung an, Kohl verkörpere „Prinzipientreue ohne Grundsätze in einer Gesinnungsgemeinschaft ohne Überzeugung“. In dieser Kritik der CDU als Kanzlerwahlverein sieht Sundermeyer bereits eine Art Grundstein der AfD, die Konrad Adam Jahre später mit Alexander Gauland zusammen aufbauen sollte.

Springen wir forwärts zur AfD: Sundermeyer schreibt, Gauland und andere hätten im Verbund mit der islam-und fremdenfeindlichen Demonstrationsinitiative Pegida und anderen rechtzeitig dafür gesorgt, dass die AfD zum richtigen Zeitpunkt bereit für den grossen Wurf war. Zweieinhalb Jahre nach der Gründung der Alternative für Deutschland, nach der Grenzöffnung für Flüchtlinge im September 2015, sei es dann so richtig losgegangen. Die Demoskopen hätten damals verkündet, die AfD sei nun in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Alexander Gauland positioniert sich laut Olaf Sundermeyer als Ost-West-Versteher. Er gehöre zum exklusiven Kreis von Politikern, die in Ost- und Westdeutschland gut ankommen. Seine Russlandausrichtung sei allerdings wenig konsequent. Konrad Adam sagte dem Autor ebenfalls und zurecht, dass Gauland ein begeisterter und offenbar überzeugter Bewunderer des englischen Parlamentarismus ist. Der konservative Staatsphilosoph und Politiker Edmund Burke ist ihm ein Vorbild. Gauland selbst betont, man dürfe den amerikanischen Einfluss in Europa auf keinen Fall durch einen russischen ersetzen. Er sei nicht für Putin!

Sundermeyer widmet ein Kapitel dem Thema, wie Gauland sich bei einem Spaziergang an einem nasskalten Montagabend durch die Dresdner Alstadt selbstradikalisierte und das Pegida-Moment für die AfD zu nutzen wusste. Mit dem dubiosen Lutz Bachmann konnte er zwar nichts anfangen, doch den zweiten Mann des Pegida-Organisationskomitees, Siggi Däbritz, bezeichne Gauland als vernünftigen Menschen, von dem er sich nicht distanziere. Däbritz wurde zum Mann fürs Grobe der AfD, für Technik, Sicherheit und Organisation auf der Strasse, ein zentrales Bindeglied zwischen Partei und Bewegung. Mit seiner Hilfe habe die AfD das Pegida-Konzept gekapert.

Sundermeyer betont, Gauland, der ehemalige Zeitungsherausgeber, habe Freude am Umgang mit Journalisten und an der Zeitungslektüre. Er spiele nur mit dem Thema „Lügenpresse“. Er wisse, dass die Rede von „Systemmedien“ Unfug sei.

Mehrfach hat Alexander Gauland den Franzosen Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord als Vorbild bezeichnet. Der diente Napoléon sowie den Regimen davor und danach. Sein eiskalter Zynismus und Opportunismus unter sechs Regimen wirkt auf viele abschreckend. Talleyrand sei ein Schlüssel zum Verständnis von Gauland, so ein ehemaliger Freund des Afd-Politikers.

Dies und noch viel mehr findet sich in der knappen, jedoch fundierten Analyse von Olaf Sundermeyer.

Olaf Sundermeyer: Gauland. Die Rache des alten Mannes. C.H. Beck, 2018, 176 Seiten. Das Buch bestellen bei Amazon.de.


Alexander Gauland am 23. Januar 2019. Photo: © Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2019-01-23-Alexander_Gauland-Maischberger-1521.jpg.

Artikel vom 31. Januar 2019 um 14:14 ukrainischer Zeit