Kristine Opolais

Feb 01, 2018 at 00:02 1574

Seit meinem ersten Interview Ende 2006 mit Kristine Opolais ist rund ein Jahrzehnt vergangen. Dazwischen liegt eine Weltkarriere. Dabei musste die lettische Sopranistin schon mal kurzfristig einspringen. Weltweite Schlagzeilen machte 2014 das kurzfristige Ausscheiden von Anna Netrebko bei einer Produktion von Giacomo Puccinis Manon Lescaut an der Bayerischen Staatsoper München – damals gerade als „Opernhaus des Jahres“ gefeiert. Kristine Opolais sagte mir im Januar 2018 im Interview in Riga, dass sie eigentlich bereits auf dem Weg zur Met gewesen sei, als die Anfrage aus München kam. In New York war sie für eine Wiederaufnahme von La Bohème engagiert gewesen, wurde jedoch vom Intendanten freigegeben. Sie hatte nur eine Woche, um sich auf die Rolle als Manon Lescaut unter der Leitung des Pariser Dirigenten Alain Altinoglu vorzubereiten. Sie rettete nicht nur die von Hans Neuenfels – der sich erstmals an Puccini versuchte – inszenierte Oper, sondern führte diese zusammen mit dem gefeierten Tenor Jonas Kaufmann zu einem Triumph.

Bereits im Juni 2014 hatte sie ebenfalls zusammen mit Jonas Kaufmann am Royal Opera House, Covent Garden, in einer neuen Produktion von Jonathan Kent mit dem Orchestra of the Royal Opera House unter der Leitung des britischen Dirigenten Antonio Pappano als Manon Lescaut brilliert. Dabei musste Kristine Opolais in München und London in den Armen ihres Geliebten Chevalier Des Grieux (Jonas Kaufmann) in der Wüste verdurstend unzählige Tode auf der Bühne sterben.

An zweiter Stelle ihrer Lieblingsaufnahmen nannte mir Kristine Opolais am 10. Januar 2018 die Puccini-Oper Manon Lescaut mit Jonas Kaufmann, aufgenommen mit dem Orchester des Royal Opera House und dem Royal Opera Chorus unter der Leitung von Antonio Pappano in London. Die DVD bestellen bei Amazon.de, Amazon.com, Amazon.co.uk, Amazon.fr.

Manon Lescaut war übrigens die dritte Rolle von Kristine Opolais in München als Premiereneinspringerin! Spätestens da war selbst dem letzten Zuhörer klar, dass die Lettin keine Lückenfüllerin ist, sondern in die erste Reihe der Sopranistinnen gehört.

Auf meine Frage nach einem zukünftigen Projekt mit Jonas Kaufmann, mit dem sie in München und London ein wunderbares Duo gebildet hatte, teilte sie mir leider mit, dass im Moment nichts in Planung sei. Schade. Doch die Idee schien ihr zu gefallen.

Im Februar 2018 wird Kristine Opolais mit dem Boston Symphony Orchestra unter der Leitung ihres Mannes Andris Nelsons zusammen mit dem Bass Alexander Tsymbalyuk in Boston in Schostakowitschs 14. Sinfonie zu hören sein. Die ungewöhnliche 14. Sinfonie wurde 1969 fertig gestellt und ist Benjamin Britten gewidmet. Sie kommt mit einem kleinen Streichorchester und zehn Perkussionisten aus. Elf Lieder mit Gedichten von vier Autoren werden von einem Bass (Terfel) und einem Soprano (Opolais) vorgetragen. Damit führt das BSO seine Gesamteinspielung der Schostakowitsch-Sinfonien fort, die später bei Deutsche Grammophon erscheinen sollen.

Kristine Opolais sagte mir, bei Schostakowitsch wie bei Wagner sei es wichtig, die Worte zu fühlen, zu spüren. Überhaupt betonte sie die Notwendigkeit, die Rollen mit der ganzen Seele zu leben, nicht in Routine zu verfallen.

Da ihre am 28. Dezember 2011 geborene Tochter Adriana Anna nun im Vorschulalter ist, versucht Kristine Opolais, nicht mehr zu viele Angebote anzunehmen. Ohnehin sieht sie sich nicht in Eile, will vielmehr ihre Stimme schonen, um so ihre Karriere nicht durch Überforderung frühzeitig beenden zu müssen. Bereits Ende 2006 hatte sie mir gegenüber betont, die Rolle von Liza in Tschaikowskis Queen of Spades könne man nicht zu oft singen, da diese extrem anspruchsvoll für die Stimme sei. 2018 sagte sie mir, sie versuche nun, etwas weniger Opern zu singen und den Fokus mehr auf Konzerte und Galas (Moskau, Turku und Ljubljana) zu legen. Gleichzeitig ist sie offen für Neues. Sie wolle weiter lernen, was die Musik, das Repertoire und die Gesangstechnik angehe. Gerne würde sie einmal das Dvořák Requiem oder Ravel singen, doch müsse ihre Stimme dafür bereit sein. Lachend meinte sie, für ihre Traumrolle, Richard Wagners Isolde, werde sie vielleicht in zehn Jahren bereit sein. Ich sah sie in Riga vor einem Jahrzehnt als überzeugende Senta in Wagners Fliegendem Holländer. Diesen Part habe sie etwas zu früh übernommen, meinte sie im Gespräch. Ihre nächste Wagner-Rolle wird Elsa sein, wobei sie betonte, dieser Anforderung sei sie gewachsen, Elsa sei keine Gefahr für ihre Stimme. Im Juni und Juli 2018 singt sie am Royal Opera House in London unter der Leitung ihres Ehemanns Andris Nelsons in Richard Wagners romantischer Oper Lohengrin eben diese Elsa von Brabant in einer von David Alden inszenierten Neuproduktion an der Seite von Klaus Florian Vogt (Lohengrin).

Die Geburt ihrer Tochter hat ihre Sichtweise auf die Musik verändert, auch, was die Interpretation von Rollen angeht. So verstehe sie als Mutter eine ihrer Paraderollen, Cio-Cio San in Puccini’s Madama Butterfly, nun noch besser. Sie war damit in Riga, am Royal Opera House in Covent Garden, an der Met in New York sowie zuletzt 2017 in Wien erfolgreich. Als Cio-Cio San wird Kristine Opolais am 19., 25. und 28. März 2018 an der Wiener Staatsoper unter der Leitung von Ramón Tebar demnächst wieder zu bewundern sein.

Kristine Opolais sagte mir ebenfalls, sie werde wieder die Rollen von Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk sowie von Lisa in Tschaikowskis Pique Dame / Queen of Spades singen, sie habe zudem Lust auf das italienische Repertoire. Gerne würde sie Desdemona in Verdis Oper Otello spielen, das wäre sicher eine gute Rolle für sie. Auch der Part von Elisabeth von Valois in Don Carlos reizt sie. Sie wolle mit ihren Rollen wachsen. Doch müsse sie dafür bereit sein.

Kristine Opolais hat keinen eigentlichen Gesangslehrer mehr, doch seit 2007 arbeitet sie regelmässig mit der niederländischen Sopranistin Margreet Honig aus Amsterdam zusammen, einer Expertin für vokale Technik.

Als ihre Lieblingseinspielung bezeichnete Kristine Opolais mir gegenüber am 10. Januar 2018 im Interview die Oper Rusalka von Antonín Dvorák (Amazon.de, Amazon.co.uk, Amazon.com Amazon.fr), aufgenommen 2010 an der Bayerischen Staatsoper in München unter den Leitung von Dirigent Tomás Hanus mit Partnern wie Klaus Florian Vogt, Nadia Krasteva, Günther Groissböck und anderen. Die Münchner Produktion von Martin Kušejs sollte Aspekte des Falles Natascha Kampusch darstellen.

Kristine Opolais betonte, Martin Kušejs Münchner Produktion von Rusalka habe ihr wirklich gefallen. Das Konzept der Produktion sollte Aspekte des Falles Natascha Kampusch darstellen. Die Leute waren bewegt, einige waren schockiert und andere hassten es auch, aber insgesamt fühlte Kristine, dass die Produktion wirklich stark war. Sie konnte sich auf den Charakter konzentrieren und wie sie dieses komplexe, verwundete Wesen darstellen könnte. Die Produktion sei beängstigend und irgendwie perfekt zugleich gewesen. Sie erfasste, wie Rusalka sich in der menschlichen Welt gefühlt haben müsste.

Kristine Opolais sang den Part von Rusalka an der Bayerischen Staatsoper von 2010 bis 2017 und wird dafür 2020 erneut nach München fliegen, wie sie mir gegenüber betonte.

Da Kristine Opolais noch jung ist, ihre Stimme nicht überfordert und neue Projekte sorgfältig auswählt, dürfte sie uns noch lange als Sopranistin erfreuen.

Kristīne Opolais. Photo Copyright © Elena Nezenceva.

Kristine Opolais. Foto Copyright © Elena Nezenceva.

Kristīne Opolais. Photo Copyright © Tatyana Vlasova.

Artikel vom 1. Februar 2018 um 00:02 Berliner Zeit.