Macron gewinnt die französische Präsidentschaftsdebatte gegen Le Pen

Apr 21, 2022 at 12:59 1579

Der zur Wiederwahl antretende Präsident Emmanuel Macron gewinnt wie erwartet die Präsidentschaftsdebatte gegen die rechtsextreme Herausforderin Marine Le Pen. Laut einer Umfrage des Instituts Elabe für BFMTV, L’Express und SFR war Emmanuel Macron für 59% der Fernsehzuschauer der überzeugendere Kandidat. Nur 39% sahen Marine Le Pen vorne, die sich allerdings etwas besser schlug als 2017, als sie in der Debatte vor der Stichwahl regelrecht implodierte.

In der Präsidentschaftsdebatte vom 20. April 2022 unterbrach Emmanuel Macron allerdings Marine Le Pen sehr häufig. Er liess sie nicht ausreden, korrigierte sie ständig (zumeist zurecht), spielte sich schulmeisterlich auf. Inhaltlich war der alte und ziemlich sicher neue Präsident seiner politischen Gegnerin haushoch überlegen, doch seine überhebliche Haltung war taktisch unklug. Marine Le Pen hatte aus ihrem Debatten-Desaster von 2017 gelernt und zeigte wie schon in der gesamten Wahlkampagne 2022 ihr freundliches Gesicht. An Substanz zugelegt hat sie jedoch nicht. Die Tochter des rechtsextremen Pöblers Jean-Marie Le Pen steht vor allem an der Spitze des Rassemblement national, weil sie die einst als Front national gegründete Partei ein Familienunternehmen ist. Marine Le Pen hat nicht die Statur, in den Elysée-Palast einzuziehen. Dass sie dennoch zwischenzeitlich in Umfragen bei rund 47% lag, ist völlig verrückt, insbesondere angesichts von Putins Eskalation des Krieges gegen die Ukraine.

Frankreich ist nicht irgendein EU-Land. Nach dem strategischen Desaster bekannt unter dem Namen Brexit ist Frankreich die letzte in der EU verbliebene Atommacht und das einzige EU-Mitglied mit einem permanenten Sitz im UNO-Sicherheitsrat. Dass Frankreich Mitglied der EU bleibt ist daher von geostrategischer Bedeutung. Frankreich gehört zu jenen Atommächten mit der Fähigkeit zu einem Zweitschlag (second strike capability). Im Zusammenhang mit Putins Krieg liess Präsident Macron erstmals seit den 1980er Jahren drei der vier französischen nuklearen Unterseeboote auslaufen, denn eben diese bilden das Rückgrat der französischen Dissuasion.

Wladimir Putin unterstützt seit Jahren direkt und indirekt Politiker im Westen, die ihm nützlich sind, weil sie ähnliche Ideen wie er vertreten und/oder die Demokratien, die EU, den Westen schwächen. Marine Le Pen ist eine nützliche Idiotin. Daher erhielt sie, nachdem sie Putins widerrechtliche, gewaltsame Annexion der Krim und das dazugehörige Pseudo-Referendum 2014 gebilligt hatte, einen Wahlkampf-Kredit von einer dem Kreml nahestehenden Bank. Das hielt ihr Präsident Macron denn auch zurecht in der Präsidentschaftsdebatte vom 20. April 2022 vor.

Das Losglück stand Marine Le Pen 2022 bei. Das von ihr früh als wichtiges Wahlkampfthema erkannte Kaufkraftproblem (pouvoir d’achat) wurde zum ersten zu debattierenden Thema ausgwählt. Laut einer Umfrage des Instituts Elabe von Ende März gaben 57% der Franzosen an, dies sei für sie das wichtigste Thema, weit vor der Gesundheit, die mit 28% auf dem zweiten Platz der Anliegen und Sorgen der Wähler landete.

Marine Le Pen behauptete in der Debatte, sie werde die Präsidentin des Volkes sein, das sie unter Macron und seinen Entscheidungen haben leiden sehen. Unter ihr werde es zu einer demokratischen Renaissance kommen. Sie werde die Präsidentin der hoheitlichen Themen (la présidente du régalien) sein. Sicherheit, Arbeitsplätze, Kaufkraft, Gesundheit, Assimilation der Immigranten würden bei ihr oben auf der Prioritätenlisten stehen. Sie würde das Land wieder einen. In der Tat hat Präsident Macron mit den Reformen zu Beginn seines Mandates und danach in der Pandemie Frankreich gespalten, nicht zuletzt durch unbedachte Worte, mit denen er zum Beispiel die Ungeimpften am 4. Januar 2022 bedachte (les non-vaccinés, j’ai très envie de les emmerder). Im Kontext betrachtet war die Äusserung nicht ganz so schlimm, doch solche Worte sollte ein Präsident nicht benutzen. Vor allem sollte er einen und nicht spalten.

Wie auch immer, Marine Le Pen nutzte die Gunst der Stunde nicht, um mit dem Thema Kaufkraft zu punkten. Sie sagte in der Präsidentschaftsdebatte, sie würde die Mehrwertsteuer auf Energie dauerhaft von 20% auf 5% senken. Sie fügte hinzu, die Jungen unter 30 sollten keine Einkommenssteuer bezahlen, die Löhne der Menschen im Gesundheitswesen sollten steigen, Lehrlinge und Studenten, die arbeiten, sollten unterstützt werden, so wie alle vulnerablen Menschen, die unter Macron von 2017 bis 2022 besonders gelitten hätten. Sie wolle diese Massnahmen durch Einsparungen anderswo finanzieren. In der Debatte sagte sie dies nicht, doch in der Wahlkampagne hatte sie mehrfach klar gemacht, dass sie insbesondere an Kürzungen von Sozialleistungen an Einwanderer dachte.

Emmanuel Macron hingegen sagte, er werde die Beihilfen zu den Energiekosten nur so lange fortführen, wie sie nötig seien, diese also nicht permanent machen. Er unterstrich, die beste Art und Weise, die Kaufkraft zu erhöhen, sei der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Zu den Erfolgen seiner ersten Amtszeit gehört die Senkung der Arbeitslosenquote auf 7,4%. Zurecht erwähnte er, das Thema Arbeitslosigkeit komme im Wahlprogramm von Marine Le Pen gar nicht vor, denn er habe diese ja erfolgreich bekämpft. Emmanuel Macron erinnerte die Fernsehzuschauer zudem daran, dass Marine Le Pen in der Nationalversammlung gegen die Einfrierung der Energiepreise gestimmt habe. Marine Le Pen konnte diese Entscheidung nicht begründen und führte als Ausweichmanöver an, sie sei für die Einführung von 0% Mehrwertsteuer auf 100 lebensnotwenigen Produkten eingetreten. Macron zerlegte dieses Argument mit Angaben von Ökonomen, die nachgerechnet hatten, wie wenig diese Massnahmen bringen würden.

Das zweite Thema der Präsidentschaftsdebatte war der internationalen Politik gewidmet. Marine Le Pen begrüsste geschickt die Initiativen von Präsident Macron in der Ukraine. Sie verurteilte die Invasion durch Russland, womit sie ihre Nähe zu Putin vergessen machen wollte. Sie wolle die Ukrainer schützen und würde die Hilfen an die Ukraine fortsetzen, ohne dass dabei allerdings Frankreich zu einer Kriegspartei werden würde. Marine Le Pen sprach sich allerdings gegen das westliche Embargo auf Öl- und Gasimporte aus Russland aus. Sie schien nicht zu wissen oder wollte nicht wissen, dass die Energieexporte rund 50% zu Russlands Budget beitragen. In Tat und Wahrheit müsste das Energieembargo ausgeweitet werden (insbesondere Deutschland wäre da gefragt).

Wie oben erwähnt attackierte Emmanuel Macron zurecht Marine Le Pens Nähe zu Putin und zu Russland und erwähnte den Bankkredit, den sie von einer dem Kreml nahestehenden Bank erhalten und noch nicht zurückgezahlt hat. Wenn sie mit Russland spreche, spreche sie mit ihrem Bankier. Marine Le Pen wandte ein, das sei falsch (C’est faux!), doch Macron lag natürlich richtig.

Bezüglich der EU betonte Emmanuel Macron, er glaube an Europa und das deutsch-französische Tandem (Je crois en l’Europe et je crois dans le couple franco-allemand). Marine Le Pen setzte einen ganz anderen Akzent: Es gebe keine europäische Souveränität, denn es gebe kein europäisches Volk. Anders als noch 2017 tritt die Rechtsextreme heute nicht mehr für den Austritt aus dem Euro. Sie wolle, das Frankreich Teil der EU bleibe, doch die EU wolle sie tiefgreifend ändern. In Tat und Wahrheit sind einige ihrer Forderungen mit einer EU-Mitgliedschaft nicht vereinbar. Emmanuel Macron sagte daher zurecht, Marine Le Pens Projekt sei eine Mogelpackung, die in einem EU-Austritt bestehe (Votre projet ne dit pas son nom mais il consiste à sortir de l’Union européenne).

Bei Arbeitsplätzen plädierte Marine Le Pen für die „nationale Präferenz“, um billige Arbeitskräfte aus dem Ausland von Frankreich fernzuhalten. Emmanuel Macron wandte zurecht ein, dass die Personenfreizügigkeit zu den Grundpfeilern der EU gehört.

Bei Thema Immigration, einem der Lieblingsthemen des Rassemblement national, meinte Marine Le Pen, man müsse das Problem der anarchischen und massiven Immigration lösen. Sie werde daher als Präsidentin ein Referendum vorschlagen, um kriminelle Ausländer ausweisen zu können. Sie werde das Geburtortsprinzip (ius soli) abschaffen, bei Wohnungen und Arbeitsplätzen die Priorität den Franzosen geben (priorité nationale au logement et à l’emploi), die Regularisierung von illegalen Einwanderen unterbinden und das Ayslrecht modifizieren.

Emmanuel Macron sagte bezüglich der Kriminalität und Sicherheit, er habe sein Versprechen gehalten und Arbeitsplätze für zusätzlich 10,000 Polizisten und Gendarmen geschaffen.

Ein weiteres Kernthema des Rassemblement national ist der Kampf dem Islamismus. Laut Marine Le Pen will der (politische) Islamisimus die Scharia in Frankreich einführen. Der islamistische Terrorismus sei ein grosses Problem. Es müsse ein Gesetz gegen die islamistische Ideologie, die sich gegen die Fundamente der Republik wende, geschaffen werde. Sie attackiere nicht eine Religion, den Islam, der seinen Platz in Frankreich habe. Sie setze sich für das Verbot des Schleiers im öffentlichen Raum ein.

Emmanuel Macron erwiderte, er sei gegen das Schleier-Verbot im öffentlichen Raum, da man dann alle religiösen Zeichen verbieten müsste, so auch die Kippa. So ein Verbot würde zum Bürgerkrieg führen (Dans la cité, vous allez créer la guerre civile). Emmanuel Macron unterstrich, die Laizität, die Trennung von Kirche und statt, sei kein Kampf gegen eine Religion, sondern dies sei ein Prinzip der Freiheit (La laïcité ce n’est pas combattre une religion, c’est un principe de liberté).

Dies sind nur einige Details aus der Präsidentschaftsdebatte 2022 zwischen Macron und Le Pen, die der Amtsinhaber klar gewann, weil die Herausforderin im Detail weiterhin nicht mitdiskutieren kann, weil sie intellektuell überfordert ist und daher nie in den Elysée-Palast einziehen darf. Die französischen Wähler haben am 24. April 2022 in dieser Sache das letzte Wort.

Was wäre, wenn Putin 2022 nicht in die Ukraine eingefallen wäre oder wenn der Kreml Marine Le Pen zur Friedensstifterin in diesem Konflikt gemacht hätte?!

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Das Foto zeigt Emmanuel Macron im April 2015. Foto Copyright © Claude Truong-Ngoc (via Wikipedia).

Artikel vom 21. April 2022 um 12:59 französischer Zeit.