Markus Söder. Politik und Provokation. Die Biografie

Jan 24, 2019 at 15:17 1361

Die Journalisten Roman Deininger und Uwe Ritzer widmen sich in Markus Söder – Politik und Provokation: Die Biografie (Amazon.de) dem neuen starken Mann in Bayern, der durch ein erbärmliches Landtagswahlergebnis angeschlagen ist, doch als Ministerpräsident weiter regieren wird.

Das Buch basiert auf umfangreichen, zweijährigen Recherchen im politischen und privaten Umfeld von Markus Söder. Die Autoren halten fest, sie hätten mit weit über 100 Personen gesprochen – darunter bekannte Politiker, Ministerialbeamte und Jugendfreunde. Journalisten-Kollegen halfen mit, insbesondere Wolfgang Wittl von der Süddeutschen Zeitung.

Das Resultat ist ein 350seitiges Buch, das die Jugendjahre, den politischen Aufstieg, die Zeit als Stoibers General, die Jahre als «bayerischer Aussen-», Umwelt- und Finanzminister nachzeichnet. Die Schmutzeleien, der Aufstieg zum ersten Kronprinzen und der Machtkampf mit Horst Seehofer kommen nicht zu kurz.

Laut Deininger und Ritzer ist das Bierzelt so etwas wie ein zweites Wohnzimmer für Markus Söder. Sie zitieren seinen politischen Ziehvater Edmund Stoiber mit den Worten, als Volkspartei müsse man auch die hinteren Reihen, die normalen Leute, die Leberkäs-Etage erreichen. Und das kann er, der neue, starke Mann der CSU.

Dabei geht er ziemlich unzimperlich vor. Deininger und Ritzer schildern dazu einen Bierzelt-Moment: Söder trinkt fast keinen Alkohol. Er bevorzugt stilles Wasser. Der Kellner bringt ihm ein Wasser ans Rednerpult. Söder schaut es drei Sekunden an, lächelt wie ein Räuberhauptmann und ruft dann, ob sie nicht was Anständiges zu trinken hätten. Das Publikum johlt vor Begeisterung. Söder kriegt eine Mass Bier und prostet ins Zelt, das er mit einem Schlag erobert hat. Doch danach befeuchtet er bestenfalls seine Lippen mit Schaum. Er stellt die Mass wieder hin und rührt sie nicht mehr an. Für die Autoren ist dies eine Demonstration von Schamlosigkeit und Cleverness.

Deininger und Ritzer betonen, Söder habe Feinde fast mit Lust gesammelt. In seine Zeit als CSU-Generalsekretär fällt allerdings auch 2004 die Affäre um Mitglieder- und Stimmenkauf bei der Münchner CSU, bei der die Strauss-Tochter und Kultusministerin Monika Hohlmeier Konkurrenten gedroht haben soll, «Dossiers» gegen sie zu verwenden. Sie muss von allen Ämtern zurücktreten. Söder wird allseits als Friedensstifter gelobt, was ihm laut den Autoren in seinem Leben wohl noch nicht oft passiert sei.

Als rechte Hand von Ministerpräsident Stoiber ist Söder naturgemäss der Mann fürs Grobe. Zudem hat er keine von gegenseitiger Zuneigung geprägten Beziehungen zu Exponenten der CDU – abgesehen von einigen Kontakten aus JU-Tagen, etwa zu Ronald Pofalla und Norbert Röttgen.

Laut einem «Szenekenner», den die Autoren anonym zitieren, habe Söder bei aller Nähe zu Stoiber nicht zu dessen allerengstem Beraterkreis gehört. Der Ministerpräsident habe sich zwar immer angehört, was Söder gesagt habe, doch bei den grossen Fragen sei er kein entscheidender Faktor gewesen. Einzig bei Fragen der Generationenperspektive habe Söders Meinung hohes Gewicht gehabt. So sei der Generalsekretär bei den abendlichen Brainstorming-Runden in der Staatskanzlei nie dabei gewesen.

Bei Stoibers quälend langem Abstieg gehört Söder als sein General naturgemäss zu den Verlierern. Dabei lernt er, dass man in der CSU den Führungsanspruch durch Erfolg legitimieren muss. Die Partei sei eiskalt mit ihren Anführern, egal welche Gipfel der Beliebtheit sie vorher erklommen hätten.

Söder kennt die Stoiber-«Mörderin» Gabriele Pauli gut, denn 1990 hat er mit 23 Jahren der damals 33jährigen Landrätin als Wahlkampfhelfer gedient, so die Autoren. Zusammen sind sie mit einem Lautsprecherwagen über die Dörfer gezogen. 2006 avanciert Pauli zur Wortführerin der Stoiber-Kritiker. Söder bietet ihr einen Termin an, doch die Landrätin möchte mit Stoiber direkt sprechen. Im folgenden Jahr kommt es zum Sturz Stoibers, weil der Büroleiter des Ministerpräsidenten beim Wirtschaftsreferenten der Stadt Fürth anrief um, laut Kritikern, Infos zum Privatleben der Landrätin zu erfahren. Unabhängig davon, was genau der Büroleiter in Erfahrung bringen wollte und ob Stoiber von der Aktion wusste oder sie gar in Auftrag gab, zeigt laut Deininger und Ritzer diese Episode die Problemzone Stoibers: Abgehobenheit und Intransparenz. Stoiber ging danach nicht auf Pauli zu und Söder attackierte die Landrätin am Heiligen Abend 2006. Am Ende beerbten Huber und Beckstein den Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Stoiber.

Bei «Sabine Christiansen» in der ARD unternimmt Söder den hoffnungslosen Versuch, den Tragödienstadt schönzureden. Laut den Autoren salbadert er von einer souveränen und mutigen Entscheidung Stoibers und von der grossen Geschlossenheit der CSU. 2017 wird es beim Abgang Seehofers ähnlich zugehen. Zurück zu Christiansen: In der Sendung sass auch ein gewisser Uli Hoeness, der damals noch nicht wegen Steuerhinterziehung verurteilt war. Ihm platzte der Kragen. Es sei skandalös, dass die CSU einen Mann wie Stoiber einfach so gekillt habe. Dann entfährt ihm der Satz, der Söder noch lange verfolgen wird: «Wo waren Sie denn in den letzten 14 Tagen?»

Die Autoren haben mit Edmund Stoiber über die Sache gesprochen. Der gab sich sehr abgeklärt und meinte, Söder sei 25 Jahre jünger gewesen und habe sein ganzes politisches Leben noch vor sich gehabt. Warum sollte er mit ihm, Stoiber, fallen? Das hätte er nie verlangt.

In einem kurzen Exkurs zu «Ein Chef zum Verkriechen: Söders Umgang mit Mitarbeitern» gehen die Autoren der Geschichte um einen vom damaligen Umweltminister angeblich im Jähzorn zerschlagenen Glastisch auf den Grund. Der damals anwesende politische Redakteur der «Rheinischen Post», Reinhold Michels, sagt, der Tisch sei von selbst explodiert. Möbelexperten sprechen in diesem Zusammenhang von einem «thermalen Schock». Arbeiten mit Söder sei wohl eine Zumutung, so die Biografen, doch nicht jede Horror-Story über seine Umgangsformen seien korrekt.

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Buchkritik / Rezension vom 24. Januar 2019. Hinzugefügt um 15:17 ukrainischer Zeit