Mercedes-Benz 300 SL

Mrz 01, 2018 at 10:33 827

Das Jahrhundertauto

Am 26. Februar meldete das Statistische Bundesamt, dass im Jahr 2017 Kraftwagen und Kraftwagenanteile im Wert von insgesamt 234,4 Milliarden Euro exportiert wurden. Mit 18,3% aller Ausfuhren war der Fahrzeugsektor im achten Jahr in Folge der wichtigste Exportsektor, klar vor der Maschinenindustrie mit einem Anteil von 14,4% am Exportsektor.

Das ist Anlass genug, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen auf ein legendäres Fahrzeug, das den Ruf der deutschen Automobilindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg mitbegründet hat: der Mercedes-Benz 300 SL. Der Untertitel des hier zu besprechenden Buches von Hans Kleissl und Harry Niemann hat schon seine Berechtigung: Das Jahrhundertauto.

Der Mercedes-Benz 300 SL ist ein Meilenstein der Automobilgeschichte. Anerkannte Experten haben sich seiner Geschichte angenommen. Hans Kleissl kümmert sich mit seiner Firma HK-Engineeering seit 30 Jahren eben diesem Fahrzeugtyp und hat in dieser Zeit über einen Drittel aller 300 SL durch seine Hände gehen sehen. Der Sozialwissenschaftler und Publizist Dr. Harry Niemann ist als bekannt als Sachbuchautor und Journalist für die FAZ im Bereich Technik und Motor. Er hat für den Motorbuchverlag Stuttgart mehrere Werke verfasst. Nicht zuletzt leitete er von 1998 bis 2008 das Historische Archiv der Mercedes-Benz AG sowie in der Folge das Archiv und die Fahrzeugsammlung der Daimler AG.

Das reich illustrierte Buch von Kleissl und Niemann sollte anders als die bereits existierende Literatur zum Thema Mercedes-Benz 300 SL keine technisch detaillierte Darstellung der Konstruktions- und Produktionsphasen, sondern vielmehr das mit dem Jahrhundertauto verbundene Lebensgefühl wiedergeben. Zum Flügeltürer und zum Roadster gibt es im Pollinger Klostergut einen grosses Fundus an Fotos, Bildern, Prospekten, Geschichten und Erlebnissen, die sich sowohl um den Rennwagen wie auch um die späteren Serienausführungen drehen. Darauf basierend haben die Autoren ein Buch der Geschichten über Menschen und deren Leidenschaft für den Mercedes-Benz 300 SL verfasst und mit historischen Dokumenten reich illustriert.

Natürlich fehlen Hinweise auf die Geschichte der Daimler-Benz AG nach dem Zweiten Weltkrieg nicht. Bei fast allen Werken den Firma lag der Zerstörungsgrad bei über 50%. Viele Niederlassungen und Tochtergesellschaften gingen verloren, nicht zuletzt natürlich in der Sowjetischen Besatzungszone. Doch schon wenige Monate nach Kriegsende begann im Auftrag der alliierten Streitkräfte wieder die Produktion von Fahrzeugen. Die Geschichte des Aufstiegs aus Ruinen wird kurz zusammengefasst. Erstmals nach dem Krieg nahm ein Auto von Mercedes 1951 in Argentinien an einem Rennen teil. Dabei handelte es sich um einen Vorkriegs GP-Wagen des Typs 154, der von Juan Manuel Fangio gefahren wurde. Im Buch wird er als „junger Argentinier“ vorgestellt, obwohl er 1951 seinen 40. Geburtstag feiern konnte und 1950 mit drei in einem Alfa Romeo erzielten Grand Prix Siegen bei der erstmals ausgetragenen Fahrerweltmeisterschaft immerhin Vizeweltmeister wurde. Allerdings war seine Karriere insofern jung, als er seine fünf Weltmeistertitel erst danach gewann; ein Rekord, den erst Michael Schumacher 2003 übertreffen konnte.

Ab 1954 startete Juan Manuel Fangio für Mercedes-Benz, wobei er die ersten zwei Rennen noch für Maserati absolvierte. Mit sechs Saisonsiegen gewann er 1954 die Fahrerweltmeisterschaft zum zweiten Mal. 1955 wurde Fangio mit vier Saisonsiegen auf einem Mercedes-Benz W 196 zum dritten Mal Fahrerweltmeister, ehe er zu Ferrari und später zu Maserati wechselte.

In diesen frühen 1950er Jahren baute Rudolf Uhlenhaut einen super-leichten Wagen (SL). Am 13. März 1952 wurde der 300 SL als Rennauto erstmals der Presse vorgestellt. Dabei handelt es sich logischerweise um ein Fahrzeug mit spärlichem Interieur. Die Produktion der Serienfahrzeuge begann erst 1954. Völlig neu war natürlich der unorthodoxe Einstieg ins Fahrzeug. Bei der ersten Version musste das Fenster mit einem Teil des Dachs hochgeklappt werden. Der Rennwagen-Flügeltürer aus Aluminium wog nur 840 kg. Der Luftwiderstand betrug bei der Maximalgeschwindigkeit von 240 km/h lediglich 0,38 cw. Von diesem W 194 wurden lediglich 10 Fahrzeuge gebaut; hinzuzählen könnte man noch den W 194/11 von 1953, erwähnen unsere beiden Autoren, der heute ein Glanzstück der Fahrzeugsammlung des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart ist.

Als Fahrer der 300 SL von 1952 fungierten die Stars der 1930er Jahre, Rudolf Caracciola und Hermann Lang. Hinzu kam noch die nächste Generation mit Piloten wie Karl Kling, Hans Klenk, Fritz Riess, Theo Helfrich, Helmut Niedermayr und John Fitch. Sie fuhren bereits in ihrem ersten Jahr grosse Siege ein.

Der 300 SL von 1953 war eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Rennsportwagens von 1952. Natürlich wird im Buch die Entwicklung der verschiedenen Fahrzeuge bis hin zum Serienfahrzeug eben so genau beschrieben wie die Rennen, die gefahren wurden. Hinzu kommen zur Illustration Fotos und Rennplakate.

Mit dem 300 SL (W 198 I) mit seinem Flügeltürkonzept und dem Gitterrohrrahmen verbinden die meisten Leser den Namen Rudolf Uhlenhaut. Laut Kleissl und Niemann geht die Gesamtkonzeption in der Tat in erster Linie auf sein Konto. Doch die Besonderheit des Motors und die Benzindirekteinspritzung gingen auf die Forschungsarbeiten von Hans Scherenberg zurück, und der Designer des 300 SL sei Friedrich Geiger gewesen, so die Autoren, die in der Folge alle drei Väter des Jahrhundertautos sowie ihren jeweiligen Beitrag zum Fahrzeug im Detail und mit historischen Fotos illustriert vorstellen.

Einen Grossteil des Buches machen illustrierte Kapitel zu verschiedenen illustren 300 SL Besitzern und ihren ebenso berühmten Fahrzeugen aus. Zu ihnen gehört Porfirio Rubirosa. Der ehemalige Diplomat und Playboy aus der Dominikanischen Republik hatte fünf Ehefrauen, darunter die in heutiger Kaufkraft Milliardenerbinnen Barbara Hutton und Doris Duke sowie die Schauspielerin Danielle Darrieux. Unter seinen unzähligen Affären seien nur jene mit Zsa Zsa Gabor, Dolores del Rio, Ava Gardner, Joan Crawford, Jayne Mansfield, Marilyn Monroe und Evita Perón erwähnt. Daneben war Porfirio Rubirosa ein durchaus ernst zu nehmender Polospieler und Autorennfahrer, der standesgemäss nach einem Autounfall auf dem Weg ins Spital starb. Er war mit seinem Ferrari 250 GT Cabriolet im Pariser Bois de Boulogne gegen einen Kastanienbaum geprallt. Bei seiner fünften Hochzeit mit dem Model Odile Rodin war sein Hochzeitswagen natürlich ein 300 SL. Mehre Fotos im Buch von Kleissl und Niemann bezeugen die Liebe von Porfirio Rubirosa sowohl zu den Frauen als auch zum Flügeltürer von Mercedes-Benz.

Unter den vielen weiteren vorgestellten Besitzern und Besitzerinnen eines 300 SL seien hier nur noch der Aga Khan, Gunter Sachs, Horst Buchholz, Sophia Loren und Anita Ekberg erwähnt.

Mit dem Buch Mercedes-Benz 300 SL. Das Jahrhundertauto werden folglich nicht nur Autoenthusiasten glücklich, sondern auch all jene, die dem Glamour der 1950er und 1960er Jahre nachtrauern.

Rezension / Buchkritik des Buches von Hans Kleissl, Harry Niemann: Mercedes-Benz 300 SL. Das Jahrhundertauto. Motorbuch Verlag, Juli 2017, 368 Seiten mit 298 sw-Abbildungen und 111 Farbbildern. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

Artikel vom 1. März 2018 um 10:33 Berliner Zeit