Am 6. Oktober 2019 fand in Portugal die Parlamentswahl statt. Die politische Rechte implodierte. Sie bezahlte zum einen den Preis für den Sparkurs bis 2015, zum anderen für die Uneinigkeit bei Wahlen 2019.
Der Wahlsieger heisst eindeutig Ministerpräsident Costa (englischer Artikel) von den Sozialdemokraten. Der PD ging 2015 das Risiko einer Minderheitsregierung ein, die von zwei Parteien der extremen Linken im Parlament unterstützt wurde. Was damals nicht nur dem Schreibenden wie ein Selbstmordkommando erschien, stellt sich nun als Erfolgsstrategie heraus.
9,34 Millionen registrierte portugiesische Wähler im In- und Ausland waren am 6. Oktober zu den Urnen gerufen worden. Insgesmt 54,5% wählten. 2015 waren es mit 55,8% noch leicht mehr gewesen.
Noch sind die Gewinner der vier Sitze der portugiesischen Überseeterritorien nicht bekannt. Doch die bis jetzt bekannten Resultate sind klar: Ministerpräsident Costa gewinnt die Parlamentswahl in Portugal. Seine Sozialisten (PS) gewinnen 36,65% und werden damit erstmals sei 2009 wieder die stärkste Partei. Neu sind sie mit 106 Parlamentariern (2015: 86) im Einkammerparlament mit insgesamt 230 Sitzen vertreten.
Das reicht zwar immer noch nicht für eine absolute Mehrheit, doch Antonio Costa dürfte an der Spitze der Regierung bleiben. Die absolute Mehrheit liegt bei 116 Mandaten. Bisher hat er von der extremen Linken, dem Bloco de Esquerda (BE) und dem Partido Comunista Português (PCP) sowie den Grünen (Os Verdes) Untertützung erhalten. Die linke Tierschutzpartei PAN konnte von 1 Sitz auf 4 Sitze und neu 3,28% der Stimmen aufsteigen. Unter den 3 neuen Parteien im Parlament mit je 1 Sitz sind die rechtspopulistische Chega (Genug!) und sowie die Linkspartei Livre. Alle Links der Mitte angesiedelten Parteien insgesamt verfügen über 142 Sitze (4 Sitze sind wie erwähnt noch auszuzählen). Die Frage ist also vor allem, ob Antonio Costa wie bisher mit seiner Minderheitsregierung weitermacht oder ob er neu mit anderen linken Parteien eine Koalition bilden wird.
Die politische Rechte wurde abgestraft. Die PPD/PSD kam auf 27.9% und 77 Sitze. Damit landete sie zwar an zweiter Stelle, doch war dies das schlechteste Resultat der Partei sei 1983. Unter Premierminister Coelho hatte die PSA einst ein brutales, aber notwendiges Spar- und Reformprogramm umgesetzt, das beim Wähler nicht gut ankam. Doch es erlaute es dem Nachfolger Antonio Costa, eine moderatere Linie zu fahren. Die andere historische Partei der Rechten, CDS-PP, verlor 13 von 18 Sitzen und landete 2019 mit erbärmlichen 5 Sitzen weit abgeschlagen im Feld der Parteien. Parteichefin Assunção Cristas ist deshalb bereits von ihrem Amt zurückgetreten. Die Rechte bezahlte nicht nur eine späte Rechnung für ihr Sparprogramm, sondern nicht zuletzt für ihre Uneinigkeit. Dem populären Sozialisten (bzw. Sozialdemokraten) Costa hatte sie nichts entgegenzusetzen.
Alle fünf linken Parteien zusammen haben zwar ingesamt neu 142 Sitze im Einkammerparlament, doch der Linksblock (BE) verlor leicht und endete mit 9,67% und 19 Sitzen. Schlimmer erging es den Kommunisten (PCP) die neu nur noch auf 6,46% Wählerstimmen und 12 Mandate kommen, nachdem sie 2015 noch 17 Sitze geholt hatten. Bei ihnen sagen sich viele, ihre Unterstützung für die Minderheitsregierung Costa sei vom Wähler nicht richtig gewürdigt worden. Ihnen sei doch die Abkehr vom Austeritätskurs mit zu verdanken. Der Premier wird ihre Stimmen auch im neuen Parlament brauchen. Wird die Kommunisten weiter die Regierung von aussen stützen, sich abwenden oder treten sie vielleicht gar in die Regierung ein?
Die historischen Linksparteien sind sich seit Jahrzehnten nicht grün. Es mutet wie ein Wunder an, dass Costa die ganze Legislatur hindurch regieren konnte. Zwischendurch gab es zwar einige wichtige Streiks, doch die Minderheitsregierung wurde nicht gestürzt.
Ministerpräsident Costa setzte eine moderate Reformagenda durch. Er schaffte das Unmögliche. Er beendete das unpopuläre Austeritätsprogramm seines Vorgängers Coelho, ohne das Defizit aus dem Ruder laufen zu lassen. Die Staatsschulden stehen allerdings weiterhin bei 122% des BSP. Er drehte Pensionskürzungen und Einschnitte bei den Einkommen von Staatsangestellten teilweise zurück, erhöhte den gesetzlichen Mindestlohn und gab Unternehmen gute Bedingungen, zu investieren. Gleichzeitig zogen die Immobilienpreise an, was vielen Leuten mehr Geld gab. Die Baubranche boomt ebenso wie der Tourismus. Costas Kurs half, die Arbeitslosigkeit von 18% runter auf 6,6% zu bringen, die niedrigste Rate seit 2002. Die portugiesische Wirtschaft wächst moderat, Auslandsinvestitionen und Bauinvestitionen befinden sich auf einem Hoch.
Doch nicht alles ist rosig. Die Arbeitslosigkeit ist auch deshalb so tief, weil viele Portugiesen im Ausland arbeiten. Es mangelt an Zukunftsinvestitionen. Die verrückte Geldpolitik der EZB erlaubt es Portugal, nur lächerliche Zinsen auf der riesigen Staatsschuld von 122% des BSP zu bezahlen. Das kann nicht ewig so weiter gehen. Die Zinsen müssen irgendwann wieder steigen. Dann wird es beim Staat, bei vielen Unternehmen und Haushalten ein böses Erwachen geben (nicht nur in Portugal).
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Foto von Ministerpräsident António Luís Santos da Costa (*1961 in Lisbon). Foto von Wikipedia-User Manuelvbotelho.
Artikel vom 7. Oktober 2019 um 21:34 deutscher Zeit.