Neuwahlen in Tunesien

Jan 14, 2011 at 17:16 926

Hinzugefügt am 17. Januar 2011 um 12:34 Londoner Zeit: Siehe auch den Artikel zum Regimewechsel in Tunesien. Am 15. Januar 2011 erklärte der Verfassungsrat – gestützt auf die Verfassung – den 77jährigen Parlamentspräsidenten Foued Mebazaa zum Nachfolger von Ben Ali und ordnete Neuwahlen in zwei Monaten an. Ben Ali floh nach Saudi-Arabien.

Hinzugefügt am 14. Januar 2011 um 19:15: Ben Ali hat das Land verlassen. Der Ministerpräsident hat sein Amt übernommen. Der Premierminister ist laut Al Jazeera auf dem Weg nach Paris. Im tunesischen Staatsfernsehen sagte Premierminister Mohamed Ghannouchi, er nehme temporär (per interim) die Amtsgeschäfte gemäss Artikel 56 der Verfassung wahr, da der Präsident momentan seinen Pflichten nicht nachkommen könne.

Hinzugefügt am 14. Januar 2011 um 18:48: Ben Ali soll das Land bereits verlassen haben. Ministerpräsident Ghannouchi hat die Amtsgeschäfte des Präsidenten übernommen.

Hinzugefügt am 14. Januar 2011 um 18:28: Die Armee hat die Kontrolle über den Flughafen der Hauptstadt Tunis übernommen und den Luftraum gesperrt. Der Ausnahmezustand würde über ganz Tunesien verhängt. Von 18 Uhr bis 06 Uhr gilt eine Ausgangssperre. Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi wurde mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt.

Artikel vom 14. Januar 2011, hinzugefügt um 17:16
Neuwahlen in Tunesien angekündigt

Der tunesische Präsident Ben Ali hat heute überraschend die Regierung aufgelöst und vorzeitige parlamentarische Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten angekündigt. Er hat sein Kabinett entlassen, bleibt aber selber im Amt. Solange er an seinem Stuhl klebt – bis 2014 – könnten die Unruhen weiter gehen, da der Fisch vom Kopf her stinkt. Die Regierungsfamilie hat sich schamlos bereichert.

Neuwahlen waren als Befreiungsschlag von Präsident Zine el-Abidine Ben Ali gedacht, doch die Demonstranten in den Strassen von Tunis fordern seinen Rücktritt. Zuvor – ebenfalls noch heute – hatte Aussenminister Kamel Morjane der Opposition die Regierungsbeteiligung vorgeschlagen. Néjib Chebbi von der Demokratischen Fortschrittspartei (PDP) war dem nicht abgeneigt. Der sozialdemokratische PDP hatte zuvor eine Einheitsregierung verlangt. Die PDP hatte die Wahlen von 2009 boykottiert und ist deshalb nicht im Parlament vertreten.

Ben Ali war 1987 durch einen unblutigen Putsch an die Macht gekommen. Zuvor hatte der frühere Militär als Innenminister gedient. Seine Regierung gilt als korrupt. Die Wahlen fanden nicht unter regulären Verhältnissen statt. Die Wahlresultate mit einem Sieg von um die 90% wurden gefälscht.

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Der Klan von Ben Ali lässt es sich gut gehen, während dem die Mehrheit der Bevölkerung darbt. Daher gehörte zu seinen Zugeständnissen vom 13. Januar die Senkung der Preise für Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch und Zucker. Die Lockerung der harten Zensur kündigte er ebenfalls an. Er sagte gar, die Presse solle vollkommene Freiheit erhalten. Das wäre tatsächlich eine Revolution im Zensurland Tunesien.

Nach offiziellen Angaben sind bisher 23 Demonstranten getötet worden. Die Opposition geht von rund 70 Toten aus. Bereits gestern hatte sich Präsident Ben Ali bereit erklärt, 2014 nicht zur Wiederwahl anzutreten, was ihm rechtlich ohnehin verboten wäre, da das Höchstalter für Präsidentschaftskandidaten bei 75 Jahren liegt. Ben Ali wurde 1936 geboren.

Die Arbeitslosigkeit in Tunesien lag 2007 bei 13,9%. Selbst mit einem guten Universitätsabschluss hatte jedoch nur jemand mit Beziehungen die Chance auf einen vernünftigen Job. Die Proteste richteten sich denn zuerst auch gegen die Arbeitslosigkeit und die Perspektivlosigkeit der Jugend in einem jungen Land.

Das Ferienland Tunesien würde von anhaltenden Unruhen brutal getroffen werden. 2007 kamen rund 6,7 Millionen Touristen nach Tunesien, gut zur Hälfte aus Europa. Die Touristen trugen 2008 rund 14% zum BIP bei. 2007 konnte das Land noch ein Wirtschaftswachstum von 6,7% des BIP verzeichnen. Doch das Schwellenland bot vor allem dem Regime nahe Stehenden gute Aussichten. Die Mehrheit der rund 10,6 Millionen Tunesier profitierte davon nicht oder nur kaum. Das BIP betrug 2009 pro Kopf und Jahr $9100 (PPP).

Zur Zeit herrscht mehr als nur ein Hauch von Revolution in Tunesien. Was kommt nach Ben Ali? An ihm festhalten, wie das auf peinliche Weise Frankreich tat, kommt nicht in Frage.