Parlamentswahlen in Italien: Die Fünf-Sterne-Bewegung wird die stärkste Partei

Mrz 05, 2018 at 16:07 513

Die Lage in Italien ist nach den Parlamentswahlen unübersichtlich. Kein Lager verfügt über eine Mehrheit. Das komplizierte Wahlrecht lässt noch keine Angaben zu den endgültigen Stimmanteilen und zur Sitzverteilung zu.

Die Parlamentswahlen haben die Fünf-Sterne-Bewegung (Movimento 5 Stelle) zur stärksten Partei Italiens gemacht. Gemäss den offiziellen, noch inkompletten Auszählungen kommt sie im Abgeordnetenhaus (Camera) auf 32,58% der Stimmen, im Senat (Senato) auf 32,13%. Das reicht nicht, um das Land alleine zur regieren.

Die Demokratische Partei (PD) des populären, jedoch politisch schwachen Ministerpräsidenten Gentiloni und des früheren Ministerpräsidenten Renzi, der auf ein Comeback hoffte, wurde arg zerzaust. Sie kommt noch auf 18,71% der Stimmen im Abgeordnetenhaus, zusammen mit alliierten Kleinparteien auf 22,88%. Im Senat reichte es für 19,15%, zusammen mit den alliierten Kleinparteien für 23%. Bei den Europawahlen 2014 hatte der PD unter der Führung von Renzi noch beachtliche 40,8% der Stimmen geholt! Renzi will angeblich als Chef des PD zurücktreten.

Auf der politischen Rechten wurden die Kräfte neu geordnet. Vier Parteien hatten sich in der Hoffnung verbündet, vereint an die Macht zu kommen. Die ehemalige Lega Nord, die sich nun nur noch Lega nennt, um im Rest Italiens bessere Chance zu haben, wurde zur stärksten Kraft im rechten Lager. Im Abgeordnetenhaus kommt die populistische, fremdenfeindliche Lega nach den vorläufigen Teilergebnissen auf 17,47%, im Senat auf 17,67%. Der Lega-Chef Matteo Salvini löst daher Silvio Berlusconi als (inoffizieller) Führer des rechten Lagers ab.

Der am 1. August 2013 wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilte ehemalige Premierminister Silvio Berlusconi ist für sechs Jahre von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und stand deshalb gar nicht zur Wahl, kämpfte jedoch als Präsident seiner Partei Forza Italia an vorderster Front um die Rückkehr an die Macht. Doch seine Forza Italia kommt im Abgeordnetenhaus laut den vorläufigen Teilergebnisse lediglich auf 14,05%, im Senat auf 14,46%. Damit scheint die politische Karriere – wieder einmal – für den 81jährigen Multimilliardär vorbei zu sein.

Ebenfalls im rechten Lager kämpften noch die nach der italienischen Nationalhymne benannten, „postfaschistischen“ und EU-kritischen Brüder Italiens (Fratelli d’Italia con Giorgia Meloni) um Stimmen. Die „Brüder“ werden allerdings von einer Frau geführt. Giorgia Meloni ist eine ehemalige Journalistin und frühere Jugend- und Sportministerin in einer von Silvio Berlusconi geführten Regierung. Die Fratelli d’Italia kamen im Abgeordnetenhaus auf 4,34%, im Senat auf 4,25%.

Die vierte Partei im rechten Lager nennt sich Uns mit Italien (Noi Con l’Italia – UDC) und kommt im Abgeordnetenhaus auf 1,31%, im Senat auf 1,2%. Zu ihnen gehört der EU-freundliche Zentrist Pier Ferdinando Casini, der früher den Christdemokraten (DC) angehörte und einst die Abgeordnetenkammer präsidierte.

Die vier Kräfte des rechten Lagers kommen laut den vorläufigen Ergebnissen auf rund 37%. Das sind zwar insgesamt mehr Prozente als die Fünf-Sterne-Bewegung, es reicht aber ebenfalls nicht für eine Regierungsmehrheit.

Wer in welcher Koalition Italien regieren wird, steht daher noch völlig in den Sternen – nicht unbedingt jener des Movimento 5 Stelle. Allerlei Allianzen sind möglich. Der Führer der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio hat noch nie ein exekutives Amt gehabt und sein Studium nie abgeschlossen. Immerhin hat er die Linie des früheren Parteiführers Beppe Grillo in einigen Punkten geändert. Er schliesst Koalitionen mit anderen Parteien nicht mehr grundsätzlich aus. Von Beppe Grillos Ausstieg aus dem Euro will er auch nichts mehr wissen; Italien könnte sich diesen ohnehin nicht leisten, weil die neue Währung sofort abstürzen und die Staatsschulden explodieren würden.

Könnte Di Maio mit dem PD regieren? Unwahrscheinlich. Mit den rechten Parteien? Vielleicht, doch ebenfalls kompliziert. Bei der Anti-Immigrationspolitik bestehen durchaus Berührungspunkte. Oder kommt es zu einer Art neuem „historischen Kompromiss“, einer Allianz zwischen der Linken und der Rechten, also dem PD, Berlusconi und anderen? Oder kommt es schon bald wieder zu Neuwahlen, eventuell mit einem neuen Wahlrecht?

Die italienische Staatsschuldenquote liegt noch immer über 130% des BIP, die Arbeitslosenquote bei rund 11%. Hätte die EZB nicht massiv Geld in den Geldkreislauf gepumpt und dabei Staatsschulden verstaatlicht und mit dieser Politik die Zinsen massiv gesenkt, sodass sie heute in vielen Ländern – so in Italien – längst nicht mehr die dahinter liegenden Risiken reflektieren, so müsste Italien längst den Gürtel enger schnallen. Ohne die lockere Geldpolitik wäre die jährlich anfallende Zinslast viel höher – wie vor der Einführung des Euro.

Trotz einiger Reformen von Ministerpräsident Renzi ist und bleibt Italien ein Sanierungsfall. Griechenland war ein Zwerg. In der Finanzkrise glaubten Merkel und Sarkozy, um Finanzinstitute und andere in ihren Ländern „zu retten“, müssten sie private Schulden sozialisieren. Das wird im Falle Italiens nicht möglich sein. Das Land ist „too-big-to-fail“. Die italienische Volkswirtschaft ist zu gross, um bei einem drohenden Staatsbankrott gerettet zu werden. Die Italiener müssen sich schon selbst helfen. Ansonsten wird die Weltwirtschaft arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Die EZB darf aus volkswirtschaftlichen Grünen ihre gefährliche Aufkaufpolitik nicht länger fortsetzen. Die Zinsen müssen wieder steigen. Dadurch werden Risiken – öffentliche und private – wieder sichtbar werden. Das wird für viele Staaten, Private (z.B. Hausbesitzer mit Hypotheken) sowie Unternehmen nicht leicht werden.

Aus den oben genannten Gründen sind die Parlamentswahlen in Italien relevant für die Stabilität der Eurozone, der EU und der Weltwirtschaft. Ohne eine fähige Regierung droht Chaos. Bisher hat sich Italien noch immer irgendwie durchgewurstelt. Doch das muss nicht notwendigerweise auch in Zukunft klappen. Hinzu kommt noch, dass Donald Trump mit einem Handelskrieg droht. Da kommen der Eurozone, der EU und der Welt die hausgemachten italienischen Probleme höchst ungelegen.

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Photo of Luigi di Maio (center). M5S at Quirinal Palace on April 12, 2018. Photo: public domain, Presidenza della Repubblica.

Artikel vom 5. März 2018 um 16:07 Römer Zeit.