Paul Klee – Meisterwerke der Sammlung Djerassi

Jun 28, 2002 at 00:00 336

Hinzugefügt am 14. Juni 2008: Carl Djerassi vermacht der Albertina in Wien nach seinem Tod („promised gift“) 67 Werke aus seiner Sammlung von mittlerweile 140 Werken von Paul Klee.

Rezension / Artikel vom 28. Juni 2002: Erstmals werden in Europa 100 Werke von Paul Klee aus der Sammlung Djerassi gezeigt, zusammen mit 20 Ölgemälden. Damit präsentiert die Kunsthalle Krems die bisher umfangreichste Paul Klee-Retrospektive in Österreich: Paul Klee – Meisterwerke der Sammlung Djerassi (dt. Katalog bei Amazon.de; engl. Katalog bei Amazon.com, Amazon.de).

Die Paul Klee-Sammlung von Carl Djerassi umfasst vor allem Arbeiten auf Papier (Aquarelle, Gouachen, Grafiken, Drucke, Zeichnungen). Das früheste Werk der Sammlung entstand noch in Klees Gymnasialzeit, das späteste wurde nach dem Tod des Künstlers (am 29. Juni 1940) in dessen Atelier gefunden und entstand kurz vor Klees Ableben.

Die Sammlung Djerassi dokumentiert die gesamte Schaffenszeit des Künstlers, alle Werkphasen und Lebensabschnitte: dazu zählt die oft karikierende, impressionistische bzw. jugendstilartige Bildwelt der Frühzeit, die Auseinandersetzung mit Vincent van Gogh und Paul Cézanne, die Begegnung mit den Künstlern des „Blauen Reiters“, insbesondere die Tunisreise 1914 mit August Macke und Louis Moilliet, seine (produktivsten) Jahre im Bauhaus in Weimar und später in Dessau oder die Spätphase, die der von den Nazis als „entarteter“ Künstler verfemte Klee in der Schweiz, wo er aufgewachsen war, verbrachte. Insgesamt umfasst das Oeuvre von Paul Klee zirka neuntausend (zumeist kleinformatige) Arbeiten in einer unerreichten Fülle von Malgründen und -materialien, mit denen er manchmal als erster Künstler überhaupt experimentierte, von seiner pikturalen Vielfalt ganz zu schweigen.

Die von der Kunsthalle Krems in Zusammenarbeit mit dem Museum of Modern Art in San Francisco veranstaltete und von Carl Aigner kuratierte Ausstellung zeigt in Ergänzung zu den 100 Werken aus der Sammlung Djerassi (Grafik, Zeichnungen, Aquarelle, Mischtechniken) zwanzig Werke in Öl aus der Paul Klee-Nachlassverwaltung in Bern sowie internationalen Museen und Privatsammlungen, die auf Grund ihrer inhaltlichen Korrespondenz zur Sammlung Djerassi ausgewählt wurden.

Der Buchumschlag von Paul Klee – Meisterwerke der Sammlung Djerassi (dt. Katalog bei Amazon.de; engl. Katalog bei Amazon.com, Amazon.de) zeigt Kleine Winterlandschaft mit dem Skiläufer, 1924, 85. Aquarell auf Papier auf Karton. 15,2 x 22,3 cm (Kat. 42).

Biografie von Carl Djerassi

Der 1923 in Wien in ein jüdisches Ärzte-Elternhaus geborene Carl Djerassi emigrierte 1938 mit seiner Mutter über London in die USA. 1945 promovierte der junge Mann in organischer Chemie an der Universität von Wisconsin. 1949 ging er als Forschungsdirektor zur Syntex S.A. nach Mexico City, wo er im Alter von 28 Jahren am 15. Oktober 1951 die „Antibabypille“ erfand. Djerassi arbeitete ebenfalls entscheidend an der Synthetisierung von Cortison mit und gab der Schädlingsbekämpfung wichtige Impulse. Der inzwischen 76jährige hat über 1200 wissenschaftliche Publikationen vorzuweisen und lehrt heute noch an der Stanford University.

Durch die Antibabypille finanziell unabhängig geworden, betätigte sich Carl Djerassi als Kunstsammler, -stifter und -mäzen. Ausgangspunkt seiner Sammelleidenschaft war die präkolumbische Kunst, für die er sich anfangs der 1950er Jahre während seiner Forschungstätigkeit in Mexiko City zu interessieren begann. 1963 besuchte Djerassi in der Londoner Malborough Gallery erstmals eine Klee-Ausstellung. Er erwarb seine ersten zwei Werke des Künstlers, die zwei Aquarelle Pferd und Mân (1925) und Heldenmutter (1927) aus der Bauhaus-Zeit. Djerassi hat seine Klee-Sammlung, die heute rund 140 Werke umfasst, bereits 1984 dem San Francisco Museum of Modern Art als Dauerleihgabe und Schenkung nach seinem Tod vermacht.

Neben Klee sammelte Djerassi auch Werke von Edgar Degas, Jean Dubuffet, Alberto Giacometti, Marino Marini, Henry Moore oder Pablo Picasso. Der Freitod seiner als Künstlerin tätigen Tochter Ende der 1970er Jahre bewog Djerassi zu einer Abkehr vom Sammeln „toter Kunst“ hin zu „lebender Kunst“. Er verkaufte – mit Ausnahme seiner Klees – seine Sammlung mit Werken verstorbener Künstler und gründete 1979 in den Bergen bei San Francisco das „Djerassi-Resident-Artist-Program“. Seine kalifornische Stiftung erlaubt es Malern, Bildhauern, Musikern und Schriftstellern während einiger Monate, sich künstlerisch weiter zu entwickeln.

Carl Djerassi ist in dritter Ehe mit der zwanzig Jahre jüngeren Autorin und Literaturprofessorin Diane Middlebrook verheiratet. Mit ihr lebt er in San Francisco und London. Sie hat ihn zur Literatur geführt, in der er im von ihm begründeten Genre „science in fiction“ arbeitet. Djerassi möchte die breite Masse an die Welt der Wissenschaft heranführen. Neben den Romanen Cantors Dilemma, Menachems Same und NO sowie der Autobiographie Die Mutter der Pille hat er auch bereits Theaterstücke wie Unbefleckt geschrieben.

Carl Djerassi: Die Mutter der Pille. Autobiografie. Heyne, 2001, 538 S. Ausgabe vom Haymon Verlag, 2001, bestellen bei Amazon.de. Get the English edition This Man’s Pill: Reflections on the 50th Birthday of the Pill from Amazon.com.