Philippe Jaroussky. Biographie und Alben des französischen Countertenors

Aug 11, 2014 at 21:50 1054

Der 1978 in der Gemeinde Maisons-Laffitte im Departement Yvelines geborene Countertenor Philippe Jaroussky begeistert seit Jahren. Auf CD begann alles mit Scarlattis Sedecia – König von Jerusalem (1999 bzw. EMI, 2001). Ins Bewusstsein eines grösseren Publikums gelangte der Countertenor dank einer Reihe von gewonnen Klassikpreisen. Bei den französischen Victoires de la Musique gewann er 2004 in der Kategorie Révélation Artistique lyrique sowie 2007 und 2011 in der Kategorie Artiste Lyrique de l’Année. Für sein Album Heroes mit Arien von Vivaldi aus dem Jahr 2007, eingespielt mit dem Ensemble Matheus, gewann er einen Disque d’Or, Diapason d’Or Gramophone Award und viele weitere Preise. Im deutschsprachigen Raum ist er dank seinen Auszeichnungen beim Echo Klassik bekannt: 2008 Sänger des Jahres, 2009 einen Echo Klassik für L’Arpeggiata, 2012 einen Echo Klassik für die Operneinsielung Duetti (Virgin Classics) mit Max Emanuel Cencic und dem Orchester Les Arts Florissants unter der Leitung von William Christie, und 2013 einen Echo Klassik für die Operneinspielung Vinci: Artaserse (Erato) von Leonardo Vinci mit Max Emanuel Cencic, Franco Fagioli, etc. und dem Concerto Köln unter der Leitung von Diego Fasolis.

Die erste (mir bekannte) CD mit Philippe Jaroussky: Sedecia – König von Jerusalem (Virgin / EMI, 2001; Doppel-CD bei Amazon.de). Die Musik von Alessandro Scarlatti wurde mit dem Orchester Il Seminario Musicale eingespielt.

Philippe Jaroussky stammt nicht aus einer Musikerfamilie. Er schloss zuerst ein wissenschaftliches Abitur ab (Baccalauréat scientifique), bevor er sich ganz dem Gesang widmete. Die Liebe zur Musik entdeckte Philippe Jaroussky im Musikunterricht in seinem Collège in Sartrouville. Mit elf Jahren begann er deshalb, Violinunterricht zu nehmen. Er gewann mit dem Instrument einen ersten Preis beim CNR in Versailles. Mit fünfzehn Jahren interessierte er sich fürs Klavier. Mit achtzehn Jahren schliesslich hörte er in Paris ein Barockkonzert in einer Pariser Kirche, bei dem der Counterrenor Fabrice di Falco sang. Er war begeistert und begann deshalb mit achtzehn Jahren Unterricht bei Nicole Fallien zu nehmen. Die Gesangslehrerin, mit der er noch heute arbeitet, brachte ihn dahin, wo er heute steht: An die Spitze.

Bereits 1999, drei Jahre nach Beginn seiner Gesangsstunden, singt er die virtuose Rolle des Sohns von Sedecia im Oratorium Sedecia, Re di Gerusalme von Alessandro Scarlatti. Ausgewählt hatte in Gérard Lesne, der die Rolle von König Sedecia übernahm. Das Werk mit Philippe Jaroussky als Sohn von Sedecia kam 1999 (bzw. 2001 bei EMI) auch auf CD raus.

Der Dirigent Jean-Claude Malgoire engagierte den Studenten für vier Monate für die Trilogie von Monteverdi. Er vertraute dem jungen Countertenor, was diesem wiederum Selbstvertrauen gab, wie er später in Interviews erklärte. Malgoire engagierte ihn auch danach wiederholt für verschiedene weitere Produktionen. Im November 1999 gab der junge Sänger bereits ein Recital im Pariser Théâtre Grévin, das vom Produzenten Philippe Maillard organisiert wurde. Er sang die Händel-Arien Serse und Ariodante.

2001 erwarb Philippe Jarousky sein Gesangsdiplom am Departement für Alte Musik a, Konservatorium der Region Paris. Im folgenden Jahr gründet er sein Ensemble Artaserse, dem zu Beginn Claire Antonini (Theorbe, ein Lauteninstrument), Nanja Breedijk (Barockharfe), Christine Plubeau (Viola da Gamba) und Yoko Nakamura (Cembalo und Orgel) angehörten. Mit seinem Ensemble Artaserse nahm er zum Beispiel ein Album mit Musik des wenig bekannten Komponisten Benedetto Ferrari aus dem 17. Jahrhundert auf.

Philippe Jaroussky fühlt sich zuhause im Barock, bei Komponisten wie Giovanni Battista Pergolesi, Antonio Caldara, Antonio Vivaldi, Georg Friedrich Händel, Claudio Monteverdi, Johann Sebastian Bach, Christian Bach, Leonardo Vinci, Nicola Porpora und anderen, die Musik für Countertenöre wie Farinelli, Caffarelli und Carestini schrieben. Partituren für Kastraten werden heute von Countertenören und Mezzosopranen gesungen. Viele Werke der oben genannten Komponisten hat der Countertenor Philippe Jaroussky auf CD und anderen Tonträgern eingespielt.

Philippe Jaroussky: Farinelli. Poropora Arias. Erato / Warner Classics, 2013. Die CD bestellen bei Amazon.de, Amazon.fr, Amazon.com. Der Komponist Nicola Porpora schrieb viele Arien für seinen Schüler, den Kastraten Farinelli, den er europaweit bekannt machte. Siehe zum Thema Kastraten den französischen Artikel La musique des castrats. Die Aufnahmen Farinelli. Poropora Arias entstanden mit dem Venice Baroque Orchestra unter der Leitung von Andrea Marcon. Zwei Duette auf dem Album wurden mit Cecilia Bartoli als Partnerin von Philippe Jaroussky aufgenommen. Die CD bietet elf Arien und 70 Minuten pure barocke Freude!

Philippe Jaroussky kennt keine technischen Schwierigkeiten und meistert die gewagtesten, halsbrecherischsten Kompositionen bravourös mit seiner leichten, diaphanen Stimme. Er gibt Solorecitals, singt im Duo, mit Orchestern und in Opern. Zum Beispiel war er 2012 in Salzburg in Händels Oper Giulio Cesare in Egitto an der Seite von Andreas Scholl, Cecilia Bartoli, Anne Sofie von Otter und anderen zu bewundern. Die Leitung des Orchesters Il Giardino Armonico hatte Giovanni Antonini. Für den Höhepunkt sorgten die Countertenöre.

Leonado Vinci: Artaserse. Mit Philippe Jaroussky, Emanuel Cencic, Franco Fagioli und anderen. Mit dem Concerto Köln unter der Leitung von Diego Fasolis. Erato, 2012. Bestellen bei Amazon.de.

Philippe Jaroussky mag die expressiven, dramatischen und virtuosen Rollen und Interpreten, weshalb er eine Vorliebe für Opern und Cecilia Bartoli entwickelt hat. Die Barockmusik sei für den Tag, zum sofortigen Konsumieren, ohne Blick auf die Nachwelt geschrieben worden, weshalb sie heute wieder dem Zeitgeist entspreche, so Philippe Jaroussky 2009 in einem Interview.

Nebenbei bemerkt: Der Grossvater von Philippe Jaroussky floh vor der russischen Revolution von Russland nach Frankreich. An der Grenze fragte man ihn nach seinem Namen. Er antwortete: „Ya – russky (Ich bin Russe)“. Daraus wurde der neue Familienname Jaroussky.

Das Album Duetti mit Philippe Jaroussky und Max Emanuel Cenci mit dem Orchester les Arts Florissants unter der Leitung von Wiliam Christie. Virgin Classics. Die CD bestellen bei Amazon.de, Amazon.fr.

Artikel vom 11. August 2014 um 21:50 CEST