Theresa May und Jeremy Corbyn sind beide ihrer Aufgabe nicht gewachsen

Feb 03, 2019 at 19:17 1143

Das Desaster mit dem Brexit

Als Theresa May das Amt als Premierministerin übernahm, meinte sie allen Ernstes Brexit heisse Brexit (Brexit means Brexit). Das deutete bereits klar darauf hin, dass sie keine Ahnung hatte, wovon sie sprach, denn die „Leave“-Kampagne hatte das Blaue vom Himmel herunter versprochen.

Wer vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt will, der muss die Gesetze, Verordnungen, Regeln der EU akzeptieren. Einfach die EU zu verlassen und zu meinen, man könne alle Vorteile mitnehmen, sei nun jedoch wieder völlig souverän und könne im Innern Gesetze nach eigenem Gutdünken auf die Wege bringen, war und ist eine Illusion.

Die Verantwortungslosen hinter der verlogenen Brexit-Kampagne, der ehemalige UKIP-Chef Nigel Farage und der Exbürgermeister von London und nun Ex-Minister der Regierung May, Boris Johnson, und andere träumten und träumen – zumindest öffentlich – von einem Grossbritannien, das mit der Welt Freihandelsabkommen abschliesst und so prosperieren kann. Doch das UK handelt vor allem mit der EU. Rund 50% der Importe und Exporte kommen aus und gehen in die Europäische Gemeinschaft. Transnationale Lieferketten binden britische und EU-Firmen eng aneinander.

Ein harter Brexit würde natürlich EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich ebenfalls schaden, weil sie viel Handel mit Grossbritannien treiben und eben durch die erwähnten Lieferketten eng mit den Briten verbunden sind. Es ist eine Situation, in der alle nur verlieren können (lose-lose-situation). Allerdings ist die Lage asymmetrisch, denn für das UK ist die EU viel wichtiger als das UK für die EU-Länder (jedes einzeln für sich genommen).

Lose-Lose wäre ein harter Brexit ebenfalls, weil das kleine UK ohne die EU im weltweiten Kräftespiel neben den USA und China bedeutungslos wäre. Selbst die EU kann da nur mithalten, wenn sie zusammenhält. Die EU würde natürlich durch den Austritt Grossbritanniens, das hinter Deutschland wirtschaftlich in etwa so bedeutend wie Frankreich ist, geschwächt. Geostrategisch kommt hinzu, dass in der EU neben Frankreich nur Grossbritannien Nuklearwaffen besitzt und zudem neben Frankreich als einzige europäische Macht einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat.

In Grossbritannien träumen vor allem viele Ältere und viele Konservative von der Wiederauferstehung des Commonwealth bzw. gar von einem Revival des Empire. Doch das sind Illusionen. Für die ehemaligen Kolonien ist die EU wichtiger als das UK.

Nicht zu vergessen bleibt, dass die Schotten sich 2014 in einem Referendum mit 55% zu 45% für den Verbleib im UK entschieden haben. Doch damals war natürlich die EU, dass das UK Teil der EU bleibt. Nun wäre die Lage anders und die Schotten könnten ein neues Referendum organisieren. Und dieses Mal bestände nicht die Gefahr, dass die Restbriten den Schotten den Wiedereintritt in die EU verweigern könnten, denn sie wären ja gar nicht mehr Teil der EU.

Genau da liegt ja der Witz: Grossbritannien hat als grosses Land in der EU ein bedeutendes Gewicht und kann Gesetze, etc. beeinflussen. Tritt das UK aus der EU aus und will weiter Handel betreiben bzw. die City of London ihre Finanzgeschäfte – als bei weitem wichtigste EU-Börse! – muss sie EU-Gesetze und Regeln befolgen, über die sie gar nicht mehr mitbestimmen kann. Die Norwegen und Schweizer wissen wie das ist, doch sie sind ohnehin winzig und hätten in der EU kaum Gewicht. Dieses Argument können die Brexiter bzw. Brexiteer nicht vorbringen.

Das Desaster mit dem Brexit ist so gross, weil die Fronten für und gegen einen harten bzw. weichen Brexit bzw. einen Verbleib in der EU quer durch die Parteien, quer durch die Gesellschaftsschichten und quer durch Familien geht.

Das aktuelle britische Führungspersonal ist völlig unfähig. Theresa May ist ihrem Amt nicht gewachsen. Sie meint, sie müsse unbedingt den Wählerwillen respektieren und irgend eine Form von Brexit liefern, obwohl der Brexit-Entscheid unter Vorspiegelung falscher Tatsachen gefällt wurde. Wo bleibt der britische Pragmatismus?

Bei der führenden Oppositionspartei, Labour, sieht es nicht besser aus. Der Führer der Arbeiterpartei, Jeremy Corbyn, war jahrzehntelang ein extrem Linker Hinderbänkler, der nach wie vor vom Sozialismus träumt und eigentlich für den Brexit ist, weil aus seiner Sicht die EU eine Art „neoliberales“ Projekt ist. Für die Brexiter hingegen ist die EU eine Art Vorstufe zum Sozialismus. Was die Tories am Ende eint, ist das Verhindern von Neuwahlen, das Bannen der Gefahr einer linkslastigen Regierung Corbyn.

Theresa May und Jeremy Corbyn sind beide ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Hinzu kommt, dass die Briten nicht wissen, was sie wollen. Laut einer Umfrage von ICM waren im Januar 2019 rund 28% für einen harten Brexit (No-Deal Brexit). 24% wollten einen zweite Abstimmung über den Brexit (Second Referendum). 20% wollten Artikel 50 verlängern – das heisst, mehr Zeit für Verhandlungen mit der EU. 11% waren für Neuwahlen. 8% waren der Ansicht, Premierministerin May müsse für ihren Deal eine Mehrheit im Parlament finden. Doch das Parlament liess May’s Deal mit 432 zu 202 durchfallen. Es war ein Resultat, wie man es seit den 1920er Jahren nicht mehr gesehen hat. May liess das so unbeindruckt, dass der von ihr daraufhin präsentierte Plan B eigentlich nur eine Neuauflage von Plan A war.

Ein Protestler vor dem Parlament (Westminster) hat die Lage treffend mit seinem Schild zusammengefasst: Wir haben bereits den besten Deal. Das Volk könnte in einem zweiten Referendum bzw. das Parlament mit einer Mehrheit den Brexit einfach beerdigen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Dezember 2018 bereits in einem Urteil festgehalten, dass die britische Regierung das Recht hätte, auch ohne Einwilligung der EU-27 die Aktivierung von Artikel 50 wieder rückgängig zu machen. Grossbritannien bliebe wie bisher Mitglied der EU. Das wäre das beste für alle: Briten und EU.

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Photo: Präsident Trump und Premierministerin May am 27. January 2017 im Oval Office des Weissen Hause. Official White House Photo by Shealah Craighead. This image is a work of an employee of the Executive Office of the President of the United States, taken or made as part of that person’s official duties. As a work of the U.S. federal government, the image is in the public domain.

Artikel vom 3. Februar 2019 um 19:17 ukrainischer Zeit.