Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt im Belvedere

Jul 14, 2018 at 18:31 862

Noch bis am 30. September 2018 zeigt die Orangerie des Unteren Belvedere in Wien die Ausstellung Sag’s durch die Blume! Wiener Blumenmalerei von Waldmüller bis Klimt (Amazon.de). Sie ist dem „langen“ 19. Jahrhundert gewidmet, das von der französischen Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkriegs dauerte.

Unter den über 100 ausgestellten Werken sind einige Blumenstillleben des holländischen Goldenen Jahrhunderts zu bewundern, das mit Werken von Jan Van Huysum (Blumenstrauss vor Parklandschaft, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien), Willem van Aelst (Blumenstück mit Taschenuhr, um 1660, Gemäldegalerie der bildenden Künste Wien) und Rachel Ruysch (Stillleben mit Blumen und Früchten, 1703, Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien) prominent vertreten ist. Ohne diese herausragenden Vorbilder und Einflüsse wäre die Entwicklung des Wiener Blumdenbildes nicht denkbar.

Die Wiener Künstler und Künstlerinnen brauchen sich nicht zu verstecken. Viele ihrer Werke halten der Gegenüberstellung mit jenen der Holländer durchaus stand. Joseph Nigg, Carl Schuch, Franz Xaver Gruber, Ferdinand Georg Waldmüller, Rosalia Amon, Olga Wisinger-Florian und andere haben dem Genre der Blumenmalerei herausragende Arbeiten hinzugefügt.

Die erste Blütezeit der Wiener Blumenmalerei fällt in die Zeit des Biedermeier. Als ihr bedeutendster Vertreter gilt der beliebte Georg Ferdinand Waldmüller. Spannend zu sehen ist, dass die ab den 1880er Jahren eingeläutete zweite Hochblüte der Wiener Blumenmalerei fast ausschliesslich von Frauen getragen wurde. Dabei war ihnen noch immer der Besuch der Wiener Kunstakademie verwehrt. Sie waren auf Privatunterricht angewiesen, wie ihn etwa Ferdinand Georg Waldmüller erteilte.

Die aus gutbürgerlichem Haus stammende Olga Wisinger-Florian (1844-1926) strebte zuerst eine Karriere als Pianistin an. Aufgrund eines Handleidens musste sie 1874 das Klavierspiel aufgeben. Stattdessen begann sie zu malen. Ihre ersten Lehrer waren Melchior Fritsch und Augustu Schaeffer von Wienwald. Von 1880 bis 1886 unterrichtete sie Emil Jakob Schindler (1842-1892). Dieser bedeutende Maler war von der Schule von Barbizon beeindruckt und zählt zu den Pionieren der österreichischen Freiluftmalerei. Zu seinen Schülerinnen gehörte neben Olga Wisinger-Florian auch Marie Egner. Ab den 1880er Jahren malten sie gemeinsam im Freien, insbesondere in der Umgebung von Schloss Plankenberg in Niederösterreich.

Marie Egner (1850-1940) hatte immerhin zuvor das Glück gehabt, ab 1869 die Ständische Zeichnungsakademie in Graz besuchen zu dürfen und von 1872 bis 1875 bei Carl Jungheim in Düsseldorf studieren zu können. Nach der anschliessenden Übersiedlung nach Wien – wo wie oben erwähnt Frauen der Zugang zur Kunstakademie noch immer verwehrt war – erteilte Marie Egner vor allem Töchtern aus gutem Haus Zeichenunterricht. 1881 lernte sie Emil Jakob Schindler kennen, der sie entscheidend prägte und dessen Schülerin sie bis 1887 war. Ab den 1890er Jahren konnte sie sich bei Kritikern und auf dem Kunstmarkt behaupten. 1917 begann sich ihre Sehkraft zu verschlechtern, was schliesslich zum Erblinden führte.

In einer Wiener Ausstellung dürfen natürlich Werke von Ikonen wie Hans Makart, Koloman Moser, Egon Schiele und Gustav Klimt nicht fehlen. Was hingegen das herausragende Werk Tulpen aus dem Jahr 1995 des Dresdner Ausnahmekünstlers Gerhard Richter in dieser Ausstellung zu suchen hat, erschliesst sich dem Schreibenden nicht wirklich. Die Erklärung: Als Dauerleihgabe aus Privatbesitz ist es in der Regel ohnehin im Belvedere in Wien zu sehen. Da konnte man das herausragende Tulpen-Ölgemälde kurzerhand integrieren und so demonstrieren, dass die Stilllebenmalerei nach wie vor aktuell ist und immer mal wieder neu interpretiert wird.

Das zweite zeitgenössische Werk der Ausstellung stammt von Willem de Rooji (1969). Sein Bouquet V aus dem Jahr 2010 besteht aus einem Sockel, einer Glasvase und bis zu 95 verschiedenen Blumen. Das Werk ist insgesamt rund 190 cm hoch. Das Werk des Professors für Freie Bildende Kunst an der Stadelschule in Frankfurt am Main stammt aus der Sammlung Haubrok, Berlin. Im Fall von Willem von Rooji könnte man immerhin einwerfen, dass er Holländer ist.

Nochmals zurück zu den Jahren von der Französischen Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkriegs: Die erste Hälfte des „langen“ Jahrhunderts ist geprägt von der Liebe zur Natur und der Rückbesinnung auf die Blumenmalerei des niederländischen Goldenen Zeitalters. Nach Realismus und Biedermeier folgen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts historistische und poetisch-verklärende Darstellungen der Natur ebenso wie die Auflehnung gegen verkrustete Traditionen. Neuerungen wie die Freilichtmalerei, die Bedeutung des Lichts werden relevant. Neue Kunstströmungen wie der Impressionismus, der Symbolismus und danach der Expressionismus finden eher spät ihren Weg nach Wien. Doch gleichzeitig ist die Vielfalt auffallend. Die Französische und die Industrielle Revolution, die Bedeutung des Individuums, Realismus, Idealismus, die Erfassung des Lichts lassen neben akademischen Ansätzen des Kaiserreiches Raum für individuelle Betrachtungsweisen. Monumental-heroisierende Kunst steht neben poetisch-verklärender und solcher, die Stimmungen einfängt. Akademismus und dekorative Kunst treffen auf revolutionäre Strömungen wie den den Gang in die Natur, auf Impressionismus und viele andere, neue Ansätze und Stile.

Insgesamt ist die Ausstellung im Unteren Belvedere mehr als gelungen. Neben Zeichnungen, Aquarellen, Marmor-, Keramik- und Porzellanarbeiten sind vor allem rund 77 Ölgemälde zu bewundern, die alleine die Fahrt nach Wien lohnen. Diese erste, der Wiener Blumenmalerei gewidmete Ausstellung zeigt, dass neben den allseits bekannten Namen wie Waldmüller und Klimt noch viele weitere Künstler und Künstlerinnen in der Hauptstadt des Kaiserreichs aktiv waren, deren Entdeckung für das grosse Publikum sicher ein Gewinn ist, denn viele ihrer Arbeiten gehören zum besten, was das Genre hervorgebracht hat.

Die Artikel im die Ausstellung begleitenden Katalog befassen sich mit Themen wie der Blumenmalerei an der Wiener Porzellanmanufaktur und der Akademie der bildenden Künste, der orientalischen Blumensprache und der biedermeierlichen Liebeskommunikation, der Entdeckung der heimischen Pflanzenwelt, der Politik der Blumen, den pleinairistischen Blumenbildern, der Begegnung der Farbe in den Blumenwerken von Gustav Klimt sowie Schieles Sonnenblumen II als Antwort auf Klimt und van Gogh. Zudem beinhaltet das Buch Kurzbiografien aller in der Ausstellung vertretenenen Künstler.