Wilhelm Heinrich Füssli

Sep 01, 2021 at 10:06 1364

Der Schweizer Maler Wilhelm Heinrich Füssli (1830-1916) war nicht nur der Sohn der Pfarrerstochter Anna (geb. Locher) und des kunstsinnigen liberal-radikalen Politikers, Inhaber und Redakteurs der Wochenzeitung Schweizerischer Repbulikaner, Juristen, Amtsrichters und Kunstschriftstellers aus der Oberschicht der Stadt Zürich Wilhelm Füssli, dessen bedeutende Familie seit dem Spätmittelalter Ratsherren, Statthalter, Vögte und Pfarrer an der Limmat stellte, sondern unter den Füssli finden sich mehrere künstlerisch tätige Mitglieder.

Yvonne Gross und Ludwig Scheidegger erforschen in ihrem Buch (Amazon.de) Wilhelm Heinrich Füssli 1830-1916. Biografie und Werkverzeichnis daher zwar vor allem das Leben und Oeuvre von Wilhelm Heinrich, in ihrem einleitenden Unterkapitel „Herkunft der Familie Füssli“ erwähnen sie aber zudem alle anderen bekannten Füssli. Unter ihnen sei hier nur auf den international berühmten Maler Johann Heinrich Füssli (1741–1825), auch der »Engländer« genannt, verwiesen, dem man zum Beispiel in Londoner Museen öfters als „Henry Fuseli“ begegnet.

Der in Zürich am 16. Januar 1830 geborene Wilhelm Heinrich Füssli hatte eine fünf Jahre jüngere Schwester, Anna, Nanni genannt. Die Familie wohnte in der Florhofgasse 7. Der Junge verbrachte bis zu seinem achten Lebensjahr viel Zeit bei seinem verwitweten Grossvater und ehemaligen Quartierhauptmann Wilhelm Füssli in dessen Haus „Zum weissen Fräuli“, da sein Vater häufig auf Reisen war.

Bereits im Kindesalter wurde Wilhelm Heinrich von seinem kunstliebenden Vater gefördert, weshalb in ihm früh der Wunsch erwuchs, Maler zu werden. Der leider 1845 früh verstorbene Vater erlebte die künstlerische Ausbildung seines Sohnes nicht mehr, die nun in der Hand der Mutter lag. Die Familie zog wie noch vom Vater gewünscht nach Frankfurt am Main, wo Füssli ab 1847 Unterricht am Städel’schen Kunstinstitut bei Jakob Becker erheilt. 1849 zog die Familie nach München, wo sich der junge Mann im November an der Akademie der Bildenden Künste immatrikulierte und seine Ausbildung beim Historienmaler Johann Baptiste Berdellé fortsetzte.

Im Frühjahr 1850 reiste Füssli mit dem fünfzehn Jahre älteren, aus Dortmund stammenden Maler Carl Bennert erstmals nach Italien (nach Venedig). Bennert hatte wie Füsslis Lehrer Berdellé in Düsseldorf bei Wilhelm von Schadow an der Kunstschule studiert und wohl Füssli Berdellé als Lehrer empfohlen. Bereits 1852 endeten Füsslis Studien bei Berdellé, da dieser seine Lehrtätigkeit aufgab, um nach Russland zu gehen. In diesem Jahr stellte Füssli erstmals aus. Er war unter anderem mit einem Gemälde der Gräfin von Seinsheim (WHF G1) in der Ausstellung des Kunstvereins München vertreten.

Die junge Gräfin Anna von Seinsheim war die Tochter des Reichsrates und Kämmerers August von Seinsheim, der nicht nur ein großer Kunstfreund war, sondern selbst als Historienmaler und Radierer künstlerisch tätig gewesen war. Möglicherweise hatte schon Wilhelm Füssli, Vater des Wilhelm Heinrich, Kontakt zu August von Seinsheim gehabt, denn man hatte einen ähnlichen Freundes- und
Bekanntenkreis. Vater Füsslis Reisen für seine Kunstreiseführer führten ihn mehrfach nach München. Dies könnte erklären, warum ab 1850 die Witwe Füssli mit ihren beiden Kindern bei von Seinsheim in der Briennerstraße 41 für drei Jahre Quartier nahm.

In München lernte Füssli den Maler Oswald Sickert kennen, mit dem er sich sehr anfreundete. Zusammen gingen die beiden jungen Künstler 1853 nach Paris, wo sie im Atelier des französischen Malers Thomas Couture studierten, dessen Stil damals en vogue war. Im Louvre studierte Füssli die alten Meister, die Abende verbrachte er im La Closerie des Lilas, einem bekannten Treffpunkt für Künstler und Intellektuelle. Er unternahm eine Studienreise mit Couture in die Normandie, wovon zahlreiche Zeichnungen aus Dieppe zeugen. Zu den Mitreisenden gehörte Édouard Manet, ebenfalls ein Schüler Coutures. Weitere bekannte Schüler von Couture zu jener Zeit waren Anselm Feuerbach und Victor Müller. Zu Müller unterhielt Füssli über lange Jahre eine freundschaftliche Beziehung. Als Müller 1871 verstarb, porträtierte er zusammen mit Karl Haider und Hans Thoma den toten Freund ein letztes Mal (WHF Z112). Bei dieser Gelegenheit lernte Füssli auch den Kunsthistoriker Adolf Bayersdorfer kennen und übernahm zudem das nunmehr leerstehende Atelier Müllers.

Im Jahr 1853 hatte Carl Bennert Füsslis 20 Jahre jüngere Schwester Nanni geheiratet. Das Paar zog nach Frankfurt am Main, während Füsslis Mutter zunächst noch abwechselnd in München und in Zürich lebte. Erst 1855 wurde Füsslis Elternhaus, das Haus am Wolfbach, in Zürich verkauft, nun war München der Lebensmittelpunkt seiner Mutter. Füssli war zu jener Zeit wiederholt auf Reisen, die ihn zunächst nach Salzburg und Zürich führten. Mehrfach hielt er sich für längere Zeit in Baden-Baden und Heidelberg auf, wo er viel Zeit mit dem ihm aus München bekannten Maler Bernhard Fries und dessen Umfeld verbrachte. Dazu zählten u. a. der Schweizer Dichter Gottfried Keller und der Schriftsteller Paul Heyse. Fries war zudem mit Anselm Feuerbach eng befreundet, dem Füssli allerdings »nicht gewogen« war. Blendend da gegen verstand Füssli sich mit Heyse und Keller.

Einen weiteren zu jener Zeit bekannten Künstler hatte Füssli in München kennengelernt, den Genremaler Joseph Petzl. Der wie Bennert um einiges ältere Petzl verstand sich offenbar gut mit Füssli, 1861 porträtierte Füssli ihn (WHF G19). Die beiden Künstler waren bereits 1852 zusammen auf der Schweizerischen Kunstausstellung in Bern vertreten gewesen. 1857 zog Familie Füssli in die Sophienstrasse 4 in ein Haus um. Dorthin zog kurz darauf auch der auf Architketur spezialisierte Maler Ferdinand Petzl, der 16 Jahre jüngere Bruder von Joseph. Alle drei Künstler waren über lange Jahre Mitglieder des Münchner Kunstvereins.

Ab Spätherbst 1861 lebte Füssli bis 1868 in Italien, um sich künstlerisch weiterzubilden und die alten Meister wie Tizian oder Raffael zu studieren, so in Florenz und Rom, wo er einige Porträtaufträge zu erfüllen hatte. Er baute in Italien sein Netzwerk aus, pflegte seine Kontakte wie zur ihm aus München bekannten Bankiersfamilie von Hirsch und ließ sich von dieser bei dem ebenfalls in Florenz lebenden Gelehrten und Mäzen François Sabatier und seiner österreichischen Ehefrau, der Opernsängerin Caroline Unger, einführen.

Am 20. März 1864 verstarb seine Mutter Anna Füssli in München, weswegen der Maler nach Deutschland zurückkehrte und bis Anfang 1867 in München blieb. Kontakt unterhielt er währenddessen zum Schriftsteller und Politiker Theodor Vischer.

Erfolge im Ausland feierte Füssli 1867 auf der Weltausstellung in Paris mit drei Ölgemälden und zwei Studien. Besondere Anerkennung fanden das Gemälde des französischen Diplomaten Frédéric Briffault (WHF G35) sowie das Familiengemälde des Kunsthistorikers und späteren Berliner Museumsdirektors Julius Meyer (WHF G36). Füssli weilte 1867 zudem für einige Monate in La Spezia.

Mit Julius Meyer war Füssli bereits seit Beginn der 1860er-Jahre befreundet und ihm über Bernhard Fries begegnet. Über Meyer lernte Füssli dann Conrad Fiedler kennen und schätzen und porträtierte den damals noch jungen Kunsttheoretiker im Jahre 1864 (WHF G27). Ab 1868 hauptsächlich in Rom lebend, nahm Füssli 1869 an der Münchner Internationalen Kunstausstellung teil und wurde mit der Goldenen Ehren-Medaille ausgezeichnet.

Dies sind nur einige Angaben aus der frühen Biografie von Wihelm Heinrich Füssli. Yvonne Gross und Ludwig Scheidegger befassen sich nicht nur mit dem Leben des Künstlers, sondern zudem unter anderem mit seinen Skizzenbüchern, Füsslis Studium der alten Meister, seinen Bildnissen für das Haus Baden sowie für den Schriftsteller Conrad Ferdinand Meyer, seinem Nachruf und Nachlass. Neben den Abbildungen (die grösser sein könnten) von Gemälden und Zeichnungen umfasst das Buch ein Verzeichnis der Gemälde, Zeichnungen und Zuschreibungen, eine Chronologie der Wilhelm Heinrich Füssli-Aussstellungen und ein Literaturverzeichnis.

Yvonne Gross, Ludwig Scheidegger: Wilhelm Heinrich Füssli 1830-1916. Biografie und Werkverzeichnis. Mit einem Verzeichnis der Gemälde, Pastelle und Zeichnungen. Gebundene Ausgabe, 24 x 28 cm, Hirmer Verlag, 2021, 264 Seiten mit 388 Abbildungen in Farbe. Das Buch bestellen bei Amazon.de.

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Buchkritik / Rezension hinzugefügt am 1. September 2021 um 10:06 Schweizer Zeit.